11. Sep. 2023Von Schwerhörigkeit bis Schlafapnoe

Trisomie 21 begünstigt zahlreiche otolaryngologische Beschwerden

Menschen mit Down-Syndrom leiden aufgrund anatomischer Besonderheiten häufig an Störungen im Hals-Nasen-Rachenbereich – und dies in allen Altersstufen. Bei der Behandlung gilt es einiges zu beachten.

Cute baby boy with Down syndrome closed his ears, deafness
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Bei rund 50 % der Menschen mit Down-Syndrom ist der äußere Gehör­gang verengt.

Etwa die Hälfte der Menschen mit Trisomie 21 hat eine Stenose des äußeren Gehörgangs und häufig ist die Tuba Eustachii ebenfalls verengt. Beides fördert die Entwicklung einer chronischen Otitis media mit Hypakusis und verstärkt die ohnehin gestörte Sprachentwicklung. Eine gezielte Therapie kann dieses Schicksal verhindern.

Eine Option ist die Einlage eines Paukenröhrchens zur Drainage des Paukenergusses. Von dieser Maßnahme profitieren Kinder mit Down-Syndrom, wie Dr. Habib Zalzal und Dr. Claire Lawlor vom Children’s National Medical Center in Washington erläutern. Die Indikationen sind die gleichen wie bei jungen Patientinnen und Patienten ohne Chromosomenstörung. Wenn Otitis und Schallleitungsschwerhörigkeit persistieren, muss der Eingriff eventuell wiederholt werden, mitunter sogar mehrfach.

Besonderheiten bei Down-Syndrom

Anatomisch: Mandibuläre Retrognathie, Mittelgesichtshypoplasie, relative Makroglossie, Hypertrophie des Waldeyer-Rachenrings, subglottische Stenose, Einengung des äußeren Gehörgangs, Innenohrdysplasie, Kehlkopfspalte, Malformation der Tuba Eustachii

Systemisch: Hypotonie, Kleinwuchs, Anomalien der HWS, kongenitale Herzfehler, Immundefizienz, Neigung zu Adipositas

Auch ein Cochlea-Implantat kann notwendig werden

Als Alternative zur Tympanostomie können die jungen Patientinnen und Patienten ein Hörgerät tragen. Diese Hilfsmittel stehen inzwischen auch in knochenverankerter Form zur Verfügung (perkutan oder magnetisch). Bei einem schweren sensorineuralen Hörverlust oder einseitiger Taubheit sollte die frühzeitige Implantation eines Cochlea-Implantats erwogen werden.

Ein weiteres Problem: Viele Menschen mit Down-Syndrom weisen anatomische Besonderheiten auf, die zu nasaler Kongestion, Rhinorrhö und chronischer Sinusitis prädestinieren. So zeigen Studien eine pathologische Entwicklung der Nebenhöhlen, die von der Hypoplasie bis zur völlig fehlenden Belüftung reicht. Falls eine hausärztliche Behandlung die Symptome nicht ausreichend lindert, können Adenoidektomie und endoskopische Sinus-Operation für Abhilfe sorgen.

Schlafapnoe bei über 90% der Erwachsenen

Außerdem leiden etwa 80% der Kinder mit Trisomie 21 an einer obstruktiven Schlafapnoe. Zu den Risikofaktoren zählen adenoide Vegetationen, kraniofaziale Anomalien, verengter Nasopharynx und Makroglossie. Auch die weit verbreitete Adipositas hat einen deletären Einfluss. Therapie der ersten Wahl ist die Adenotonsillektomie. Allerdings persistiert die schlafbezogene Atemstörung danach häufig oder verschlechtert sich sogar. Für therapierefraktäre Fälle propagieren die Autorinnen und Autoren eine nächtliche CPAP-Beatmung, räumen aber ein, dass die Adhärenz zu wünschen übriglässt.

Noch häufiger ist die Schlafapnoe mit einem Anteil von über 90% bei Erwachsenen mit Down-Syndrom. Die Betroffenen klagen vorwiegend über Tagesmüdigkeit, Depressivität und Stimmungsschwankungen, weniger über Schlafstörungen. Vermutet wird eine Assoziation mit kognitiven Defiziten und neurodegenerativen Veränderungen, was angesichts des bei Menschen mit Trisomie 21 erhöhten Risikos für Alzheimer und vorzeitige Alterung besonders ins Gewicht fällt. Eckpfeiler der Behandlung ist auch hier die CPAP-Therapie.

Mit weiteren Anomalien der Atemwege muss man infolge der Trisomie vermehrt rechnen. Zum Spektrum gehören Laryngomalazie, subglottische Stenose und eine Einengung der Trachea. Verdacht auf eine respiratorische Beteiligung wecken Stridor, Dyspnoe, Husten, anhaltende Infekte und eventuell eine Zyanose.

Kongenitale Herzfehler und vaskuläre Veränderungen wie ein Fehlabgang der Pulmonalarterie finden sich bei etwa 40% der Kinder mit Down-Syndrom. Trachealchirurgische Eingriffe sind weniger erfolgreich als bei chromosomal gesunden Patientinnen und Patienten. Bei milder Symptomatik raten die Autoren deshalb zunächst zu einem abwartenden Verhalten.

Schluckstörungen treten ebenfalls vermehrt auf. Das erhöhte Risiko für Dysphagie und Aspiration kann bis ins Erwachsenenalter persistieren. Begünstigend wirken anatomische Veränderungen wie verkürzter Gaumen und Makroglossie sowie funktionelle Defizite (muskuläre Hypotonie). Zur Prophylaxe empfehlen die Autoren die Anwendung von Verdickungsmitteln. In schweren Fällen hilft eventuell eine vorübergehende Sondenernährung.

Eine riskante systemische Auswirkung der Trisomie ist das geschwächte Immunsystem, wobei vor allem die Funktion der B- und T-Zellen vermindert ist. Deshalb sind Patientinnen und Patienten mit Down-Syndrom besonders infektanfällig (Lunge, Ohr, obere Atemwege). RSV-bedingte Erkrankungen sind der häufigste Grund für eine stationäre Behandlung. Zu einer prophylaktischen Impfung raten die Autoren aber nur bei zusätzlichen Störungen wie Herzfehler, verminderter Atemwegsclearance und Frühgeburtlichkeit. Aufgrund des Zusammentreffens von anatomischen Risiken und gestörter Immunabwehr plädieren sie für eine engmaschige Überwachung, um im Infektfall eine Progression zu verhindern.

Atlantoaxiale Instabilität ist häufig

Erschwerend bei der Betreuung der Trisomie-Patientinnen und -Patienten durch Hals-Nasen-Ohren-Ärztinnen und -Ärzte wirkt eine weitere Besonderheit, warnen die Forschenden. Die häufig beobachtete atlantoaxiale Instabilität wird meist durch eine ligamentäre Schwäche im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) verursacht. Manipulationen am Hals können schwerwiegende Symptome auslösen, von der spinalen Dislokation bis zur Inkontinenz. Im Verdachtsfall sorgt eine zervikale Röntgenuntersuchung für Klarheit. Im Erwachsenenalter wird ein jährliches Symptom-Screening empfohlen, eine routinemäßige radiologische Diagnostik ist nicht erforderlich.

Zalzal HG, Lawlor CM. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2023; doi: 10.1001/jamaoto.2023.0001

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune