11. Sep. 2023Hochwassergefahr!

Zoonose führte zu Gelbsucht und Nierenversagen

Von Husten, Schüttelfrost und blutigem Auswurf hin zu Ikterus und Niereninsuffizienz: Mit Rasanz geriet ein 56-Jähriger in Lebensgefahr. Schuld war eine Überflutung.

Inside of flooded dirty abandoned ruined industrial building with water reflection.
Mulderphoto/AdobeStock

Wenige Tage nach Aufräumarbeiten in einer überschwemmten Lagerhalle begannen die Beschwerden eines Mannes mit Husten und Schüttelfrost, zudem berichtete der langjährige Raucher über blutigen Auswurf. Bald gesellten sich Kraftlosigkeit und rezidivierendes Erbrechen hinzu, mit einem ausgeprägten Ikterus kam er schließlich ins Spital. Vorerkrankungen bestanden nicht, die Reiseanamnese war leer, schreiben Zoë Frigg, Spital Limmattal, Schlieren, und Kollegen.

Pathologische Thrombozyten und Entzündungswerte

Bei Aufnahme befand sich der Patient in einem reduzierten Allgemeinzustand. In der klinischen Untersuchung fiel neben Hypotonie (80/56 mmHg), Vorhofflimmern mit einer Herzfrequenz von 170/min und nativer Sauerstoffsättigung von 50 % die deutliche ikterische Verfärbung von Haut und Skleren auf.

Die Laborwerte ergaben eine akute Niereninsuffizienz (Kreatinin 2,55 mg/dl), eine stark erniedrigte Thrombozytenzahl (24.000/µl) sowie ein erhöhtes CRP von 299 mg/l und eine Leukozytose. Die Transaminasen waren leicht, das Gesamtbilirubin war deutlich erhöht. GammaGT und Alkalische Phosphatase zeigten sich unauffällig. Die Ärztinnen und Ärzte errechneten einen Sequential Organ Failure Assessment(SOFA)-Score von 14 Punkten, der auf eine lebensbedrohliche Organdysfunktion hinwies.

Zunächst vermuteten die Mediziner eine akute obstruktive Cholangitis, die Computertomografie zeigte dann auch Steine in der Gallenblase, nicht aber im Ductus choledochus. Stattdessen entdeckten die Kollegen in den Lungenlappen mehrere Milchglastrübungen und azinäre Infiltrate, die sie einer bilateralen Bronchopneumonie oder diffusen alveolären Blutungen zuordneten.

Den septischen Schock behandelten die Ärztinnen und Ärzte mit intravenösem Flüssigkeitsersatz und Noradrenalingabe. Sie begannen eine empirische Antibiotikatherapie mit Ceftriaxon, Clarithromycin und Metronidazol, die sie später auf Piperacillin/Tazobactam umstellten. Im weiteren Verlauf verlegten sie den Mann auf die Intensivstation und führten eine Endosonografie und eine endoskopische retrograde Cholangiografie durch. Damit ließ sich die Choledocholithiasis definitiv ausschließen, es wurde dennoch ein Stent in den Gang eingelegt, die Hyperbilirubinämie blieb trotzdem bestehen.

Doxycyclin brachte die Genesung in Gang

Eine Bronchoskopie ergab zwar eine schwere Bronchitis mit blutig-eitrigem Sekret, der PCR-Test lieferte aber keine Bestätigung von Bakterien oder respiratorischen Viren. Auch im Blut fand sich kein Bakteriennachweis. Währenddessen verschlechterte sich der Zustand des Mannes weiter, sodass eine maschinelle Beatmung erforderlich wurde. Doch was war der Grund? Die Kombination aus Ikterus, hämorrhagischer Bronchitis, akuter Niereninsuffizienz und ausgeprägter Thrombozytopenie ließ die Ärztinnen und Ärzte schließlich an eine Leptospirose denken.

Tatsächlich konnten sie serologisch mittels ELISA-Test IgG- und IgM-Antikörper gegen Leptospira interrogans ermitteln. Daraufhin leiteten sie eine 14-tägige Behandlung mit Doxycyclin ein, unter der sich der Patient wieder erholte. Nach sechs Tagen konnte er extubiert und einige Tage später auf die Normalstation verlegt werden. Im Blut und Urin waren die Leptospiren mittels PCR-Test nicht mehr aufzuspüren.

Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte nehmen an, dass das Flutwasser mit dem Urin infizierter Nager kontaminiert und der Erreger über eine chronische Dermatitis an den Beinen des Mannes in dessen Körper gelangt war. Dieser hatte daraufhin mit dem Morbus Weil die schwerste Form der Leptospirose entwickelt, die durch Ikterus, Nierenversagen und Blutungen charakterisiert ist und in bis zu 15 % der Fälle tödlich verläuft.

Frigg Z et al. Swiss Med Forum 2023; 23: 1186–1188; doi: 10.4414/smf.2023.09140

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune