Neue Coronavirus-Variante BA.2.86; Studie: Anstieg von Fällen extrem früher Pubertät
+++ WHO und US-Behörden beobachten neue Coronavirus-Variante – Hersteller: angepasste Covid-Impfstoffe im September verfügbar – Krankhafte Erschöpfung hält bei vielen Post-Covid-Erkrankten lange an – Vermehrte extrem frühe Pubertät bei Mädchen infolge von Covid-19 – Jugendliche litten stark unter Schulschließungen +++
WHO und US-Behörden beobachten neue Coronavirus-Variante
Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die US-Gesundheitsbehörden beobachten nach eigenen Angaben derzeit aufmerksam eine neue Variante des Coronavirus. Die neue Virusvariante BA.2.86 stehe wegen der "hohen Zahl von Mutationen an ihrem Spike-Gen" unter Beobachtung, erklärte die WHO am Donnerstagabend (17.8.). Auch die US-Seuchenkontrollbehörde CDC verfolgt demnach die Entwicklung.
Bisher wurden Infektionen mit der neuen Virusvariante aus den USA, Dänemark und Israel gemeldet. Die möglichen Auswirkungen der Variante auf das Infektionsgeschehen seien noch unklar, erklärte die WHO.
François Balloux vom University College in London erklärte, die neue Variante verdiene eine genaue Beobachtung. Es sei die "bemerkenswerteste" Variante des Coronavirus seit der Omikron-Variante. Diese hatte im Winter 2022 zu einer weltweiten Infektionswelle geführt.
Gleichzeitig betonte der Experte, von BA.2.86 würden keine ähnlich hohen Zahlen von Todesfällen und schweren Erkrankungen wie bei den Alpha-, Delta- und Omikronvarianten erwartet, da die meisten Menschen inzwischen durch Impfung oder Infektion mit dem Coronavirus in Kontakt gekommen seien. (APA/ag)
Hersteller: angepasste Covid-Impfstoffe im September verfügbar
Die an die neuen Corona-Varianten angepassten Impfstoffe stehen offensichtlich kurz vor der Auslieferung. Der Hersteller Biontech teilte laut einem Bericht der deutschen "Ärzte-Zeitung" dem Blatt mit, dass sein Impfstoff vorbehaltlich der behördlichen Zulassung im September ausgeliefert werden solle. Auch von dem US-Hersteller Moderna soll es einen solchen angepassten Impfstoff geben.
Biontech und Pfizer haben ihren Impfstoff an die immer noch dominierende Omikron-Variante XBB.1.5 angepasst. Von XBB stammt auch die derzeit zirkulierende Variante EG.5 (Spitzname "Eris") ab. Das US-Unternehmen Moderna teilte der Zeitung mit, "rechtzeitig für die Impfsaison im Herbst" und vorbehaltlich einer Zulassung den mRNA-Impfstoff auf den Markt zu bringen. Auch dieser Impfstoff ist an die Omikron-Variante XBB angepasst.
Beide Hersteller wollen die Impfstoffe laut der deutschen "Ärzte-Zeitung" erstmals auch in Einzeldosisbehältnissen ausliefern. In Österreich sind vorerst allerdings "vorrangig keine Monodosen" geplant, hieß es am Montag (22.8.) vom heimischen Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) gegenüber der APA. Bisher werden die Impfstoffe in Fläschchen mit mehreren Dosen und nur begrenzter Haltbarkeit nach der Öffnung ausgeliefert.
Auch das US-Unternehmen Novavax will dem deutschen Medienbericht zufolge im Herbst einen auf die Variante XBB.1.5 angepassten Impfstoff ausliefern. Das Unternehmen teilte der Zeitung mit, man plane zudem ebenfalls den Übergang zu kleineren Darreichungsformen, einschließlich Einzeldosis-Fläschchen.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die neue Mutation des Coronavirus EG.5 hochgestuft und sie unter erhöhte Beobachtung gestellt. (APA/ag)
Krankhafte Erschöpfung hält bei vielen Post-Covid-Erkrankten lange an
Menschen, die nach einer Coronainfektion am Post-Covid-Syndrom der krankhaften Erschöpfung leiden, sind oft noch nach mehr als eineinhalb Jahren beeinträchtigt. Zu diesem Ergebnis kommt nach Angaben vom Dienstag (22.8.) eine Studie der Berliner Universitätsklinik Charité. Für diese wurden über 20 Monate hinweg 106 Teilnehmende untersucht, die ein halbes Jahr nach ihrer Coronainfektion immer noch stark an ausgeprägter Fatigue – einer laut Studie "bleiernen Erschöpfung" – litten.
Eine Erholung dauert im Schnitt desto länger, je schwerer die Coronainfektion verlief. Bei viele gehen die Beschwerden demnach innerhalb eines Jahres zurück – das gilt jedoch nicht für alle Erkrankten. "Leider zeigen unsere Daten, dass Post-Covid-Betroffene mit schwerer Fatigue auch mehr als eineinhalb Jahre nach ihrer Infektion noch immer krank sind", erklärte Studienautorin Judith Bellmann-Strobl von der Charité. Nur bei der Hälfte von ihnen, die nicht das Vollbild des Chronischen Fatigue-Syndroms (CFS) zeigten, zeichne sich eine langsame Besserung zumindest einiger Symptome ab.
Die Forschenden machten in der Studie allerdings eine Beobachtung, mit der sich künftig möglicherweise der Krankheitsverlauf bei Post-Covid-Erkrankten abschätzen lässt: Je mehr Kraft die Patientinnen und Patienten demnach zu Beginn der Erkrankung in der Hand hatten, desto geringer ausgeprägt waren ihre Symptome bis zu 20 Monate später.
Die Handkraft sei nicht nur ein Parameter für die Schwere der Erkrankung zu Beginn gewesen, sondern habe auch vorhersagen können, wie sich die CFS-Erkrankung weiter entwickeln werde, erklärte Carmen Scheibenbogen, Studienautorin und kommissarische Direktorin des Instituts für Medizinische Immunologie der Charité und Leiterin des Charité Fatigue Centrums.
"Bevor wir die Handkraft allerdings prognostisch nutzen können, müssen wir ihre Aussagekraft durch weitere Studien bestätigen", ergänzte sie. In Europa leben nach aktuellen Angaben der WHO etwa 36 Millionen Menschen mit Long-Covid. Die meisten davon sind laut Scheibenbogen in ihrem Alltag eingeschränkt und können kein normales Leben mehr führen. Die Studie zeige nun, dass die meisten CFS-Erkrankten "anhaltend schwer krank sind".
Die Medizinerin forderte deshalb neben der intensiven Suche nach wirksamen Therapien Versorgungseinrichtungen, in denen die Betroffenen "auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und klinischer Erfahrung multidisziplinär" betreut werden. Die Studie wurde im Fachmagazin "eClinicalMedicine" veröffentlicht. (APA/AFP)
Vermehrte extrem frühe Pubertät bei Mädchen infolge von Covid-19
Langsam kommen immer mehr gesundheitliche Spätkonsequenzen der Covid-19-Pandemie heraus. Italienische Spezialisten berichten jetzt von einer starken Zunahme von Fällen extrem früher Pubertät bei Mädchen (Pubertas praecox). Die Ursache dürfte in einem veränderten Lebensstil liegen – mit mehr Übergewicht, weniger Sport und mehr Zeit vor dem Bildschirm.
"Unsere Studie bestätigt den Anstieg der Fälle von vorzeitiger Pubertät während Covid-19 und identifiziert Faktoren, die dazu beitragen, wie schlechte Ernährung, mangelnde Bewegung, zu viel Zeit vor Bildschirmen und gestörter Schlaf", sagte Mohamad Maghnie, Chef der Universitätskinderklinik an der Universität von Genua.
Der Studienautor weiter: "Wir fanden heraus, dass ein beschleunigter Anstieg des Körpergewichts bei Mädchen mit vorzeitigem Eintritt der Pubertät während der Pandemie und speziell eine schnelle Gewichtszunahme damit verbunden ist."
Die Studie ist vor kurzem im Journal of the Endocrine Society (DOI: 10.1210/jendso/bvad094) erschienen. Das Giannina-Gaslini-Institut der Universität in Genua ist auch auf die Diagnose und die Therapie solcher sonst seltenen Probleme spezialisiert. Von einer Pubertas praecox bei Mädchen spricht die Medizin, wenn bereits vor dem achten Lebensjahr eine Brustknospe mit Drüsengewebe entsteht. Verstärktes frühes Wachstum sowie verschiedene Hormonparameter sprechen dann bei einem Ausschluss anderer Ursachen für eine sogenannte rasch fortschreitende Pubertas praecox ohne bekannte Ursache (idiopathische RP-ICPP).
Der Anstieg der Zahl der betroffenen Mädchen während der Pandemie war jedenfalls enorm. "Sie (die Studenautoren; Anm.) identifizierten 72 Fälle zwischen Jänner 2016 und März 2020 (4,25 Jahre; Anm.), also vor der Pandemie, und 61 Fälle zwischen März 2020 und Juni 2021 (1,25 Jahre; Anm.). Das macht vier mehr Fälle pro Monat aus", schrieb die Universität Genua.
Die betroffenen Mädchen zeichneten sich einerseits durch einen höheren BMI aus, andererseits verbrachten sie täglich im Durchschnitt mehr als zwei Stunden vor Bildschirmen. 88,5 Prozent hatten völlig mit körperlicher Bewegung bzw. Sport aufgehört.
"Die Rolle von Stress, sozialer Isolation, vermehrte Konflikte mit den Eltern, die wirtschaftliche Situation und der vermehrte Gebrauch von Desinfektionsmitteln für die Hände- und Oberflächenhygiene sind weitere mögliche Hypothesen für den früheren Wechsel in die Pubertät, obwohl auch eine biologische Adaption nicht ganz ausgeschlossen werden kann", wurde der Studienautor zitiert. Die wissenschaftliche Untersuchung wurde vom italienischen Gesundheitsministerium finanziert.
Italien, speziell Norditalien, war Anfang 2020 besonders stark von Covid-19 betroffen. Die Behörden ergriffen extreme Maßnahmen, auch mit der Schließung von Parks, Schulsperren, Ausgehverboten etc. Vier der von den genuesischen Wissenschaftern identifizierten Mädchen mit Pubertas praecox waren sogar jünger als sechs Jahre. (APA)
Jugendliche litten stark unter Schulschließungen
Schulschließungen während der ersten Welle der Coronavirus-Pandemie haben die psychische Gesundheit von Jugendlichen deutlich verschlechtert. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie deutscher Fachleute.
Das Team um die Wirtschaftswissenschaftlerin Christina Felfe, Inhaberin des Lehrstuhls für Angewandte Mikroökonomie an der Universität Konstanz, untersuchte dabei die Wirkung der Schulschließungen auf die psychische Gesundheit von 11- bis 17-Jährigen. Befragt wurden dafür mehr als 1.000 Jugendliche.
Nach Angaben ging es den 11- bis 17-Jährigen während der ersten Welle der Pandemie durchschnittlich so schlecht wie den 15 Prozent der Jugendlichen, denen es vor der Pandemie am schlechtesten ging. Buben waren der Studie zufolge stärker betroffen als Mädchen. Die 11- bis 14-Jährigen litten demnach mehr unter den Schulschließungen als die 15- bis 17-Jährigen. Auch Jugendliche in Haushalten mit knappem Wohnraum litten stark darunter, wie die Forscherinnen und Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ schreiben.
„Unser Ziel war es zu untersuchen, was die Schulschließungen in dieser so sensiblen Phase im menschlichen Leben bewirkt haben“, sagte Felfe. In diesem Alter seien soziale Bindungen sowie Kontakte zu Lehrern, Mitschülern und anderen Menschen ausschlaggebend für eine gesunde Entwicklung. Für die Untersuchung nutzte das Team unter anderem Daten aus der Copsy-Studie (Corona und Psyche) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Darin waren die psychische Gesundheit und Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie untersucht worden.
Diese Daten brachte die Gruppe in Zusammenhang mit den Schulschließungen in den 16 deutschen Bundesländern. Da deren Dauer teils sehr unterschiedlich waren, konnte die Studie u.a. die Auswirkungen vergleichen – das föderale System Deutschland war wie ein „natürliches Labor“, schreiben die Forscherinnen und Forscher. Ergebnis: Die Lebensqualität der Jugendlichen sank mit jeder zusätzlichen Woche, in der die Schulen geschlossen waren. Gleichzeitig sei die psychische Belastung gestiegen.
Inhaltlich ergänzten die Forscherinnen und Forscher Informationen zu den Belastungen für Jugendliche durch eine Auswertung von Anrufen bei der „Nummer gegen Kummer“. Demnach hatten diese während der Schulschließungen vor allem mit familiären Problemen zu kämpfen. Die aktuelle Studie sei ein „Puzzlestein in der Kosten-Nutzen-Analyse der Pandemiemaßnahmen“, schreiben die Fachleute und raten speziell bei Schulschließungen zu Vorsicht. (science.ORF.at)