28. Juni 2023Tipps vom Experten für Ihre Therapie

„Das Ohr tut so weh“

Frau leidet unter Ohrenschmerzen, Tinnitus-Konzept
Doucefleur/GettyImages

An den Ohren führt auch in der Hausarztpraxis kein Weg vorbei. Ob Otitis externa, media oder Tubenbelüftungsstörung, in allen Fällen ist Ihre Expertise gefragt. Dr. Frank Waldfahrer vom Universitätsklinikum Erlangen fasste den aktuellen Kenntnisstand zur Therapie der drei Erkrankungen zusammen.

Otitis externa

Die Otitis externa diffusa entspricht einer erregerbedingten Entzündung des äußeren Gehörgangs. Als Leitkeim gilt Pseudomonas aeruginosa, allerdings sind mittlerweile Pilze als Auslöser im Kommen, berichtete Dr. Waldfahrer. Staphylococcus aureus und koagulasenegative Staphylokokken sind gemäß einer britischen Studie nur in jeweils etwa 10 % der Fälle anzutreffen. Leitsymptom der Otitis externa ist der Tragusdruckschmerz.Otoskopisch fallen eine entzündliche Gehörgangschwellung mit eingeengtem Lumen, schmierig-eitriges Sekret, ein entzündlich mitbeteiligtes Trommelfell und ein vulnerables Gehörgangepithel auf. 1

Die unkomplizierte Otitis externa bei ansonsten Gesunden behandelt man primär lokal. Bei Diabetespatienten und Immunsupprimierten sowie bei Nichtansprechen auf die Lokaltherapie ist dagegen eine systemische Behandlung erforderlich. Haben Bakterien die Otitis verursacht, bietet sich die Applikation hypochloriger Säure an. Essigsaure Isopropranol-Ohrentropfen sind zwar ebenfalls geeignet, brennen in der Akutphase aber stark.

Bessert sich der Befund innerhalb von drei Tagen nicht, kommen Ciprofloxacin-Ohrentropfen zum Einsatz, die es in verschiedenen Konzentrationen (2 %, 3 %) gibt. Sie können auch bei perforiertem Trommelfell gegeben werden, da sie wenig ototoxisch sind. Beschrieben wurde allerdings, dass Ciprofloxacin-OT zumindest in Kombination mit einem Steroid die Rate an Trommelfellperforationen etwa verdoppelt, warnte der HNO-Kollege. Finden sich im Gehörgang Pilze, helfen wiederum hypochlorige Säure plus ein Antimykotikum. Ciclopirox kann man bedenkenlos anwenden, sagte Dr. Waldfahrer.

Bei der chronischen Otitis externa scheinen Biofilme eine pathogenetische Rolle zu spielen. In diesen Fällen kann man probatorisch essigsaure Isopropranol-OT geben. Eine trockene ekzematöse Otitis, z.B. im Rahmen eines atopischen Ekzems, lässt sich sehr gut mit Tacrolimus-salbe (0,1 %) behandeln.

Die Otitis externa necroticans ist eine Sonderform der Otitis externa und wird heute auch diabetisches Ohr genannt. Allerdings können Nicht-Diabetiker und gut eingestellte Diabetespatienten ebenfalls betroffen sein. Da es sich um ein schweres Krankheitsbild handelt, ist für die Hausarztpraxis das Darandenken das Wichtigste. Erkennbar ist die Necroticans an Granulationen im Gehörgang.

Nach Erreger- und Resistenzbestimmung muss der Betroffene systemisch behandelt werden. Die initiale Therapie erfolgt für sechs Wochen mit Ceftazidim, anschließend wird der Befund möglichst mittels PET-CT kontrolliert. Ggf. muss die Behandlung über mehrere Monate fortgesetzt werden. Ein chirurgisches Débridement kann notwendig sein. Eine hyperbare Sauerstofftherapie hat sich vor allem bei ausgedehnten Befunden mit Hirnnervenparesen als nützlich erwiesen.

Otitis media

Häufigster Erreger der aktuen Otitis media ist mittlerweile Haemophilus influenzae, Pneumokokken spielen dank der Pneumokokkenimpfung keine dominante Rolle mehr. Dies hat allerdings noch nicht dazu geführt, dass die Antibiotikaempfehlung geändert wurde: Nach wie vor gibt man 3 x 30 mg/kgKG Amoxicillin. Bei Kindern im Alter unter 6 Monaten startet man damit sofort. Gleiches gilt bei beidseitiger Erkrankung, Otorrhö und wenn Grunderkrankungen vorliegen. Ein stark vorgewölbtes Trommelfell kann ebenfalls Anlass zur unmittelbaren Antibiose sein.

In der Altersgruppe 6–24 Monate muss man individuell entscheiden, ob man sogleich mit Antibiotika einsteigt. In allen anderen Fällen kann man unter symptomatischer Therapie mit z.B. Ibuprofen für 48 Stunden zuwarten, ob sich der Befund bessert.

„Verwenden Sie bitte kein orales Cefuroxim, das erreicht keine ausreichenden Wirkspiegel“, warnte Dr. Waldfahrer. Ist das Trommelfell des Patienten bereits perforiert, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Staphylokokken mit am Start. Daher wird in diesem Fall ein Aminopenicillin mit einem Betalaktamaseinhibitor kombiniert.

Tubenbelüftungsstörung

Die konservative Therapie einer Tubenbelüftungsstörung sollte bei Kindern wegen einer drohenden Sprachentwicklungsverzögerung und potenziell persistierender Mittelohrschäden auf drei Monate begrenzt bleiben. In dieser Zeit kann man ein Tubentraining mittels Nasenballon versuchen. Nasale und systemische Steroide sind out, zum einen wegen ihrer nicht anhaltenden Wirksamkeit, zum anderen wegen der Nebenwirkungen. Zudem haben nasale Steroide keine Zulassung für die Indikation.

Derzeit rät man von einer Antibiotikagabe ab. „Das dreht sich vielleicht wieder“, meinte dazu Dr. Waldfahrer. Denn mittels PCR gelang es im Paukenerguss, den man bislang für steril gehalten hat, Keime nachzuweisen. Welche Rolle sie in der Pathogenese spielen, ist allerdings unklar. Mittlerweile zeigen erste Studien, dass eine Antibiotikatherapie beim Paukenerguss hilfreich sein kann. Dies gilt aber sicher nur für verzweifelte Fälle, meinte der Kollege. Nicht indiziert sind Antihistaminika (außer bei vorliegender Allergie) und abschwellende Nasentropfen.

Chirurgisches Kinder-Kombipaket Nr. 1 ist die Adenotomie plus Parazentese. Gestritten wird darüber, ob primär ein Paukenröhrchen eingesetzt werden soll. Der Zeiger deutet mittlerweile eher auf ein Nein, sagte Dr. Waldfahrer. Kommt es bei liegendem Röhrchen zur Sekretion aus dem Ohr, wird mit Ciprofloxacin-Ohrentropfen evtl. plus Steroid behandelt.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune