Auch bei ungewöhnlicher Symptomatik an Affenpocken denken
Die aktuell gehäuft auftretenden Affenpocken können sich auch mit einer nicht ganz typischen Symptomatik präsentieren. Dies zeigt ein Fall aus dem Landesklinikum Wiener Neustadt, den Dr. Philipp Schnitzel im Rahmen der Jahrestagung der ÖGDV vorstellte.
Der 40-jährige Mann, der unter keinen Grunderkrankungen litt und keine Dauermedikation einnahm, entwickelte zwei Wochen nach ungeschütztem Sexualkontakt mit zwei gleichgeschlechtlichen Urlaubsbekanntschaften Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber und Erschöpfung. Eine HIV-Präexpositionsprophylaxe war im Urlaub eingenommen worden. Drei Tage später bemerkte er wenige Knötchen an den Extremitäten. Die Anogenitalregion und die Mundschleimhaut waren vollständig läsionsfrei. Eine Woche nach Beginn der Hautveränderungen war der Patient in gutem Allgemeinzustand. Nach wie vor bestanden insgesamt fünf teilweise hämorrhagisch verkrustete einzelstehende Papeln disseminiert an den Extremitäten.
Blutbild, Serumchemie und CRP waren normwertig, HIV- und Hepatitis-Antikörper negativ. Es bestand allerdings Zustand nach einer vor Jahren durchgeführten Syphilistherapie. Im Plasma sowie in Rachen- und Hautabstrichen wurde die westafrikanische Variante des Affenpockenvirus nachgewiesen. Auf dieser Basis wurde die Diagnose oligosymptomatische extragenitale Affenpocken gestellt. Der Patient wurde daraufhin in Heimquarantäne entlassen und die Meldung an die Bezirksbehörde vorgenommen. Es wurde für fünf Tage eine topische Behandlung mit Zink-Schüttelmixtur, darüber hinaus jedoch keine spezifische Therapie verordnet. Bei der Kontrolle nach neun Tagen zeigten sich reepithelialisierte Maculae als Residualläsionen. PCR in Plasma und Hautabstrich war negativ, im Rachenabstrich schwach positiv.
Schon mehr als 80.000 Affenpocken Fälle in Europa und den USA
Das Affenpockenvirus ist ein Doppelstrang-DNA-Virus, das bis vor kurzem in West- und Zentralafrika endemisch war und seit Mai 2022 auch gehäuft außerhalb der Endemiegebiete auftritt, wobei sich Klinik und Infektionsweg von den in Afrika bekannten Charakteristika unterscheiden. Bislang wurden außerhalb von Afrika rund 80.000 Fälle registriert, ca. 300 davon in Österreich. Die Übertragung erfolgt in den meisten Fällen durch engen, längeren Hautkontakt. In Praxi geschieht dies vor allem bei sexuellen Kontakten. Homo- oder bisexuelle Männer sind aktuell außerhalb Afrikas die wichtigste Risikogruppe. Es bestehen in bis zu knapp einem Drittel der Fälle komorbide sexuell übertragbare Krankheiten und in den bisher untersuchten Kohorten waren bis zu 40 Prozent der Patienten HIV-positiv, wobei die Infektion zumeist gut kontrolliert war. In seltenen Fällen kommt es auch zur Verbreitung über kontaminierte Gegenstände.
Typischerweise manifestiert sich die Affenpocken-Infektion in dieser Patientengruppe mit schmerzhaften Hautveränderungen in der Anogenitalregion, eventuell auch im Gesicht und auf der Mundschleimhaut mit spärlicher Dissemination und extrakutanen unspezifischen Symptomen. Bei gutem Allgemeinzustand verläuft die Erkrankung selbstlimitierend nach zwei bis vier Wochen. Allerdings kann es auch zu Tonsillitis, Proktitis und bakterieller Superinfektion kommen. Bei immunsupprimierten Personen sind schwere und sogar tödliche Verläufe möglich. In Einzelfällen können typische Komplikationen viraler Infektionen wie Myokarditis oder Enzephalitis auftreten. Damit unterscheiden sich die aktuell in Europa und den USA diagnostizierten Affenpocken-Erkrankungen deutlich von der „klassischen“ aus Afrika bekannten Klinik der Affenpocken, für die intensive, pockenartige Exantheme, Fieber und Lymphadenopathie typisch sind.
Schnitzel betont, dass eine Manifestation wie die beschriebene, mit wenigen Hautveränderungen ohne genitalen Befall, als Rarität bezeichnet werden kann. Der Fall zeige allerdings, dass in der aktuellen Situation bei entsprechender Anamnese und Hinweisen auf Risikoverhalten nicht nur bei schmerzhaften genitoanalen papuloulzerösen Veränderungen, sondern auch bei atypischen Hautveränderungen an Affenpocken gedacht werden sollte.
Quelle: Schnitzel P et al. 40-jähriger MSM-Patient mit atypischen Affenpocken. Präsentiert im Rahmen der ÖGDV Jahrestagung 2022, Abstract LF 2