Allergische Reaktion auf COVID-19- Impfstoffe: Was steckt dahinter?
Mit der Zulassung diverser Impfstoffe wurden auch wiederum Empfehlungen hinsichtlich der allergologischen Risikoabschätzung zu COVID-19-Schutzimpfungen publiziert. Eine Reihe von Zusatzstoffen können eine allergische Reaktion auslösen. Im Speziellen geht es hier um die Typ-I-Allergie und schwere Anaphylaxien. Doch was steckt dahinter?
Dr. Christine Bangert, Fachärztin für Dermatologie an der klinischen Abteilung für Immundermatologie und infektiöse Hautkrankheiten der Medizinischen Universität Wien, berichtete auf der OEADF Jahrestagung über die aktuellen Erkenntnisse hinsichtlich allergischer Reaktionen auf COVID-19-Vakzine.
Potenzielles Antigen als Anaphylaxie-Auslöser
Die derzeit vorliegenden Studien geben keine Hinweise für ein erhöhtes Risiko einer Anaphylaxie oder schwerer allergischer Reaktionen auf COVID-19-Vakzine. Studien berichteten, obwohl insgesamt selten, von allergischen Reaktionen und Anaphylaxien. „Ein potenzieller Auslöser einer Anaphylaxie könnte das sogenannte Polyethylenglykol (PEG) sein, das in den Impfstoffen enthalten ist“, so Bangert. Sie führte weiter aus: „Das PEG ist ein nicht toxisches Polymer, das entweder kurzkettig als PEG400 oder langkettig als PEG3350-Macrogol vorkommt. Es ist auch in einer Vielzahl von Kosmetika und Medikamenten enthalten.“
Eine Analyse1 zur Charakterisierung der immunologischen Mechanismen, die allergischen Reaktionen auf diese Impfstoffe zugrunde liegen, zeigt, dass vor allem Frauen und Personen mit positiver Anamnese hinsichtlich allergischer Reaktionen ein erhöhtes Risiko für eine mRNA-Impfstoffallergie haben. Immunologische Tests deuten darauf hin, dass bei den meisten Personen nicht-IgE-vermittelte Immunantworten auf PEG verantwortlich sein könnten, so wurden positive Basophilen-Aktivierungsergebnisse auf PEG identifiziert. „Die Conclusio lautet dahingehend, dass anaphylaktische Reaktionen in diesem Setting kaum bis gar nicht IgE-vermittelt sind“, wie Bangert betonte.
Typ-1-Reaktionen
Eine Meta-Analyse2 zum Pfizer-BioNTech-Impfstoff hat ergeben, dass im Zeitraum von 14. bis 23. Dezember 2020 bei 1.893.360 Erstdosen des Impfstoffs in 21 Fällen zu anaphylaktischen Reaktionen gekommen ist. „Das entspricht 11,1 Fällen auf eine Million verabreichte Dosen“, so Bangert. In 90 Prozent der Fälle handelte es sich um junge Frauen, die bereits eine positive Anamnese hinsichtlich allergischer Reaktionen auf etwa andere Vakzine oder Insektengifte aufwiesen.
Analyse-Daten3 zum Moderna-Impfstoff zeigten, dass bis zum 10. Januar 2021 in den USA 4.041.396 Erstdosen verabreicht wurden. Es kam zu zehn anaphylaktischen Reaktionen, bei insgesamt 1.266 berichteten unerwünschten Ereignissen. Dies entspricht einer Anaphylaxie-Rate von 2,5 Fällen pro Million verabreichter Impfdosen, wobei in 90 Prozent der Fälle eine positive Allergieanamnese vorlag.
Umgang mit Allergiepatienten
Die Impfung sollte in erhöhter Risikobereitschaft und mit etwas längerer Nachbeobachtung durchgeführt werden, vor allem wenn unklare idiopathische Anaphylaxien oder eine bekannte systemische Mastozytose vorliegen. Bangert verweist auf eine Meta-Analyse, die im JAMA Internal Medicine publiziert wurde und allergische Reaktionen auf die 2. SARS-CoV-2-mRNA-Vakzine bei Personen mit anaphylaktischer Reaktion auf die 1. Dosis untersuchte. „Von insgesamt 78 Patienten mit schwerer Anaphylaxie nach der ersten Gabe wiesen nur vier Personen eine Anaphylaxie nach der zweiten Dosis auf. Eine neuerliche Impfung ist daher möglich, obwohl die erste Impfung nicht vertragen wurde“, so Bangert.
Fazit
Insgesamt ist die Inzidenz allergischer Soforttypreaktionen mit 7,9 Fällen pro einer Millionen COVID-19-Impfungen (entspricht etwa 65 Fällen in Österreich) relativ niedrig. Derzeit steht fest, dass anaphylaktische Reaktionen auf mRNA-Vakzine meist nicht IgE-mediiert sind; das spezifische Allergen in den mRNA-Impfungen ist aber nach wie vor nicht bekannt. „Allergologische Testungen mit SARS-CoV-2-Impfstoffen oder deren Inhaltsstoffen sind nur bei Personen sinnvoll, die zuvor auf einen der SARS-CoV-2-Impfstoffe oder auf das zur Vorbereitung einer Koloskopie verwendete Abführmittel Makrogol eine anaphylaktische oder anaphylaktoide Reaktion gezeigt haben“, so Bangert. Laut Bangert sollte man Allergikern die Corona-Impfung nicht vorenthalten, denn bei auch bei Risikopatienten ist eine Impfung unter Überwachung und entsprechender Notfallbereitschaft durchaus möglich und relativ sicher.
Allergologisches Bulletin: Allergische Reaktionen auf COVID-19-Vakzine im Rahmen der OEADF Jahrestagung 2022 in Salzburg und virtuell, 20.5.22