Faktor-Xia-Inhibition: In der Phase II sehr sicher und fraglich wirksam
Mehrere im Rahmen der Hotline des ESC 2022 vorgestellte Arbeiten beschäftigten sich mit Wirksamkeit und Sicherheit einer experimentellen Gruppe von Antikoagulanzien, den Faktor-Xia-Inhibitoren. Fazit: Die Sicherheit ist hoch, die Hinweise auf Wirksamkeit genügen, um Phase-III-Studien zu rechtfertigen.
Antikoagulation kann in unterschiedlichen Indikationen zur Vermeidung thrombotischer Ereignisse indiziert sein. Jahrzehntelang waren Vitamin-K-Antagonisten Standard in der oralen Antikoagulation, sie wurden mittlerweile in vielen Einsatzgebieten durch die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAC bzw. NOAC) abgelöst. DOACs greifen entweder am Faktor IIa (Thrombin) oder am Faktor Xa der Gerinnungskaskade an. Das immanente Problem aller dieser Substanzen liegt darin, dass antithrombotische Wirksamkeit immer mit einem erhöhten Blutungsrisiko erkauft werden muss und die Definition eines günstigen Verhältnisses von Nutzen zu Risiko nicht immer einfach ist. Nicht in allen Indikationen haben sich die DOACs im Vergleich zu den Vitamin-K-Antagonisten als überlegen erwiesen. Aktuell wird eine neue Gruppe von Substanzen untersucht, die am Faktor Xia ansetzen und nach aktuellem Wissensstand ein sehr geringes Blutungsrisiko mit sich bringen. Menschen mit angeborenem FXIa-Mangel weisen ein sehr niedriges Risiko thromboembolischer Ereignisse bei lediglich minimal auffälliger Koagulation auf. Die offene Frage ist, wie wirksam Faktor-Xia-Hemmer in der Reduktion von Thrombosen und damit klinischer Ereignisse sind. Aufgrund des großen Potenzials, das dieser Substanzgruppe zugesprochen wird, waren den Phase-II-Studien zu verschiedenen FXIa-Inhibitoren mehrere Hotline-Präsentationen im Rahmen des ESC 2022 gewidmet.
Asundexian auch in Dreifach-Therapie sicher
Einer der Faktor-Xia-Inhibitoren, die sich aktuell in klinischer Prüfung befinden, ist Asundexian, das im Rahmen des PACIFIC-Studienprogramms in mehreren Phase-II-Studien mit jeweils mehr als 1.000 Patienten untersucht wird. Im Rahmen des ESC 2022 vorgestellt wurden nun die Ergebnisse der Studie PACIFIC-AMI, die ihren primären Wirksamkeitsendpunkt verfehlte, dabei aber durchaus Hinweise auf klinisches Potenzial lieferte, sodass die Autoren die weitere Erforschung der Substanz in klinischen Studien empfehlen. PACIFIC-AMI untersuchte Asundexian in einem Kollektiv von Patienten nach Myokardinfarkt, die randomisiert duale Antiplättchentherapie plus Asundexian (in unterschiedlichen Dosierungen) oder Placebo erhielten. Ergebnis war eine hocheffiziente Inhibition von Faktor Xia. Dabei lag das Blutungsrisiko in keinem der Asundexian-Arme über Placebo-Niveau. Allerdings trat auch der kombinierte primäre Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall und Stent-Thrombose in allen Verum-Armen ähnlich häufig ein wie unter Placebo. Allerdings waren Ereignisse im Sinne des primären Endpunkts insgesamt und in allen Armen sehr selten, was zu weiten Konfidenz-Intervallen und geringer statistischer Aussagekraft führt. Angesichts der hervorragenden Sicherheitsdaten im Hochrisiko-Setting einer Dreifach-Therapie schlagen die Autoren daher eine Phase-III-Studie mit ausreichender Power für die Detektion von Wirksamkeit vor. PACIFIC AMI wurde zeitgleich mit der Präsentation in „Circulation“ online publiziert.1