24. Sep. 2021Spickzettel für die Diagnostik

Wie Sie Allergien bei Ihren Patienten detektieren können

Sensibilisierung bedeutet noch lange keine Allergie. Aber eine übersehene Allergie kann für den Patienten tödlich enden. Ein kleiner Crashkurs fasst zusammen, wie man ihr auf die Spur kommt.

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iStock/MajaMitrovic

Die wichtigste Rolle in der Allergie-Diagnostik spielt nach wie vor die Anamnese. Nur mit ihrer Hilfe lassen sich die Ergebnisse der verschiedenen Tests (s. Kästen) korrekt interpretieren. Eine Sensibilisierung bekommt erst einen Krankheitswert, wenn klinische Symptome auftreten, betont Dr. Petra Zieglmayer von der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, Krems. Gleichzeitig schließt ein negatives Testergebnis eine Sensibilisierung nicht aus.

Genuine Allergien sind besonders gefährlich

Bei Nahrungsmittelallergien können bereits kleinste Spuren schwerste Reaktionen auslösen – was sie auch deutlich von Intoleranzen unterscheidet. Ein besonderes Gefahrenpotenzial bergen genuine Allergien, vor allem weil sie sich meist gegen Proteine richten, die nicht durch Hitze oder Säure denaturiert werden und in großen Mengen in der Quelle vorkommen. Mehr als 90% der tödlichen Lebensmittel-Anaphylaxien gehen auf das Konto von Nüssen, Hülsen- und Meeresfrüchten. Kreuzreaktionen in diesen Fällen sind seltener.

In der Regel weniger riskant sind pollenassoziierte sekundäre Nahrungsmittelallergien, die auf einer Kreuzreaktivität basieren. 70% der Birkenpollen-Allergiker vertragen z.B. keine Früchte von Rosaceen (Pfirsich, Aprikose, Apfel etc.), aber auch keine Haselnüsse, Erdnüsse bzw. Soja. Die auslösenden Allergene sind nicht hitze- bzw. verdauungsstabil und nur in geringerer Menge vorhanden. Dadurch kann es sein, dass der Auslöser, z.B. der Apfel, gekocht durchaus vertragen wird. Die Symptome beschränken sich meist auf den oberen Gastrointestinaltrakt mit oralem Pruritus, Pharynxödem oder Bauchschmerzen, schwere systemische Reaktionen sind allerdings möglich.

Um das Gefahrenpotenzial einzuschätzen, müssen genuine und kreuzreaktive Sensibilisierung unterschieden werden. Typischerweise spielen auch unterschiedliche Allergene eine Rolle. Die Differenzierung gelingt oft nur mithilfe einer molekularen Testung auf einzelne Allergene.

Stechen, reiben, kleben

Zum Nachweis IgE-vermittelter Reaktionen (Typ 1) wird primär ein Pricktest genutzt. Er verfügt über eine hohe Sensitivität und Spezifität und liefert das Ergebnis bereits nach 20 Minuten – bei Kindern nach 10–15 Minuten. Serologische Tests (Gesamt- und spezifisches IgE) kommen vor allem zum Einsatz, um Kreuzreaktionen abzuklären, oder wenn ein Anaphylaxie-Risiko besteht. Die In-vitro-Diagnostik zeigt das Sensibilisierungsmuster und den Anteil einzelner Komponenten an der Symptomatik (wichtig für die Immuntherapie).

Handelt es sich um eine hochgradige Sensibilisierung bzw. gibt es keine standardisierte Testsubstanz, eignen sich auch weniger sensitive Tests wie Reibetest oder Epikutantest (mit Sofortablesung), bei denen man native, vom Patienten mitgebrachte Präparate nutzt.

Wer auf verzögerte Reaktionen vom Ekzemtyp (Typ 4) testen will, für den sind Epikutantests/Patch-Tests unverzichtbar, In-vitro-Verfahren gibt es keine. Das Ergebnis wird nach 72 h und 96 h abgelesen, in einigen Fällen folgt eine dritte Auswertung z.B. nach einer Woche. Es fällt positiv aus, wenn sowohl Erythem als auch Infiltrat, Papeln bzw. Bläschen oder Erosionen entstanden sind, schreibt Dr. Zieglmayer.

Zur Testung injizierbarer Allergene oder bei negativem Prick-Test ist auch ein Intrakutantest möglich.

Ein Großteil der Bevölkerung reagiert mit verstärkten Lokalreaktionen auf Insektengift, nicht selten findet sich aber eine Sensibilisierung ohne Allergie. Zwei Drittel der Patienten mit einem Gesamt-IgE > 250 kU/l reagieren positiv, so die Expertin, und aufgrund von Kreuzreaktionen oft sowohl auf Bienen- als auch auf Wespengift. Leider können nur wenige Patienten das auslösende Insekt identifizieren. Hier erleichtert die molekulare Diagnostik die Entscheidung für die passende Immuntherapie.

Unter den Inhalationsallergien dominieren saisonale Varianten, i.d.R. ausgelöst durch Gräser- und Baumpollen. Typisch ist die Rhinitis, eventuell kombiniert mit den bereits erwähnten Nahrungsmittelreaktionen (Cave: diese werden über eine Immuntherapie nicht automatisch mitbehandelt!). Überlappende Blühzeiten, botanische Ähnlichkeiten, Kreuzreaktionen (u.a. Beifuß und Ambrosia) und Panallergene, die unspezifisch in Pollen vorkommen, erschweren die Allergie-Diagnostik deutlich. Deshalb muss der primäre Verursacher als Ziel der Hyposensibilisierung mittels molekularer Diagnostik eruiert werden.

Kontakt mit Hunden und Rindern wirkt tolerogen

Ganzjährige Inhalationsallergien, z.B. gegen Milben oder Tierhaare, manifestieren sich oft mit einem Asthma bronchiale – bevorzugt auch bei Patienten mit atopischer Dermatitis. Ein Drittel der Europäer ist gegen Hausstaubmilben sensibilisiert. Die wichtigsten Spezies, Dermatophagoides pteronyssinus bzw. farinae, sind stark kreuzreaktiv. 95% der betroffenen Patienten bilden Antikörper gegen beide. Gegenüber Tierfellen (Allergene i.d.R. Lipocaine) besteht eine Sensibilisierungsrate von 27%. Problematisch für Betroffene ist, dass z.B. Katzenallergene fast omnipräsent sind. Spezifische Antikörper lassen sich außerdem schon bei Kleinkindern nachweisen. Zumindest für Hunde und Rinder konnte aber gezeigt werden, dass regelmäßiger Kontakt eine immunologische Toleranz erzeugt.

Weniger übliche Testverfahren

Provokationstests werden genutzt, um die klinische Relevanz einer ermittelten Typ-1-Sensibilisierung zu prüfen. Sie sind indiziert, wenn die Indikation nicht sicher gestellt werden kann oder die Behandlung weitreichende Konsequenzen hätte (Hyposensibilisierung, Umbau eines Hauses). Mögliche Kandidaten sind auch Patienten mit allergieverdächtiger chronischer Rhinopathie, aber negativen Tests. Bei ihnen kann mit der Provokation eine lokale allergische Rhinitis ausgeschlossen werden.

Der Basophilen-Aktivierungstest eignet sich vor allem in der Diagnostik unklarer Anaphylaxien und Reaktionen auf Medikamente. Für Letztere stehen oft keine In-vitro- und Hauttests zur Verfügung. Basophile sind wichtige Effektorzellen bei Typ-1-Allergien. Ihre Degranulation kann mittels Durchflusszytometrie gemessen werden.

Auch Schimmelpilzsporen zählen zu den potenten Asthma-Auslösern, allerdings im Rahmen einer sekundären Allergie. Hierzulande relevant sind Alternaria- und Aspergillus-Arten. Eine wichtige Rolle spielt das Ausmaß der Exposition. Denn nicht immer ist ein positiver Schimmelsporen-Befund auch für die klinische Symptomatik verantwortlich. Als Faustregel gilt: Wenn man den Schimmel riecht, ist er relevant.

Zieglmayer P. Akt Dermatol 2021; 47: 216–230

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune