Auffälliges Lungenkrebsscreening? Was nun?
Jetzt, da das Lungenkrebsscreening für Risikogruppen vor der Tür steht, stellt sich die Frage: Wer darf eigentlich ran an die abzuklärenden Rundherde? Der Pneumologe per Bronchoskop oder der Chirurg mit Videoassistent?
Per definitionem handelt es sich beim Lungenrundherd um eine scharf begrenzte Verdichtung unter 3cm, die vollständig von Parenchym umgeben ist. Wie es nach dessen Entdeckung im CT weitergeht, diskutierten Prof. Dr. Felix Herth, Chef der Pneumologie am Universitätsklinikum Heidelberg, und Prof. Dr. Clemens Aigner, Chef der Thoraxchirurgie an der Ruhrlandklinik der Universität Essen. „Man könnte natürlich sagen, operieren wir doch alle direkt“, meinte Herth. Aber nicht jeder Rundherd muss reseziert werden und jede Operation birgt Risiken, besonders bei komorbiden Patienten. Hilfreich sind Risikofaktoren, anhand derer sich die Wahrscheinlichkeit für ein malignes Geschehen vorab einschätzen lässt (s. Kasten). Zudem können Machine-Learning-Algorithmen vor der invasiven Diagnostik anhand des CT-Befunds beurteilen, ob es sich um benigne, präinvasive oder invasive Knoten handelt, berichtete Aigner.
60 Prozent der Rundherde sind in der Peripherie
Ein Pneumologe biopsiert transbronchial. Doch nach wie vor gilt: je kleiner der Rundherd, desto schlechter die Trefferquote. Per Kryobiopsie lassen sich größere Proben gewinnen, was die Resultate verbessert. Herths Arbeitsgruppe veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Studie mit über 500 Patienten, bei denen sie mit der Kryobiopsie eine diagnostische Trefferquote von 93 Prozent erzielt hatte. Das Lungenkrebsscreening wird die Situation insofern verändern, als dass das Low-Dose-CT kleinere Herde findet als die früheren Zufallsbefunde im Röntgen. In den Screeningstudien maßen sie im Schnitt nur 1,3cm. „Wir müssen uns also kleineren Rundherden widmen“, so Herth. Hinzu kommt, dass nur wenige Herde im zentralen Bronchialsystem liegen, aber rund 60 Prozent in der Lungenperipherie, wo das Bronchoskop schwer hinreicht. Navigationssysteme mit aus der CT errechneter virtueller Steuerung und endobronchialer Ultraschall (EBUS) haben die Zielgenauigkeit erhöht. Das funktioniert recht gut auch bei den kleinen Herden – die diagnostische Trefferquote liegt bei über 80 Prozent, wie eine weitere Studie der Kollegen ergab.
Nach so vielen Erfolgsmeldungen gab Herth zu, dass auch er die Endoskopie nicht für allein selig machend hält: „Wenn ich einen Rundherd hätte, der wächst – Sie glauben doch nicht, dass ich mich bronchoskopieren ließe. Ich würde Aigner anrufen und sagen: Ich habe da so einen Herd, machen Sie den raus.“ Doch was tun mit Patienten, die einen hochgradig krebsverdächtigen Befund haben, aber so schwer krank sind, dass sie weder Kandidaten für eine OP noch für eine Radiatio sind? Mittlerweile gibt es eine Reihe von Therapien, die sich endoskopisch applizieren lassen: von Radiofrequenz- und Kryoablation bis hin zu Mikrowellen.
Auch auf chirurgischer Seite gibt es neue, gute Techniken für die minimal-invasive Abklärung des Rundherds, erklärte Aigner. Videoassistierte Thorakoskopien (VATS), ob uni-, bi- oder triportal, sind Standard.
Roboterassistenz „ist ein nettes Feature, aber bei der Rundherddiagnostik nicht unbedingt von Vorteil, weil die Möglichkeit des haptischen Feedbacks durch Palpation nicht gegeben ist“, so der Chirurg. Das gilt besonders, wenn der Herd nicht direkt subpleural erkennbar ist, sondern erst ertastet werden muss. VATS sind auch keine großen Eingriffe – sie können ohne Intubationsnarkose durchgeführt und die Patienten nach der Operation rasch mobilisiert werden. Einige Kliniken verzichten sogar auf die Anlage einer Thoraxdrainage. „Das machen wir noch nicht, aber wir ziehen die Drainage nach unkomplizierter Keilresektion am selben Tag“, sagte Aigner.
Ein Vorteil der VATS ist, dass Biopsie und definitive Resektion in einer Sitzung möglich sind. Die Komplikationsraten der chirurgischen Biopsien sind aber nicht zu unterschätzen und liegen deutlich höher als bei den endoskopischen Techniken, gab Herth zu bedenken. So muss man davon ausgehen, dass etwa 20 Prozent der operierten Patienten einen Pneumothorax entwickeln.
Risikofaktoren zur Malignitätseinschätzung
- Herdgröße und -charakteristika (z.B. spikuliert)
- hohes Patientenalter
- Krebsvorgeschichte
- Raucherstatus
- COPD
- Asbest-Exposition
Patienten sollten in Zentren geführt werden
In der Interdisziplinarität liegt der Schlüssel, da sind sich beide Experten einig. Bevor man biopsiert, sollte man die Patienten im Team besprechen, um anhand des individuellen Malignomrisikos und des Gesundheitszustands das diagnostische Vorgehen zu planen, betonte Herth. Die Vielfalt technischer Optionen erfordert, dass die Patienten in Zentren geführt werden, am besten in solchen mit Zertifizierung der Deutschen Krebsgesellschaft. Sie können die gesamte Bandbreite liefern, sodass die Diagnostik nicht dem Zufall überlassen bleibt, welche Technik lokal gerade zur Verfügung steht.
Analysen aus anderen Ländern zeigen, dass die konsequente diagnostische und therapeutische Versorgung in Zentren erheblich dazu beigetragen hat, die Mortalität von Lungenkrebspatienten zu senken, betonte Aigner. Aus Deutschland gibt es dazu noch keine validen Daten.
127. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), 17.–20.4.21