Bei Trisomie 21 sind etliche Organbeteiligungen möglich
Die meisten Patienten mit Trisomie 21 leben inzwischen bis ins Seniorenalter – vorausgesetzt, Herz, Blut, Lunge und Gewicht der Betroffenen werden regelmäßig kontrolliert. (Medical Tribune 36-37/20)
Fast die Hälfte der Kinder mit Trisomie 21 leiden an einem kongenitalen Herzfehler. Am häufigsten sind (atrio)ventrikuläre Septumdefekte, aber auch mit Fallot-Tetralogie und offenem Ductus arteriosus muss man rechnen. Die kardialen Vitien sollten möglichst frühzeitig korrigiert werden, fordert Dr. Marilyn J. Bull vom Riley Hospital for Children at Indiana University Health in Indianapolis. Die verbesserten Therapiemöglichkeiten haben die Lebenserwartung von ca. 30 Jahre auf rund 60 Jahre erhöht (1973–2002). Etwa 1–5 % der Patienten (mit und ohne Herzfehler) entwickeln eine pulmonalarterielle Hypertonie. Diese wird oft erst im Verlauf der Kindheit oder später symptomatisch. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen können irreversible vaskuläre Veränderungen verhindern.
Bessere Sprachentwicklung mit Hörgerät
Zu den häufigsten Todesursachen im Kindes- und Erwachsenenalter gehören respiratorische Erkrankungen. Sie werden begünstigt durch verengte Atemwege, Mikrognathie bei relativer Makroglossie und Trachealstenosen. Außerdem bestehen oft Hörbehinderungen, vor allem der Schallleitung (Inzidenz 84 %). Die rechtzeitige Entdeckung und Behandlung trägt dazu bei, die Sprachentwicklung nicht zu verzögern. Besonderes Augenmerk verdient das Gewicht. Schließlich sind 25 % der Kinder und 50 % der Erwachsenen mit Down-Syndrom adipös. Entsprechend häufig kommt es zu Komplikationen wie obstruktiver Schlafapnoe, Diabetes und kardiopulmonalen Erkrankungen.
Zur Diagnostik eignen sich Down-Syndrom-spezifische Gewichtskurven und ab zehn Jahren der BMI. Frühes Eingreifen hilft dabei, dass die Patienten gesunde Ess- und Aktivitätsmuster entwickeln. Auch mit vermehrten hämatologischen Veränderungen muss man bei der Trisomie 21 rechnen. Etwa 10 % der Neugeborenen zeigen eine transiente abnormale Myelopoese, die in etwa 20–30 % der Fälle in eine Leukämie mündet. Ohne vorangehende Blutbildungsstörung im Knochenmark erkranken 2–3 % der Patienten an einer Leukämie. Am häufigsten handelt es sich um die akute myeloische Form, die auf die übliche Therapie anspricht. Vor soliden Tumoren scheint die Chromosomenstörung einen gewissen Schutz zu bieten. Nur der Hodenkrebs tritt öfter auf als in der Normalbevölkerung.
Eisenmangelanämien finden sich nicht häufiger als bei Gesunden, sie lassen sich aber leicht übersehen, weil sie durch eine Makrozytose und ein erhöhtes MCV maskiert werden. Um einen negativen Einfluss auf die kognitive und motorische Entwicklung zu verhindern, empfiehlt Dr. Bull, Ferritin und CRP oder die Transferrinsättigung regelmäßig zu kontrollieren. Nicht unterschätzen darf man Autoimmunprozesse, zum Beispiel an der Schilddrüse. Um eine Hypothyreose frühzeitig zu erkennen, rät die Autorin dazu, bei Neugeborenen, in der frühen Kindheit und danach einmal im Jahr die Thyroxin- und Thyreotropin-Spiegel zu messen. Gleiches gilt bei verdächtigen Symptomen (trockene Haut, Obstipation, Gewichtszunahme). Etwa die Hälfte der Patienten leidet im Alter von 45 Jahren an thyreoidalen Anomalien, einschließlich persistierender Unterfunktion und Morbus Hashimoto.
Blickdiagnose mit FISH bestätigen
Typische morphologische Merkmale der Trisomie 21 sind leicht schrägstehende Lidachsen, flache Nasenwurzel, Nackenfalten, Vierfingerfurche und Klinodaktylie des kleinen Fingers. Zudem besteht oft eine muskuläre Hypotonie. Die Verdachtsdiagnose lässt sich durch Gendiagnostik, d.h. Fluoreszenz-Hybridisierung (FISH), innerhalb eines Tages bestätigen. Dieser Test kann allerdings nicht zwischen Translokation und Nondisjunktion differenzieren. Deshalb braucht man für die genetische Beratung der Eltern eine Karyotypisierung.
Auch andere Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes, Alopezie, Zöliakie und juvenile idiopathische Arthritis treten vermehrt auf. Von den skelettalen Komplikationen ist die atlantoaxiale Instabilität am gefährlichsten. Die drohende Halsmarkkompression macht sich typischerweise mit Gangstörungen, beeinträchtigter Blasen- und Darmentleerung und einer Reduktion der allgemeinen Aktivität bemerkbar. Aufgrund der hypermobilen Gelenke muss man mit vermehrten Luxationen (Hüftkopf, Patella) rechnen. Degenerative HWS-Veränderungen treten typischerweise früher auf als bei Menschen ohne Trisomie 21. Unter den neurologischen Erkrankungen spielt die Demenz eine wichtige Rolle. Im Alter von 65 Jahren leiden bis zu 80 % der Patienten daran. Die meisten weisen bereits mit 40 Jahren Alzheimer-typische histologische Veränderungen auf, entwickeln aber erst Jahrzehnte später kognitive Symptome. Antidementiva wie Donepezil und Memantin haben sich in diesem Kollektiv nicht als wirksam erwiesen.
Varianten der Trisomie 21
- freie Trisomie: 96 % der Fälle, Risiko steigt mit dem Alter der Mutter
- Translokation: 3–4 % der Fälle, das dritte Chromosom 21 ist an ein anderes Chromosom geheftet (v.a. 14, 21 und 22). Ein Drittel der 14/21-Translokationen ist hereditär, dann zu 90 % durch die Mutter vererbt, Rezidivrisiko 10–15 % bei einem mütterlichen Carrier, 2–5 % bei einem väterlichen Carrier. Bei der 21/21-Translokation findet sich in einem von 14 Fällen ein elterlicher Carrier, 50 % werden durch den Vater übertragen.
- Mosaik: 1–2 % der Fälle, Anteil der betroffenen Zellen variabel, oft geringere intellektuelle Beeinträchtigung und weniger medizinische Probleme
- partielle Trisomie: weniger als 1 %, Duplizierung einzelner Chromosomenanteile
Die meisten sterben an Atemwegsinfekten
Viele Eltern von Kindern mit Down-Syndrom vertrauen auf komplementärmedizinische Angebote. Für hoch dosierte Vitamine, Zelltherapien, Antioxidanzien und Grüntee-Extrakte konnte jedoch kein Benefit nachgewiesen werden, möglicherweise kommt es sogar zu schädlichen Effekten. Bezüglich der Todesursachen gibt es große Differenzen: Die meisten Betroffenen sterben – unabhängig vom Alter – auch heute noch an Atemwegsinfekten, teilweise bedingt durch eine gewisse Immundefizienz. In der frühen Kindheit sind kongenitale Herzfehler die häufigste Todesursache. Die koronare Herzkrankheit findet sich dagegen seltener als in der Allgemeinbevölkerung.