Kurioses aus der (Drogen-)Bastelkiste
In der Corona-Zeit häufen sich die Kundenanfragen in der Apotheke nach allerlei wunderlichen Heilmitteln. Die Verunsicherung vieler Menschen ist groß und mithilfe einiger Klicks scheint die Lösung online schnell gefunden zu sein. So auch letztens bei mir in der Apotheke, als mir meine Kollegin sichtlich verzweifelt den Telefonhörer in die Hand drückte. Die Kundin am anderen Ende der Leitung wollte, dass ich ihr Chlordioxid besorge, damit sie jeden Tag 10ml davon vor dem Zähneputzen trinken kann. Denn das wäre die sicherste Möglichkeit, um sich vor Corona zu schützen. Es hat mich doch einige Minuten gekostet, ihr zu verdeutlichen, dass man Chlordioxid eigentlich ausschließlich zur Aufbereitung von Poolwasser verwendet und dass dieses keinesfalls zum unverdünnten Trinken gedacht sei und schon gar nicht vor einer Corona-Infektion schützt. Denn die Nebenwirkungen von Chlordioxideinnahme sind unter anderem Erbrechen, Durchfall, Darmschäden, Blutdruckkrisen und Nierenschäden.
Diese Situation hat mich wieder an das vor einigen Jahren so gefragte Petroleum erinnert, dessen Einnahme unter anderem auch Krebserkrankungen heilen soll. Ihren Ursprung hat diese Theorie wahrscheinlich darin, dass Ölarbeiter kein erheblich größeres Krebsrisiko aufgewiesen haben als andere Berufsgruppen mit weniger Kontakt zu potentiell kanzerogenen Stoffen. Das ist jedoch eher auf ein verbessertes industrielles Prozedere zurückzuführen, als auf die heilende Wirkung von Paraffinölen. Trotzdem hält sich die These, dass die Einnahme von Petroleum Krebs heilen kann, hartnäckig.
Auch die Nachfrage nach tropicamid-hältigen Augentropfen ist in den letzten Jahren in Österreich gestiegen. Diese pupillenerweiternden Augentropfen werden in der Augenheilkunde als Diagnostikum verwendet. Bei unsachgemäßer, venöser Verabreichung wirkt das Tropicamid kurzfristig halluzinogen. Langfristig gesehen kommt es zu trockener, juckender Haut, Mundtrockenheit, Tachykardie und Suizidgedanken.
In den ärmsten Teilen Russlands wird das „Krokodil“ als billige Alternative zu Heroin gespritzt. Hierzu werden (in Russland rezeptfrei) codeinhältige Hustensäfte und –tabletten mit Phosphor (aus Streichholzköpfen), Benzin und Säure und anderen giftigen Zusaätzen zusammen aufgekocht. Das daraus entstandene Desomorphin wird anschließend gespritzt. Der Effekt soll ähnlich berauschend sein wie echtes Heroin. Die Überlebenserwartung der AnwenderInnen liegt bei wenigen Monaten. Durch die zahlreichen toxischen Substanzen kommt es unter anderem zu fleckigen Hautnekrosen, die an Krokodilhaut erinnern, daher auch der Name.
Ende der 90er war der sogenannte „Purple Drank“, eine Mischung aus Codein, Promethazin (ein Anticholinergikum, zB in Hustenmitteln) und Limonade vorallem in der Hip-Hop-Szene „in“. Der Name der euphorisierenden und dämpfenden Mischung stammt vom Farbstoff des verwendeten Hustensafts und der Limonade. Aufgrund des hohen Abhängigkeitspotentials sind promethazinhältige Arzneimittel nicht mehr am Markt erhältlich. In der Partydroge „Lean“ wird häufig auch das, im Gegensatz zu Codein, rezeptfreie Dextrometorphan verwendet.
Ich bin mir sicher, dass es, neben den erwähnten selbst gebastelten Rauschmitteln, noch eine unendliche Vielzahl an anderen Substanzen gibt, die allesamt nicht weniger gesundheitsgefährdend sind, denn da sind der Kreativität wohl kaum Grenzen gesetzt.
Aber ich für mich, bin um einiges hellhöriger an der Tara geworden, wenn es um diese Art von Arzneimitteln geht und meistens hat das apothekerliche Bauchgefühl doch einfach Recht.