Produktplatzierung in Krankenhausserien
Serien wie Grey’s Anatomy und Scrubs bringen nicht nur spannende Geschichten in unsere Wohnzimmer, sondern auch diskret platzierte Markenprodukte. Auch die Pharmabranche nutzt diese Bühne gezielt, um rezeptfreie Medikamente ins Rampenlicht zu rücken. Aber wo liegt die Grenze zwischen geschicktem Product Placement und unzulässiger Schleichwerbung?
Eine Szene aus der beliebten US-Krankenhausserie Grey’s Anatomy: An den Wänden hängen gut sichtbar Poster mit dem Logo von Nuvaring, einem Vaginalring, der ähnlich funktioniert wie die Anti-Baby-Pille. Dasselbe Logo taucht auch in der Serie Scrubs auf.
Es ist gut erforscht, was Menschen während des Werbeblocks im Fernsehen machen: Viele zappen zu einem anderen Kanal, andere gehen auf die Toilette. Wenn jedoch ein Produkt mit Markennamen und Logo gut sicht- und hörbar in einen Film oder eine Serie integriert ist, sind die Zuschauer aufmerksam zur Stelle.
Warum die Pharmabranche auf Product Placement setzt
Längst ist auch die Pharmabranche auf diesen Zug aufgesprungen. Den Filmfirmen soll es recht sein – sie können günstiger produzieren, wenn sie von Unternehmen Geld für das Product Placement (Produktplatzierung) bekommen. Besonders die beliebten US-Krankenhausserien eignen sich dafür hervorragend.
Dass eine Firma so offen damit umgeht wie der ehemalige Nuvaring-Hersteller Organon, ist jedoch die absolute Ausnahme. Dazu sagt Wolfgang Pappler, Leiter der Wiener Firma Product Placement International: „Wir haben eine Vertraulichkeitsverpflichtung. In vielen Fällen darf ich nicht einmal über die Tatsache eines Product Placements in Bezug auf einen bestimmten Kunden sprechen – geschweige denn über die Kosten.“ Welche Summen im Spiel sind, hängt laut Pappler auch davon ab, welcher Schauspieler oder welche Schauspielerin mit dem Produkt in Verbindung gezeigt wird. Wenn ein Päckchen Aspro aus den 1950er-Jahren auf dem Nachtkästchen eines Karl Merkatz zu liegen käme, wie im dritten Teil des heimischen Klassikers Der Bockerer, könnte es eher mehr sein.
Markennamen als Erfolgsgarant: Ein Glücksfall für Unternehmen
Markennamen, die quasi zu Gattungsbezeichnungen werden, sind ein Glücksfall für Unternehmen – und das Resultat jahrzehntelanger Markenpflege. Drehbuchautoren wissen, dass man in Österreich eher „Ich brauche ein Aspro“, in Deutschland und den USA eher „Ich brauche ein Aspirin“ sagen würde anstatt „Ich brauche ein Schmerzmittel“. Dies wird oft im Drehbuch berücksichtigt, wie etwa im Film Capote, der kürzlich auf Arte ausgestrahlt wurde.
In beliebten US-Spielfilmen und Serien tauchen vor allem rezeptfreie Schmerzmittel wie Alka Seltzer, Advil oder Pepto-Bismol auf. In Der Vater der Braut riecht eine Figur an der Erkältungssalbe Wick Vaporub. „Ein gutes Product Placement passt in die Handlung und wirkt nicht aufgesetzt“, sagt Experte Pappler. „Es sollte sich außerdem um eine bekannte Marke handeln, und die Zielgruppe muss richtig gewählt sein.“
Regeln in Europa: Was bei Produktplatzierungen erlaubt ist
EU-weit sind Produktplatzierung sowie Werbung für Medikamente nur erlaubt, sofern diese nicht verschreibungspflichtig sind. Da jedoch viele Spielfilme und Serien aus den USA zugekauft werden, tauchen dennoch immer wieder verschreibungspflichtige Medikamente auf. So fiel bei der auf Arte gezeigten dänischen Serie Die Wege des Herrn ein Antidepressivum namens Venlafaxin auf. Auch in der Sex and the City-Folge „Man, Mythos, Viagra“ wurde der Originaltitel für das deutschsprachige Publikum entschärft – die Folge heißt dort „Wunder gibt es immer wieder“.
Kennzeichnungspflicht: Wie TV-Sender Product Placement handhaben
Produktplatzierungen mit kommerziellem Hintergrund müssen immer gekennzeichnet werden. Dazu heißt es von der ORF-Pressestelle: „Bei der Ausstrahlung wird ein entsprechendes Corner-Logo eingeblendet, etwa neben dem ‚HD‘, und zwar sowohl am Beginn als auch am Ende der Sendung.“ Um welche Produkte oder Firmen es konkret geht, muss dem Publikum allerdings nicht mitgeteilt werden. Die Filmfirmen müssen diese Informationen jedoch an die TV-Sender weitergeben.
Der gute Ruf zählt: Risiken für die Pharmabranche
Man kann nicht immer davon ausgehen, dass Geld für die Platzierung eines Markenprodukts fließt. Beim Vicodin-süchtigen Dr. House etwa wohl nicht: Das Schmerzmittel Vicodin ist ein verschreibungspflichtiges Opioid. In den USA wurde die Marke mittlerweile eingestellt, doch durch die Serie stieg der Bekanntheitsgrad erheblich. Allerdings wird das Mittel inzwischen vor allem im Zusammenhang mit der amerikanischen Opioidkrise genannt.
Unrealistische Darstellungen: Das Problem mit Medikamenten in Filmen
Allgemein gilt: Der Spruch „Even bad publicity is publicity“ (Auch schlechte Werbung ist Werbung) hat in der Pharmabranche wenig Platz. Die Branche legt größten Wert auf Seriosität – auch, weil Medikamente nicht immer korrekt dargestellt werden. Eine Studie der Ludwig-Maximilian-Universität München aus dem Jahr 2020 untersuchte die Darstellung von Arzneimitteln in Filmen. Ein Negativbeispiel ist das Beruhigungsmittel Flunitrazepam im Film Hangover. Obwohl es als Nebenwirkung einen Hangover verursachen kann, führt es nicht zu einer euphorischen Nacht voller Redefluss und Denkstörungen, wie der Film suggeriert. Daher wurde der Markenname bewusst nicht genannt.
Requisiten oder bezahlte Werbung?
Oft geht es schlicht um die Ausstattung der Szenerie. Spielt die Handlung etwa in einer Apotheke, werden zwangsläufig Arzneimittel sichtbar sein. Um Produkte unkenntlich zu machen, wären erhebliche Nachbearbeitungen nötig. Deshalb greifen Filmfirmen auf Sachspenden zurück, die als „kostenlose Bereitstellung von Produktionshilfen“ bezeichnet werden. Will eine Filmfirma jedoch gezielt Product Placement nutzen, wird sie beim Hersteller anfragen.
Die Pressestelle der dänischen Serie Die Wege des Herrn betont, dass das gezeigte Antidepressivum dramaturgisch bedingt sei und keine werblichen Absichten verfolge. Man halte sich selbstverständlich an die entsprechenden Arzneimittelgesetze.
Schleichwerbung: Wann Product Placement die Grenzen überschreitet
Wo hört Product Placement auf und wo beginnt Schleichwerbung? Wird bewusst verschleiert, dass es sich um Werbung handelt, oder werden Produkte manipulativ und irreführend in Szene gesetzt, spricht man von Schleichwerbung. Die Entscheidung darüber trifft die Rundfunk- und Telekom-Regulierungsbehörde (RTR). Ein spektakulärer Fall ereignete sich 2005, als sieben Pharmafirmen eine Rüge für unzulässiges Product Placement in der ARD-Serie In aller Freundschaft erhielten – sie durften sogar Drehbücher beeinflussen.