4. Okt. 2023Corona-Update

Booster-Impfungen im Aufwind; Harntest auf Sterberisiko entwickelt

+++ Bis zu 2.350 Auffrischungsimpfungen pro Tag in der Vorwoche – Harntest auf Sterberisiko bei Covid-19 und anderen Erkrankungen – Experten begeistert von Zuerkennung des Medizin-Nobelpreises an mRNA-Forscher – Abwassermonitoring zeigt sinkende CoV-Kurve – WHO besorgt über Anstieg der Corona-Fälle +++

Nuthawut Somsuk/GettyImages

Bis zu 2.350 Auffrischungsimpfungen pro Tag in der Vorwoche

In den vergangenen zwei Wochen hat es bei den Corona-Auffrischungsimpfungen einen deutlichen Anstieg gegeben. Während in den Medien über den schleppenden Impfstart bei praktischen Ärztinnen und Ärzten mit den XBB.1.5-adaptierten Vakzinen berichtet wurde, ließen in der Vorwoche (KW 39) bis zu 2.347 Menschen pro Tag ihren Schutz gegen schwere Covid-19-Verläufe erneuern. Im Juli und August waren die täglichen Corona-Impfzahlen deutlich unter 100 gelegen.

In den vergangenen sieben Tagen wurden insgesamt 10.453 Impfungen verabreicht, die meisten davon Auffrischungen. Das sind im Schnitt 1.493 pro Tag, ging am Dienstag (3.10.) aus dem offiziellen Impf-Dashboard hervor. Seit dem Montag vor drei Wochen (11.9.) können Ärzte den an die XBB.1.5-Variante angepassten Corona-Impfstoff zur Lieferung an ihre Ordinationen bestellen. In jener Woche hatte es maximal 66 Corona-Impfungen pro Tag gegeben.

Die Woche darauf stiegen die Zahlen bereits an, am Montag (18.9.) gab es mit 160 Auffrischungen erstmals seit längerer Zeit dreistellige Eintragungen im E-Impfpass, am Freitag (22.9.) waren es 928. Diese Tageswerte wurden in der Vorwoche teils mehr als verdoppelt, mit jeweils mehr als 2.200 „Booster“-Impfungen am Mittwoch, Donnerstag und Freitag. Am Montag (2.10.) waren es 1.899 Auffrischungen.

Bis Montag wurden damit in Österreich seit dem Impfstart im Dezember 2020 insgesamt 20.104.431 Impfdosen gegen Covid-19 verabreicht. 1.735.672 Menschen haben laut dem Dashboard des Dachverbands der Sozialversicherungsträger (https://impfdaten.at/) zumindest eine Auffrischungsimpfung erhalten. Dort werden als Auffrischungen noch Impfungen ab dem 4. Stich gezählt. Das Nationale Impfgremium (NIG) hatte allerdings kürzlich statt der zuletzt dreiteiligen Grundimmunisierung ab diesem Herbst nur noch einen Stich empfohlen, da fast die gesamte Bevölkerung mittlerweile durch eine durchgemachte SARS-CoV-2-Infektion zusätzliche Immunität aufgebaut hat.

In diesem Herbst erhält Österreich insgesamt rund 1,9 Millionen Dosen des adaptierten XBB.1.5-Impfstoffs von BioNTech/Pfizer. Zusätzlich wird auch ein an diese Omikron-Variante angepasster Impfstoff der Firma Novavax nach Österreich geliefert, sobald dieser seine Marktzulassung in der EU erhalten hat. Empfohlen ist der „Booster“ vor allem ab 60 Jahren und für Risikogruppen wie Schwangere und chronisch Kranke sowie für Gesundheitspersonal. Grundsätzlich ist der Impfstoff ab dem 6. Lebensmonat zugelassen. (APA)

Harntest auf Sterberisiko bei Covid-19 und anderen Erkrankungen

Ein Harntest mit 50 Protein-Fragmenten als Marker kann offenbar das Sterberisiko von Betroffenen einer ganzen Reihe von Erkrankungen vorhersagen. Das hat eine neue Studie europäischer Wissenschafterinnen und Wissenschafter unter Beteiligung der Med-Uni Innsbruck ergeben. Ursprünglich wurde der Test bei Covid-19-Patienten erprobt.

Die SARS-CoV-2-Pandemie hat ohne Zweifel die medizinische Forschung auf vielen Gebieten vorangetrieben. Ein Thema war die Entwicklung neuer Impfstoffe, ein anderes waren antivirale Medikamente, ein drittes neue Labormethoden. Das in Hannover in Deutschland angesiedelte Biotech-Unternehmen Mosaiques Diagnostics hat sich auf die Analyse von Mustern an Peptiden in verschiedenen Körperflüssigkeiten mittels Verfahren wie Elektrophorese und Massen-Spektrometrie im Zusammenhang mit verschiedenen Erkrankungen spezialisiert.

Dabei wurde bspw. das COV50-Testsystem entwickelt. Es handelt sich um die Analyse der Muster von 50 im Harn vorkommenden Peptiden. Veränderungen sollen Hinweise auf den Verlauf von Erkrankungen und sogar auf ein Mortalitätsrisiko geben. Eine vom deutschen Gesundheitsministerium finanzierte Studie mit Covid-19-Patienten zeigte im Jahr 2022 in „Lancet Digital Health“ Erstaunliches: Ein entsprechendes Peptid-Muster von 1.012 Erkrankten (positiver SARS-CoV-2-Test zu Beginn) sagte mit einer Genauigkeit von fast 75% eine tödlich verlaufende Covid-19-Erkrankung voraus. Die Genauigkeit für die Prognose eines schweren Krankheitsverlaufes lag bei 67%.

Jetzt hat ein Wissenschafterteam aus Österreich (Med-Uni Innsbruck), Deutschland, Frankreich, Belgien und Griechenland mit COV50 versucht, die Aussagekraft des Tests auch bei anderen Erkrankungen zu bestimmen. „Vorangegangene Forschungen haben ergeben, dass die Charakterisierung von Peptiden im Harn mit COV50 das Fortschreiten einer SARS-CoV-2-Erkrankung und Todesfälle vorhersagen kann. Das deutet darauf hin, dass dies zumindest teilweise mit einer Vulnerabilität zu tun hat, die bereits vor einer Erkrankung vorhanden war“, schrieben die Expertinnen und Experten, unter ihnen Felix Keller vom Labor der Univ.-Klinik für Innere Medizin IV in Innsbruck.

Im Rahmen der Studie, die kürzlich im „Journal of Translational Medicine“ (doi: 10.1186/s12967-023-04508-6) erschienen ist, analysierte man mit dem COV50-Klassifikationssystem das Peptid-Muster aus Harnproben von 1.719 Patientinnen und Patienten von Intensivstationen und von 7.474 Patienten mit weniger schweren Erkrankungsverläufen. Es handelte sich durchwegs um nicht an Covid-19 Erkrankte. Das Ergebnis: Mit jeder Steigerung des COV50-Werts um eine Einheit, war das Sterberisiko von Patienten auf Intensivstationen um 20% erhöht. Bei Erkrankten ohne Bedarf einer intensivmedizinischen Versorgung stieg das entsprechende Mortalitätsrisiko sogar um 61%.

„Die größten und signifikantesten Veränderungen im Zusammenhang mit zukünftiger Sterblichkeit waren eine Reduktion bestimmter Kollagen-Fragmente“, heißt es in der Zusammenfassung der wissenschaftlichen Arbeit. Offenbar geht das auf Veränderungen in der extrazellulären Matrix zurück. Jetzt stellt sich die Frage, ob man auf irgendeinem Weg im Krankheitsfall eingreifen könnte, um von COV50 erfasste Zustände zu verhindern, die zu einer größeren Anfälligkeit für schwere Verläufe führen oder gar den Tod im Krankheitsfall begünstigen. Auf der anderen Seite könnte der Test auch ein Frühwarnsystem für eine von Beginn an intensivere Therapie bei Gefährdeten sein. (APA)

Experten begeistert von Zuerkennung des Medizin-Nobelpreises an mRNA-Forscher

Der österreichische Virologe Florian Krammer sieht in der Zuerkennung des heurigen Medizin-Nobelpreises an die beiden mRNA-Forscher Katalin Karikó und Drew Weissman eine „starke Signalwirkung“. Und auch der Pharmakologe Markus Zeitlinger zeigt sich hocherfreut über die Entscheidung des Nobelpreiskomitees für diese beiden Wissenschafter, die einen maßgeblichen Beitrag zu „einem der größten Erfolge in den letzten Jahren in der Medizin, wenn nicht den größten“ geleistet haben.

Obwohl sich Krammer, Wissenschafter von der Icahn School of Medicine am Mount Sinai Spital in New York, über den ersten Nobelpreis seit sehr langer Zeit für einen viralen Impfstoff freute, strich er gegenüber der APA die darüber hinaus gehenden Anwendungsmöglichkeiten hervor. So sei man vor allem auch im Bereich gezielter Krebstherapien mittlerweile sehr weit.

Krammer arbeitete mit Drew Weissman bereits in Forschungsprojekten etwa zu Influenza-Impfstoffen zusammen und wurde von Karikó im vergangenen Jahr dazu eingeladen, einen Vortrag bei einer Preisverleihung zu halten. „Sie sind beide wahnsinnig gute Wissenschafter“, so Krammer. „Gratulation, der Preis ist sehr verdient. Da hätte man schwer bessere Kandidaten finden können.“

Als Frau aus Osteuropa, „die es nie leicht gehabt hat“ und bei höher dotierten Fördervergaben nahezu nie berücksichtigt wurde, erhält Karikó nun den Nobelpreis. „Sie ist persistent geblieben und hat weitergearbeitet“, erklärte Krammer. „Das finde ich faszinierend. Katalin ist da ein Vorbild und eine Inspiration für junge Wissenschafter.“ Viele ihrer „wahnsinnig gut gemachten“ Publikationen seien nicht in den renommiertesten Fachmagazinen erschienen.

Die „sehr wichtigen“ Technologie-Grundlagen durch die Modifikation der RNA hätten letztlich dazu geführt, dass die mRNA-Covid-19-Vakzine so entwickelt werden konnten. „Das ist aber nicht das Ende der Geschichte.“ Vor allem im Bereich der Krebstherapien „tut sich wahnsinnig viel“, sagte Krammer, und es werde noch viel kommen.

Laut Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der MedUni Wien, ist es ein „wunderschönes Zeichen“ für jeden Menschen, jeden Wissenschafter, jeden Arzt, der in der Pandemie geholfen hat. Die Impfungen seien aber auch „in den Schmutz gezogen worden“, etwa für „politische Kleingeldwäscherei“, so Zeitlinger. „Daher finde ich das auch ein wunderschönes Signal, dass das jetzt an diese Menschen gegangen ist“, freute sich der Pharmakologie für Karikó und Weissman. Zudem sei es schön, dass es diesmal ein Nobelpreis ist für etwas, das „uns so unmittelbar betroffen hat, was ein bisschen außergewöhnlich ist für einen Medizin-Nobelpreis“.

Auch er betont, Karikó habe „lang kämpfen müssen, bis sie den Durchbruch gehabt hat“, sei aber ihrer Sache treu geblieben. So kam es zur Möglichkeit, „ein hocheffektives Vakzin zu produzieren, das von der Effektivität alle andere in den Schatten gestellt hat“, sagte Zeitlinger zu den Covid-Impfstoffen. Das biete auch Chancen für andere Infektionskrankheiten. Die ursprüngliche Forschungsschiene für diese Technologie ist aber die Krebsforschung. Daneben seien Behandlungen gegen Zystische Fibrose, Schlaganfälle und Herz-Kreislauferkrankungen in der Entwicklung, die Onkologie aber „am weitesten“. (APA)

Abwassermonitoring zeigt sinkende CoV-Kurve

Es ist Herbst, aber die erwartete CoV-Welle gibt es noch nicht. Im Gegenteil: Das bundesweite Abwassermonitoring zeigt für Wien sogar eine sinkende Kurve.
Das bedeutet, dass die im Abwasser nachgewiesenen Sars-Cov-2-Virenpartikel wieder weniger werden – genauer gesagt seit Mitte September. Laut Fachleuten könnte das einfach mit dem schönen Wetter zusammenhängen. Während sich die Virenlast im Abwasser ab Mai eine Weile auf einem sehr niedrigen Niveau bewegte, stieg sie seit Mitte Juli wieder an.
Das höchste Niveau in Wien verzeichnete das nationale Abwassermonitoring Mitte September. Das sei eine Reiserückkehrer-Welle gewesen, so der Molekularbiologe Ulrich Elling gegenüber Radio Wien. Dass die Kurve in Wien wieder gesunken ist, sei dem Wetter geschuldet. „Jetzt ist entgegen dem Kalender nicht Herbst, sondern immer noch Hochsommer, da darf man sich nicht täuschen lassen.“
Steigende Zahlen nachgewiesener CoV-Virus-Partikel erwartet Elling, sobald sich das Leben wieder vermehrt in Innenräumen abspielt. „Die höheren Zahlen werden dann erwartet, wenn die Menschen ihr Verhalten ändern, wenn das Wetter sich ändert.“ Die allermeisten Coronavirus-Partikel im Abwasser sind derzeit XBB-Varianten. (wien.ORF.at)

WHO besorgt über Anstieg der Corona-Fälle

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist vor dem kommenden Winter besorgt über den Anstieg der Coronafälle in mehreren Ländern. Leider meldeten nicht mehr alle Länder Fälle, aber unter denen, die die WHO informieren, seien Einweisungen in Krankenhäuser und Behandlungen wegen Covid-19 auf Intensivstationen gestiegen, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus letzten Donnerstag (28.9.) in Genf. Dabei nannte er den amerikanischen Kontinent und Europa.

Der Anteil der Geimpften in den Risikogruppen sei besorgniserregend tief. „Covid-19 ist vielleicht nicht mehr so eine akute Krise wie vor zwei Jahren, aber das bedeutet nicht, dass wir die Krankheit ignorieren können“, sagte Tedros. Die Varianten, die zirkulieren, lösten nach bisherigen Studien keine schwerere Krankheit aus als die vorher bekannten Varianten, sagte Covid-19-Spezialistin Maria Van Kerkhove. Sie appellierte an Regierungen, weiter zu testen, damit die Ausbreitung von Varianten überwacht werden kann. Sie betonte, dass die bekannten Schutzmaßnahmen vor einer Ansteckung nach wie vor effektiv seien und angewendet werden sollten: darunter Räume lüften, Hände desinfizieren, in vollen Räumen Maske tragen und sich impfen lassen. (APA/dpa)