18. Juli 2023Linzer Reisemedizinische Tagung

Reisemitbringsel dermatologischer Art

Bei jedem/jeder zweiten Fernreisenden treten unterwegs oder nach der Heimkehr geringfügige bis schwere Gesundheitsprobleme auf. Die Liste solcher reiseassoziierter Symptome wird weltweit von Diarrhöen, gefolgt von Fieber, angeführt. Bereits an dritter Stelle stehen Hautprobleme unterschiedlicher Ausprägung, die bei jedem/jeder vierten bis fünften Reiserückkehrer:in zu einem Arztbesuch führen.1

Foto: Dr_Microbe/iStock/Thinkstock
Dr_Microbe/iStock

Tropische Einflussfaktoren auf das Hautorgan

Bei Tropenreisenden sind starke UV-Bestrahlung, hohe Temperaturen mit hoher Luftfeuchtigkeit und Verletzungen der Hautbarriere (Minitraumen, Insektenstiche, Exkoriationen bei Pruritus oder vorbestehenden Dermatosen) bei eventuell schlechten Hygieneverhältnissen die wesentlichen Auslöser von Hauterkrankungen. Infektionen durch Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten werden durch Vektoren wie Stechmücken, Zecken, Milben, Läuse, Flöhe, aber auch durch Kontakt mit kontaminierten Oberflächen (Schmierinfektionen), verunreinigtes Wasser oder direkt von Mensch zu Mensch (im Sinne von sexuell übertragbaren Infektionen – STI) übertragen. Die Differenzialdiagnose der aus tropischen und subtropischen Regionen mitgebrachten Hauterkrankungen umfasst daher viele Erkrankungen, die auch in unseren gemäßigten Zonen ohne eine entsprechende Reiseanamnese auftreten. Hinzu kommt, dass sich mit der globalen Erwärmung vor allem Vektoren wie Tigermücken, Sandfliegen, Riesenzecken (Hyalomma spp.) u.a. immer weiter in nördliche Regionen ausbreiten und dort zu autochthonen Infektionen führen können.2,3

Bakterielle Infektionen

Bei den bakteriellen Infektionen Tropenreisender stehen die Pyodermien, d.h. Hautinfektionen durch Staphylokokken und Streptokokken, im Vordergrund. Da staphylogene Follikulitiden, Impetigo contagiosa, Furunkel und Abszesse sowie Erysipele ubiquitär sehr häufig sind, werden sie in den meisten Statistiken zu Reisedermatosen nur unvollständig aufgeführt, ihr reiseassoziierter Ursprung wird meist nicht erfragt bzw. dokumentiert. In epidemiologischen Studien sind sie daher oft unterrepräsentiert.4,5 Zur Therapie reichen oft topische Desinfizienzien oder (kurzzeitig!) topische Antibiotika. Nur bei ausgedehnten, schweren Infektionen oder bestehender Immunschwäche sind systemische Antibiotika (z.B. Penicilline, Cephalosporine der Gruppe I–II) erforderlich.6 Sehr therapierefraktär und rezidivierend auftretende Furunkel und Abszesse sind bei Reiserückkehrern zunehmend mit dem porenformierenden Panton-Valentine-Leukozidin (PVL) von Staphylococcus aureus assoziiert.7 Der Labornachweis dieses staphylogenen Pathogenitätsfaktors muss bei entsprechendem klinischem Verdacht vom mikrobiologischen Labor gesondert angefordert werden (PCR auf LukF-PV und LukS-PV). Als Exotoxin führt PVL zur Zerstörung von wichtigen Zellen des kutanen Immunsystems. Granulozyten und Makrophagen gehen durch Apoptose oder Zytolyse zugrunde.

Bei aus den Tropen mitgebrachten ulzerierenden Hautbefunden („tropical ulcers“) handelt es sich meist um streptogene Ekthymata. Aber auch Fusobakterien (F. ulcerans) können Hautulzera verursachen. Für das Buruli-Ulkus, ausgelöst durch Mycobacterium ulcerans, bedarf es einer Reihe zusätzlicher regionaler Faktoren (meist erkranken Kinder unter fünf Jahren mit Mangelernährung). Es kommt bei Touristinnen und Touristen nicht vor.

Sexuell übertragbare Infektionen

Leiden Reiserückkehrende unter Ulzerationen in der Genitoanalregion, muss mittels Sexualanamnese (Urlaubsbekanntschaften? Kontakte zu Sexworkerinnen und Sexworkern?), sorgfältiger klinischer Untersuchung (Ulkuskriterien, Ganzkörperinspektion inklusive der einsehbaren Schleimhäute, Lymphknotenstatus, Temperatur) und spezifischer Erregernachweise eine ganze Reihe von sexuell übertragbaren Infektionen (STI) ausgeschlossen werden. Neben der Syphilis kommen das Chancroid (Ulcus molle) durch Haemophilus ducreyi, das Lymphogranuloma venereum durch Chlamydia trachomatis L2, die Donovanosis durch Klebsiellagranulomatis, eine akute HIV-Infektion und seit 2022 auch eine Mpox-Virusinfektion als STI-Erkrankungen mit Ulzerationen infrage.8 Direktnachweise der Erreger in Ulkusabstrichen und serologische Nachweise spezifischer Antikörper bestätigen die klinischen Verdachtsdiagnosen.

Tierbisse

Nicht selten erleiden Touristen Kratz- oder Bisswunden durch streunende Hunde, Katzen oder Affen. Durch Infektion mit vor allem Pasteurella species kommt es hierbei zu phlegmonösen Infektionen. Zur Therapie sind Penicilline mit Betalaktamaseinhibitoren, eventuell auch Metronidazol, geeignet. Impfprophylaxen gegen Tetanus und Tollwut müssen überprüft und im Bedarfsfall möglichst rasch verabreicht werden. Ein prophylaktisch bereits erfolgter Impfschutz (Reiseimpfungen!) kann hier lebensrettend sein.

Erkrankungen durch Protozoen

Infektionen mit Leishmanien (humanpathogene Protozoen) sind sehr häufig. Weltweit leben mehr als eine Milliarde Menschen in Risikogebieten. Hunde, Füchse und viele Nagetiere bilden ein großes Erregerreservoir, aus dem Stechmücken die Leishmanien auf den Menschen übertragen. Die WHO rechnet pro Jahr mit mehr als einer Million kutaner Infektionen. Typischerweise entstehen an den Stichstellen der Vektoren (Sandmücken, Phlebotomen oder Lutzomyia species in der Neuen Welt) papulöse bis knotige Effloreszenzen („Aleppobeulen“), die im Verlauf kraterförmig ulzerieren können, unbehandelt bis zu einem Jahr persistieren und schließlich narbig abheilen. Je nach Erreger und Immunstatus des bzw. der Betroffenen werden rein kutane, mukokutane und viszerale Leishmaniasis-Erkrankungen der Alten und der Neuen Welt unterschieden.9 Viszerale Leishmaniosen zeigen nur selten eine Hautbeteiligung. Diagnostisch sind Hautbiopsien (Nachweis intrazellulärer amastigoter Erreger mittels Giemsa-Färbung) oder Abstriche aus der Haut (Slit-smear-Diagnostik, PCR). Zur Therapie werden je nach Erreger und klinischem Befund topische Anwendungen (Kryotherapie, Überwärmungen, Exzisionen, Antimoninjektionen, Paromomycin-Salbe) oder systemische Behandlungen mit pentavalenten Antimonverbindungen, Antimykotika und zunehmend häufiger das orale Alkylphospholipid Miltefosin eingesetzt. Mukokutane und viszerale Infektionen (z.B. durch L. infantum, L. donovani, L. brasiliensis u.a.) werden grundsätzlich systemisch behandelt.

Wurminfestationen und Fliegenlarven

Barfußlaufen an Stränden mit streunenden Hunden oder Katzen birgt das Risiko kutaner Hakenwurminfestationen. Ausgebracht durch den Kot dieser Tiere, können Nematodenlarven (z.B. von Ancylostoma caninum, A. braziliense, Stronggyloides u.a.) zwei bis drei Wochen im Sand überdauern und bei Kontakt aktiv in die Haut des Menschen penetrieren. Ihre Wanderung in der Haut führt zum charakteristischen Bild entzündlicher Gänge (Larva migrans, Creeping Disease, Hautmaulwurf). Zur Behandlung sind topische oder systemische Anthelmintika wie Albendazol, aber auch Ivermectin geeignet.

Im Sand tropischer Strände kann auch der Sandfloh auf den Barfußläufer warten und aktiv in die Haut eindringen. Nach Ablage von einigen Tausend Eiern stirbt der Floh. Zur Therapie wird die entzündliche Papel mit den Resten der weiblichen Flöhe und den Eiern chirurgisch entfernt und sorgfältig desinfiziert.

Ein Befall der Haut durch die Larven verschiedener Schmeißfliegen (Dasselfliege in Südamerika, Tumbu- oder Mangofliege in Mittel- und Südafrika) wird Myiasis genannt. Die Folge sind schmerzhafte abszedierende Entzündungen mit einem zentralen Porus, in dem Bewegungen der Larven beobachtet und von den Patientinnen und Patienten gefühlt werden können. Die Therapie ist chirurgisch, da die Larven mit Widerhaken versehen sind.

Exantheme mit Fieber

Tritt Fieber in Kombination mit Exanthemen auf, können die dermatologischen Befunde zu einer raschen Diagnosefindung beitragen. Zecken- und Milbenbisse, aber auch Läuse- und Flohkot können über 25 verschieden Spezies humanpathogener Rickettsien übertragen (sog. Rickettsiosen). Betroffene leiden unter Fieber und in etwa 50% der Fälle unter einem Exanthem. An den Bissstellen tritt eine charakteristische, zentral nekrotisierende Primärläsion, ein Eschar, auf. Die Trias Fieber, Exanthem, Eschar (FEE) ist typisch für Rickettsiosen. Die Diagnose wird durch Erreger- und Antikörpernachweis bestätigt. Eine Behandlung mit Doxycyclin (2x 100mg/Tag) sollte frühzeitig – bereits bei klinischem Verdacht – eingeleitet werden.

Da sich die Lebenszonen verschiedener Vektoren tropischer Infektionen, u.a. durch die globale Erwärmung, aber auch durch zunehmende Reiseaktivitäten und den immer schneller werdenden Austausch von Handelsgütern, ständig weiter ausbreiten, ist mittlerweile ein sehr großer Anteil der Weltbevölkerung durch Tropeninfektionen bedroht. Besonders stark ist im letzten Jahrzehnt die Zahl der Dengue-Virusinfektionen angestiegen. Der Ausschlag durch die vier möglichen Dengue-Virustypen (DENV I–IV, Flaviviren) ist charakterisiert durch ein rötelnartiges Exanthem mit makulösen Aussparungen („white islands in a red sea“), weißen Dermografismus in den Erythemen und Petechien. Beim schwer verlaufenden Dengue-Schock-Syndrom kommen Purpura, Ekchymosen und Hämatemesis hinzu. Auch beim Chikungunya-Fieber (Togaviren) tritt bei jedem bzw. jeder zweiten Betroffenen ein Exanthem auf. Es ist makulopapulös mit Aussparungen, juckt kaum oder gar nicht und ist kombiniert mit Petechien, konjunktivaler Injektion und Schleimhautblutungen. Eine sichere klinische Abgrenzung zum Dengue-Exanthem ist dermatologisch nicht möglich.

Wichtige Differenzialdiagnosen zu Dengue- und Chikungunya-Exanthemen bei Reiserückkehrern mit Fieber sind Masern, Windpocken, Zikavirus-Infektionen und Arzneimittelexantheme. Auch das Zikavirus gehört zu den Flaviviren und wird durch die Tigermücke übertragen. Dermatologisch können sich ein unspezifisches makulopapulöses Exanthem, ein kleinfleckiges orales Enanthem und eine nicht-eitrige Konjunktivitis zeigen. Ein Großteil der Infektionen verläuft jedoch asymptomatisch oder mit milden Symptomen. Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie neurologische Symptome können hinzukommen. Gefürchtet ist die sexuelle Übertragung des Zikavirus auf Schwangere, die diaplazentar zu schweren fetalen Fehlbildungen (v.a. einem Mikrozephalus) führen kann.

Zur Vertiefung der Kenntnisse in der Tropen- und Reisedermatologie bietet die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) ein dreiteiliges zertifiziertes Seminar in Tropen- und Reisedermatologie an (Informationen unter www.tropendermatologie.de).

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum derma