Wissen über die Generation 80+
WIEN/GRAZ – Der demographische Wandel in Österreich, das Altern der Bevölkerung, bedeutet auch, dass Hochaltrigkeit zum Massenphänomen wird. Die Österreichische Plattform für Interdisziplinäre Alternsfragen (ÖPIA) untersucht im Rahmen einer Studie erstmals wissenschaftlich fundiert und umfassend die Lebenssituation der Generation 80 plus.
Der Anteil von Menschen über dem 80. Lebensjahr wird sich, laut OECD-Daten, in Europa bis 2030 fast verdoppelt und bis 2060 bereits verdreifacht haben. „Das ist nicht nur demographisch interessant, sondern auch sozial- und gesundheitspolitisch von enormer Bedeutung“, gibt Dr. Georg Ruppe, Geschäftsführer der ÖPIA, zu bedenken. In Österreich geht man davon aus, dass der Anteil der Bevölkerungsgruppe 80 plus bis 2050 von 4,8 auf 11,6 Prozent steigen wird. Zum Vergleich: Noch stärker betroffen vom „Phänomen der Hochaltrigkeit“ werden Deutschland (von 5,1 auf 14,7 %) und Italien (von 5,9 auf 13,6 %) sein, deutlich schwächer die Niederlande (von 4,0 auf 9,8 %).
Trotz dieser sehr greifbaren Herausforderungen gab es in Österreich – im Unterschied zu den meisten anderen europäischen Ländern – bislang kaum Forschung zur Lebens-, Gesundheits- und Betreuungssituation der Bevölkerungsgruppe 80 plus. Die Österreichische Interdisziplinäre Hochaltrigenstudie (ÖIHS), die von einem multidisziplinären Projektteam der ÖPIA durchgeführt wird, soll erstmals Forschungs- und Wissenslücken schließen und einen internationalen Vergleich ermöglichen.
Gesünderes Älterwerden
Das Projekt startete im Februar 2013 in Kooperation mit dem Hauptverband, dem Gesundheitsund dem Sozialministerium, dem Land Steiermark und der ÖPIA. Erhoben werden u.a.: Gesundheitszustand und Lebensstil, Wohn- und Betreuungssituation, Inanspruchnahme von sozialen und medizinischen Leistungen, funktionelle Kapazitäten, Ernährungssituation, subjektive Lebensqualität sowie persönliche Präferenzen und Bedürfnissen der Altersgruppe 80 plus. „Wir haben in den Regionen Wien und Steiermark bereits über 400 ausführliche Face-to-Face-Interviews inklusive einzelner geriatrischer Assessments durchgeführt, die nun noch durch vertiefende qualitative Interviews ergänzt werden“, erklärt Dr. Ruppe das Vorgehen in der Praxis.
„Zusätzlich wurde eine große Anzahl telefonischer Kurzinterviews zu wesentlichen Parametern geführt. Wichtig ist uns, die Studie sowohl im ländlichen Raum als auch in der Stadt durchzuführen, mit Menschen, die in Privathaushalten leben und in Institutionen. Erste Ergebnisse werden wir Ende 2014 präsentieren können.“ Die Erkenntnisse der Studie sind auch für strategische und evidenzbasierte politische Entscheidungen in Zukunft von großer Relevanz. „Wir müssen über die aktuelle Situation älterer Menschen Bescheid wissen, und wir brauchen dazu auch konkrete Daten, um die richtigen Antworten auf drängende Fragen z.B. nach ganzheitlicher Gesundheitsförderung, Prävention, Behandlung und integrierter Versorgung in einer alternden Gesellschaft zu finden“, betont Dr. Ruppe. Es liege darin das Potenzial, um persönlich wie gesellschaftlich rechtzeitig Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für ein „gutes“ und auch „gesünderes Älterwerden“ zu ermöglichen und zu gestalten.
Gesellschaftliche Teilhabe
Das liebgewonnene Bild vom Ruhestand nach dem Haupterwerbsalter müsse zunehmend in Frage gestellt werden – so der Experte weiter. Heute gebe es eine 3. Lebensphase ab zirka 60 Jahren, in der ein Gros der Menschen geistig, kulturell, sozial und teilweise auch beruflich noch höchst aktiv ist – bzw. das Potenzial dafür hätte. Tendenziell erst gegen die 4. Lebensphase hin lassen körperliche und mentale Kräfte aus unterschiedlichen Gründen langsam nach. In Deutschland zeigte eine Anfang 2014 erschienene Hochaltrigenstudie des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg auf, dass selbst hochbetagte Menschen sich nicht auf körperliche Defizite reduzieren lassen wollen. Sie sind überzeugt, dass ihre Lebenserfahrung eine Hilfe für nachfolgende Generationen bedeuten kann. Ihnen fehlt es aber zumeist an Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe.
„Wenn wir beginnen, die 3. und 4. Lebensphase aktiver und bewusster zu gestalten, bringt das große Potenziale und Chancen mit sich“, ist Dr. Ruppe überzeugt. „Altern betrifft uns alle in den verschiedensten Lebensbereichen. Und die Politik muss daher in ihren verschiedenen Ressorts aktiv werden! Die Studienergebnisse bieten wesentliche Erkenntnisse und Referenzwerte für die Planung und Gestaltung alternsfreundlicher Infrastrukturen und bedarfs- und bedürfnisgerechter Versorgungs- und Sozialstrukturen intraund extramural!“
Das Generalsekretariat der European Union Geriatric Medicine Society (EUGMS) ist seit Anfang 2014 bei der ÖPIA Geschäftsstelle in Wien angesiedelt und wird von dieser betreut.
www.eugms.org, www.oepia.at
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