Das Tabu an der Tara
Hämorrhoidalleiden sind sehr häufig, aber ein heikles Thema in der Beratung. Welche Empfehlungen kann der Apotheker aussprechen? (Pharmaceutical Tribune 15/2018)
Hämorrhoidalleiden betreffen etwa 50 bis 70 Prozent der Erwachsenen mindestens einmal im Laufe des Lebens. Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr, Erkrankungen vor dem 20. Lebensjahr sind selten. Eine große Bandbreite von Betroffenen greift bei Beschwerden zur Selbstmedikation. Hier ist der Apotheker gefragt.
Hämorrhoidalleiden
Das Corpus cavernosum recti (Hämorrhoidalpolster) ist ein unter der Darmschleimhaut gelegenes Schwellkörpersystem im Bereich des Mastdarmendes mit ringförmig angelegten arteriovenösen Gefäßen. Es ist für den Verschluss des Afters von großer Bedeutung und dient der Feinregulation der Kontinenz. Vergrößerungen bzw. Verlagerungen der Hämorrhoiden führen zu Beschwerden im Sinne eines Hämorrhoidalleidens.
1.1 Ursachen
- Genetische Disposition (Bindegewebsschwäche)
- Chronische Obstipation/harter Stuhlgang, der starkes Pressen erfordert und so mit der Zeit eine Vergrößerung und Verlagerung des Hämorrhoidalgewebes hervorruft
- Ständig ungeformter, breiiger bis durchfallartiger Stuhl erzeugt ebenfalls eine Traumatisierung des Hämorrhoidalgewebes.
- Laxanzienmissbrauch
- Chronische Diarrhoe
- Schwangerschaft
- Exzessiver Genuss von Kaffee,
Alkohol und scharfen Gewürzen
Symptome
- Anale Blutung (charakteristischerweise hellrotes Blut auf dem Stuhl, wechselnde Intensität)
- Anales Nässen
- Juckreiz durch Reizung der Analschleimhaut
- Stuhlschmieren
- Analer Gewebsvorfall
- Selten: Schmerzen
- Dumpfes Druckgefühl, Fremdkörpergefühl im After
Die Symptome sind jedoch zu unspezifisch, um zweifelsfrei auf Hämorrhoidalleiden zurückgeführt werden zu können. Bei neu aufgetretenen Beschwerden ist daher eine ärztliche Abklärung anzuraten (auch in Hinblick auf die Differenzialdiagnose Malignom!). Dies ist insbesondere wichtig, da Hämorrhoidalleiden einer starken Tabuisierung unterworfen sind und deshalb viele Kunden eher zur Selbstmedikation greifen, statt einen Arzt zu konsultieren.
1.3 Differenzialdiagnosen
- Analekzem (kann auch Folge des Hämorrhoidalleidens sein)
- Analfissuren
- Marisken (perianale Hautfalten)
- Perianalthrombosen (Blutgerinnsel im Bereich des Afters)
- Rektumprolaps, Analprolaps
- Analfistel
- Pilzinfektion, Wurminfektion, Feigwarzen
- Kontaktallergie
- Malignome (z.B. kolorektales Karzinom)
Therapie & Beratung
2.1 Topische Behandlung
Hämorrhoidalia (siehe Tabelle) stellen keine kausale Therapie dar, können aber durch schmerzlindernde, antiödematöse und antientzündliche Effekte zur Verbesserung der Symptomatik beitragen.
2.2 Stuhlregulation
Ziel ist ein geformter, weicher Stuhl, der ohne Pressen entleert werden kann. Der Wert von stuhlregulierenden Maßnahmen wird vom Kunden meist unterschätzt, ist aber sehr bedeutsam, vor allem in Hinblick darauf, dass Hämorrhoidalleiden normalerweise progredient verlaufen.
2.3 Ärztliche Interventionen
In Abhängigkeit vom Schweregrad des Hämorrhoidalleidens Sklerosierungsbehandlung, Gummibandligatur, Operation, …
2.4 Beratungstipps
- Dauerhafte Stuhlregulation mittels:
– ballaststoffreicher Ernährung
– Ballaststoffpräparaten
– Quellmitteln
– osmotischer Laxanzien: z.B. Macrogol, Lactulose
– Darmfloraregulation
– ausreichend Flüssigkeit - Sitzbäder mit entzündungshemmenden und adstringierenden, juckreizhemmenden Eigenschaften (z.B. Kamillosan® Flüssigkeit, Helfe Eichenrindenextrakt, Tannosynt® flüssig Badekonzentrat)
- Unterstützende Behandlung mit pflanzlichen Venentherapeutika (antiödematös, kapillarabdichtend): z.B. Daflon® Filmtabletten, Venoruton® Tbl./Drg./Plv.
- Übergewicht abbauen
- Langes Sitzen vermeiden
- Viel Bewegung machen, Pressen beim Stuhlgang vermeiden
- Tipps zur Analhygiene: weiches Toilettenpapier verwenden, am besten den Analbereich mit Wasser reinigen
- Laxanzienmissbrauch vermeiden/beenden