„Kümmert euch um euer Baby“
Viel Stolz, etwas Wehmut und auch einige Sorgen. Mit derart gemischten Gefühlen verabschiedet sich Dr. Alexander Biach aus dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger.
„Die vergangenen zwei Jahre waren geprägt von der Reform“, sagt Biach und stellt fest: „Wir haben uns nie gegen die Reform gestellt. Wir hätten es nur mehr aus eigener Kraft gestalten wollen.“ Die Causa sei dann aber ein politisches Thema geworden, wobei Biach betont, dass wenigstens zwei wichtige Kämpfe gewonnen wurden: jener um den Erhalt der AUVA sowie der für den Fortbestand der Selbstverwaltung. „Das war ein hartes Stück Arbeit, aber Eingriffe in die Selbstverwaltung sind gefährlich, das hat dann auch der VfGH bestätigt“, so der scheidende Vorsitzende des Hauptverbandes.
Auch wenn die Debatte rund um die Sozialversicherung nicht immer fair gewesen sei (Stichwort Funktionärsmilliarde), so sei die Strukturreform „so wie sie jetzt dasteht“ durchaus sinnvoll und werde Österreich „weiterbringen“, gibt sich Biach dann doch versöhnlich: „Wir sollten der neuen Struktur eine Chance geben.“ Dann folgt der Nachsatz: „Wir haben dazu den Grundpfeiler eingeschlagen.“ Nach jahrelangen Diskussionen sei es gelungen, einige bahnbrechende Erneuerungen auf den Weg zu bringen: Die Leistungsharmonisierung (diese sei zu 95 Prozent umgesetzt), die Anstellung von Ärzten bei Ärzten, die Lehrpraxen, die PVE-Verträge, die Ausrollung der E-Medikation, die Einführung der e-card mit Foto oder auch die Etablierung von Kinder-Rehakliniken.
73 Prozent vertrauen der Sozialversicherung
„Für mich war es eine der schönsten Aufgaben, die es in unserem Land gibt“, sagt Biach und präsentiert nicht ohne Stolz auch das Ergebnis einer im Auftrag der Uni Wien durchgeführten IFES-Umfrage, der zufolge das Vertrauen der Bevölkerung in die Sozialversicherung zuletzt deutlich zugenommen hat. Konkret haben 73 Prozent der Befragten viel Vertrauen in die Sozialversicherung. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 waren es nur 56 Prozent.
Auf diese Statistik gestützt appelliert Biach an die Politik, man möge keine Experimente mit der Selbstverwaltung machen. Besonders wichtig wäre auch in Zukunft ein starker Dachverband mit hauptberuflicher Führung. Bei den derzeit vorgesehenen „Nebenerwerbs-Vorsitzenden” (das Leitungsgremium des neuen Dachverbandes soll aus je zwei Vertretern der fünf verbleibenden Träger gebildet werden, wobei der Vorsitz halbjährlich wechselt) bestünde die Gefahr, dass sie die Befindlichkeiten ihrer jeweiligen Träger in den Vordergrund stellen.
Die übergeordneten Gesamtinteressen der Sozialversicherung könnten dabei zu kurz kommen. Biach plädiert dafür, dass zu diesen zehn Personen noch zwei hinzukommen, je ein Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, die den neuen Dachverband auch „hauptberuflich“ führen. Die Kosten seien kein Argument dagegen, wie Biach betont. Er würde in seiner Funktion beim Hauptverband 4.177 Euro brutto verdienen und das zwölf Mal im Jahr, so der scheidende Vorsitzende des Vorstands. Das sollte man sich bei einem Budget von mehr als 60 Milliarden Euro an Einnahmen bzw. Ausgaben doch leisten können.
Keine Kampfabstimmungen
Darüber hinaus fürchtet Biach auch eine „Aushöhlung der Selbstverwaltung“. In der neuen ÖGK haben Arbeitgeber und -nehmer mit je sechs Vertretern eine Parität. Bei Stimmengleichstand müsste das Sozialministerium entscheiden. Deshalb appelliert er an die Sozialpartner, Kampfabstimmungen tunlichst zu vermeiden und sich über strittige Fragen möglichst im Vorfeld zu einigen. „Die Sozialversicherung ist euer Baby, kümmert euch darum und streitet nicht”, lautet Biachs Botschaft an die Sozialpartner.