Natürlich bioident, bitte!

Ich esse gerne biologisch. Ich lebe gern fair und achte drauf, woher meine Kleidung kommt. „Bios“ heißt Leben, das weiß jedes Kind. Als Pharmazeutin weiß man aber auch: Alles Leben ist Chemie, oder? 😉 Ich kriege langsam eine gewisse Abneigung gegen das Wort „bioident“, so wie gegen alle Wörter, die inflationär verwendet werden.

Alles begann mit der Yamswurzel, die natürlich bioidente Hormone zur Verfügung stellt. Plötzlich wollten Frauen in den Wechseljahren, die sich gegen eine Hormonersatztherapie sträubten, aber doch noch ein wenig nachhelfen wollten, bioidente Hormone haben. Oft sogar, ohne ärztliche Konsultation. Sie riefen in Massen bei uns an: „Habt ihr bioidente Hormone zum Einnehmen?“ „Kann ich diese Cellulitecreme auch mit bioidenten Hormonen bekommen?“ „Was ist Ihre Quelle?“ Oder ganz frech: „Schicken Sie mir bitte Ihre Rezepturen!“ – Na klar, machen wir doch gern, oder? Also, wenn uns jemand für blöd hält, werde ich schon einmal ungehalten. Ganz schlimm ist es, wenn nette, aber unbedarfte Vorzimmerangestellte nicht einmal wissen, wie man das Ding schreibt.

Von bio-entent bis biodent habe ich alles schon einmal gesehen. Ich könnte mich ja dumm stellen und sagen: „Kenn ich nicht.“ Aber erstens fällt mir das naturgemäß schwer. Und zweitens weiß ich genau, was dann kommt: „Meine Ärztin hat mich aber genau deswegen zu euch geschickt – ihr seid doch Spezialistinnen für sowas, oder?“ Ja, sind wir – aber nicht nur! Ich möchte erstens eine ordentliche Verschreibung, zweitens muss klar sein, dass Hormone, welcher Art auch immer, nicht kiloweise nach Hause geliefert werden können, und drittens will ich nicht ständig über Quellen oder Rezepturen diskutieren, dazu fehlt mir die Zeit an der Tara. Wenn ich prinzipiell mündige PatientInnen auch sehr schätze.

Skurril war auch die Begegnung mit einer jungen Frau. Sie kam mit einer relativ frischen Brandwunde. „Haben Sie eine bioidente Creme dafür?“, fragte sie. Ich fragte zunächst wie üblich durch, was denn schon alles geschehen sei: Kühlung, Versorgung etc.? Dann empfahl ich die altbewährte Silbercreme zum Abheilen. „Ist das Silber denn aus einer natürlichen Quelle?“, fragte sie ohne Scherz. Ich sah sie kurz verständnislos an. „Sie wissen schon, ist es ein bioidentes Silber?“ Ich frage sie, ob sie wissen wolle, ob es persönlich von uns in einer Mine geschürft worden sei, daraufhin sah sie mich verständnislos an.

Als zweiten Versuch empfahl ich ihr alternativ eine neue Wundsalbe mit Hyaluron und erklärte, dass es sich dabei um einen körpereigenen Stoff handelte. „Bioident?“, wagte sie nochmals zu fragen. „Vom Schweinderl?“, gab ich zurück, jetzt grinste sie auch. „Nein, nein, ich will das alles nicht, geben Sie mir einfach ein Tuch.“ Ein Tuch? „Ja, irgendwas, ein Stück Klopapier oder Küchenrolle.“ Ich starrte sie ungläubig an: „Sie wollen jetzt wirklich ein sicher nicht steriles Stück Papier von uns?“ Sie nickte, ließ es aber doch bleiben. Gekauft hat sie schließlich die Silbercreme …