„Nicht nur Pillenschachteln über die Budel schupfen“

Eine kleine Apotheke auf der rechten Seite der Mur nimmt die Themen Eltern-Kind und Barrierefreiheit sehr ernst. (Pharmaceutical Tribune 2/19)

In der Grazer Mohren Apotheke bietet sich ein ungewöhnlicher Anblick. Drei weiße Kanister stehen zum Abzapfen bereit. Der Inhalt: selbstgemachtes umweltfreundliches Duschgel für wiederbefüllbare Behälter. Es ist nicht das erste umweltfreundliche Projekt der Apotheke. „Wir dürfen uns bereits seit 15 Jahren biozertifiziert nennen“, sagt der Konzessionär Mag. Christian Müller. Wie aus dem Betriebsnamen unschwer zu schließen, ist seine Apotheke bereits sehr alt. 1711 gegründet, handelt es sich sogar um die älteste Apotheke auf der rechten Seite der Mur. Damals wurden viele der verwendeten Grundstoffe aus Afrika importiert, worauf der Name verweisen sollte. Vor nunmehr 16 Jahren übernahm Christian Müller die Apotheke von seinen Eltern. Bereits sein Großvater war Apotheker gewesen, allerdings in Litschau im Waldviertel und auf Kuba.

Persönlicher Stempel

Bei der Neuübernahme der Mohren Apotheke wollte Müller dem Betrieb seinen persönlichen Stempel aufdrücken. Die Wahl fiel auf die Themen Eltern-Kind und Barrierefreiheit. „Erstens habe ich selber vier Kinder großgezogen. Zweitens hatte ich schon früh im Leben mit behinderten Menschen zu tun, etwa beim Zivildienst.“ Beide Schwerpunkte füllte Müller mit viel Leben. So reicht das Angebot im Eltern-Kind- Bereich bis zum Verleih von Kinderwägen, ja „seit dem Vorjahr sogar Oldtimer-Kinderwägen“. Barrierefrei ist nicht nur der Eingang. Die Tara der 60 Quadratmeter großen Offizin wurde so konzipiert, dass sie jeder Rollstuhlfahrer unterrollen kann.

Darüber hinaus gibt es eine Induktionsanlage, die Menschen mit Hörgeräten das Verstehen durch Wegfiltern von Nebengeräuschen vereinfacht. Gehörlose wiederum kann der Apotheker in der Gebärdensprache bedienen. Und: Der Sechs-Mitarbeiter-Betrieb versieht Arzneimittel laufend mit Angaben in Braille-Schrift. Blinden und Sehschwachen helfen zudem die akustischen Signale beim Eingang weiter. Ebenfalls Christian Müllers Handschrift trägt das 2006 gegründete kleine Museum im Haus, das der mittelalterlichen „Universalmedizin“ Theriak gewidmet ist. Der Apotheker vermietet die Räumlichkeiten ab und zu für Kindergeburtstage, vor allem aber veranstaltet er dort Workshops, bei denen Kindern das Apothekerhandwerk nähergebracht wird.

„Man muss wieder in Erinnerung rufen, dass wir nicht nur Pillenschachteln über die Budel schupfen“, formuliert es Müller pointiert und betont: „Wir stellen noch heute vieles selber her.“ Auf der Homepage werden etwa die Kartoffelcreme für raue Haut, ein Insektenspray oder eine Körperpflege- Serie namens „Steirisch Elixier“ angeführt. Zwei Mal schon wurde die Apotheke von einem bekannten heimischen Pharma-Großhandel ausgezeichnet, einmal für Arzneikräuter aus kontrolliert biologischem heimischen Anbau.

Dazu muss man wissen: Müller betreibt nebenbei eine klitzekleine Bio-Landwirtschaft. Demnächst wird er Trüffel anbauen, Gin verkauft er schon. Mit seinem dritten Standbein hängt das Angebot an Theaterschminke und -blut zusammen: dem Theatermachen. In seinem 15 Kilometer entfernten „Lebensort“ Präbach betreibt Müller seit 2016 eine kleine Bühne mit professionellen Schauspielern, darunter auch seine Frau. Dort führt der Konzessionär Regie, tritt aber auch auf. Als Nächstes steht laut Müller Schnitzlers Reigen auf dem Programm. Für Ausgleich zum Pharmazeuten-Dasein ist also gesorgt. Aber irgendwie hat bei Müller ohnehin immer eines das andere ergeben – und genau das schätzt er an seinem Leben.

APO-Steckbrief:

  • Mohren Apotheke, Südtiroler Platz 7, 8020 Graz
  • mohren-apotheke.at
  • Spezialisierungen: verschiedenste Pflegeprodukte für Säuglinge, Babynahrung, Kräuter und Gewürze in kontrolliert biologischer Qualität
  • Spezialitäten: Kartoffelcreme, Duschgels, Insektensprays, Körperpflege-Serie
  • Services und Dienstleistungen: umfassende Barrierefreiheit, Milchpumpen- und Kinderwagen-Verleih

APOPRIVAT
Mag. Christian Müller

Motto „Hinterlasse zwei Dinge: nichts und eine gute Erinnerung.“ Das Zitat spielt darauf an, dass der Mensch den nächsten Generationen eine intakte Umwelt hinterlassen soll. Ich möchte, dass unsere Kinder genauso gut leben können, wie wir es konnten.
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Heutzutage wird gerne eine scharfe Trennung zwischen Beruf und Freizeit betont, früher ging es um eine erfüllende Verbindung. Ich bevorzuge Letzteres: Und sieht man Arbeit auch als etwas, das Spaß machen soll, ist sie ja auch eng mit der Freizeit verbunden.
Erfolg Jeden Tag mit einem Glas Wein und einem guten Gespräch mit meiner Frau beschließen zu können, wenn es nur irgendwie geht, das ist für mich Erfolg. Meistens schaffen wir das auch.