Tiefe Trauer löste reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom aus
Ein reversibles Vasokonstriktionssyndrom ausgelöst durch tiefe Trauer? Bislang gibt es dazu nur wenige Fallberichte. Allerdings weiss man, dass emotionaler Stress genauso ein potenzieller Trigger ist wie Sex, Energydrinks und sympathomimetikahaltige Diätpillen.
Etwa eine halbe Stunde vor Beginn der Beerdigung ihres Vaters traten bei einer 46-Jährigen plötzlich sehr starke Kopfschmerzen auf. Während anfänglich Ibuprofen die Schmerzen etwas linderte, blieben die später eingenommenen Naproxen-Tabletten wirkungslos. Nachdem sich die Frau übergeben hatte, ging sie schlafen.
Am nächsten Morgen konnte sie nur noch ein paar Schritte laufen, trübte zusehends ein und wurde schliesslich bewusstlos. In der Klinik intubierte man die Patientin. In der kraniellen CT zeigten sich im Bereich der linksseitigen Basalganglien bzw. frontoparietal ein Hämatom (33 ml) sowie vertexnah eine leichte subarachnoidale Blutung.
Die CT-Angio der Kopf- und Halsgefässe lieferte keinen auffälligen Befund. Daraufhin wurde die Frau notfallmässig kraniotomiert und eine Ventrikeldrainage gelegt. An Tag 2 des stationären Aufenthalts führte man erstmals eine digitale Subtraktionsangiografie (DSA) des Gehirns durch. Dabei fielen gering bis moderat ausgeprägte Kaliberschwankungen der Gefässe auf. Bei einer erneuten DSA an Tag 16 waren all diese Veränderungen wieder verschwunden. Innerhalb des dreiwöchigen stationären Aufenthalts besserte sich der Zustand der Frau jedoch signifikant. Ein Jahr später hatte sie bis auf ein erhöhtes Schlafbedürfnis keine bleibenden Defizite.
Bei diesem reversiblen zerebralen Vasokonstriktionssyndrom (RCVS) kommt es zu multiplen und multilokulären Vasospasmen der Hirnarterien, schreiben Dr. Pooja Rao vom Georgetown University Hospital in Washington und ihre Kollegen.
Verlauf meist gutartig und selbstlimitierend
Typisches Symptom sind Vernichtungskopfschmerzen (Donnerschlagkopfschmerzen), die eine Woche lang wiederholt auftreten können. Etwa jeder Dritte entwickelt Komplikationen wie ein reversibles Hirnödem, einen ischämischen oder hämorrhagischen Schlaganfall.
Betroffen sind überwiegend Frauen um die 40. Vor allem während oder direkt nach der Schwangerschaft ist das Risiko besonders hoch. Die genaue Pathophysiologie ist bislang unklar. Neben einer erhöhten Sympathikusaktivität sowie der Einnahme adrenerger und serotonerger Substanzen werden u.a. Hormone, Migräne, Porphyrie, Hyperkalzämie, Traumata und emotionaler Stress als Trigger diskutiert. Meistens verläuft das RCVS gutartig und selbstlimitierend, weshalb eine Überwachung und symptomatische Behandlung in der Regel völlig ausreicht. Mögliche Auslöser sollten während dieser Zeit konsequent vermieden werden.
Rao P et al. BMJ Case Rep 2020; 13: e232204; doi: 10.1136/bcr-2019-232204.