9. Apr. 2020Interview mit Professor Dr. Andreas Buser

Plasmatransfusion als Hoffnungsträger für Covid-19-Patienten im Universitätsspital Basel

Ein Team vom Universitätsspital Basel und dem Blutspendezentrum beider Basel ergreift die Initiative: Mit dem Plasma geheilter Covid-19-Patienten sollen schwer Erkrankte therapiert werden. Professor Dr. Manuel Battegay, Chefarzt Infektiologie und Spitalhygiene, Universitätsspial Basel, und Professor Dr. Andreas Buser, Chefarzt Transfusionsmedizin und Blutspendezentrum beider Basel, sind federführend. Die ersten beiden Plasmatransfusionen fanden am 31. März 2020 statt – drei weitere sind geplant. Medical Tribune sprach mit Prof. Buser.

iStock-483319605_P_Wei_preview
iStock/P_Wei

Die Corona-Pandemie hat auch die Schweiz fest im Griff. Nicht nur bei betagten und multimorbiden Patienten zeigt sich eine beachtlich hohe Todesrate. Viel mehr als eine symptomatische Therapie ist allerdings bisher nicht verfügbar. Eine Reihe von potenziell kausal wirkenden antiviralen Medikamenten – von Hydroxychloroquin bis Remdesivir – wurde in Einzelfällen eingesetzt. Doch ohne die Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien mit sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung lässt sich ein breiter Einsatz nicht rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund ist eine Therapie, wie sie die passive Immunisierung mit kovaleszentem Plasma darstellt, eine vielversprechende Option.

Welche therapeutischen Überlegungen stehen hinter der Übertragung von Plasma genesener Covid-19 Patienten auf Erkrankte?

Prof Buser: Der Proof-of-Principle ist schon alt: Zuletzt hat man das Plasma von Patienten, die eine Infektion mit SARS-Corona, MERS-Corona oder auch dem Ebolavirus überstanden hatten, bei akut Infizierten eingesetzt. Sie profitierten von den im Plasma vorhandenen Antikörpern, indem das Fieber zurückging, die Symptome sich besserten, bis hin zum negativen Virusnachweis.

Erste Daten zur Plasmatherapie bei SARS-CoV-2-Infizierten liegen vor – wie erfolgversprechend sind diese?

Prof. Buser: Nachdem anekdotische Berichte durch die Presse gegangen sind, erschien jetzt eine erste wissenschaftliche Publikation im JAMA.1 Eine Fallserie mit fünf schwerstkranken Covid-19-Patienten, die in China eine Plasmatherapie erhalten hatten, wird dokumentiert (Resultate im Kasten). Allerdings ist es schwierig, konkrete therapeutische Schlüsse daraus zu ziehen. Für uns stellte sich die Frage, was wir – angesichts der schwerkranken Patienten – den Ärzten und Pflegenden an der Front an die Hand geben könnten. Die therapeutischen Möglichkeiten sind bisher de facto limitiert, trotz antiviraler und anderer Medikamente, die verwendet werden. Vor diesem Hintergrund bietet sich der Versuch mit kovaleszentem Plasma an, als zusätzliche Option, die man relativ schnell einsetzen kann. Selbstverständlich muss diese experimentelle Therapie im Einzelfall wissenschaftlich begleitet und dokumentiert werden. Mit der Plasmatherapie haben wir einen weiteren Pfeil im Köcher, und es mehren sich inzwischen die Hinweise, dass die verabreichten Antikörper ihre Wirkung entfalten. Demensprechend werden weltweit Studien initiiert. Es steckt also wohl doch mehr dahinter als der Mut der Verzweiflung. Im Unterschied zu den chinesischen Autoren versuchen wir, die Patienten früh zu behandeln, um so zu verhindern, dass sie beatmungspflichtig werden.

Wie aufwendig ist die Plasmatherapie und welche Voraussetzungen müssen Spender und Empfänger erfüllen?

Prof. Buser: Bei den seit zehn Tagen symptomfreien Spendern erfolgen nochmals Nasen-Abstriche auf SARS-CoV-2, die zweimal negativ sein müssen. Dann werden die üblichen Blutspendetests (HIV, Hepatitis B, C, E und Syphilis) durchgeführt. Nach der Blutspende wird das kovaleszente Plasma pathogeninaktiviert, was die Sicherheit zusätzlich erhöht. Das hat den Vorteil, dass wir die Transfusion einen Tag nach der Plasmagewinnung verabreichen können. Das Plasma muss Blutgruppen-kompatibel sein, um keine Unverträglichkeitsreaktionen zu provozieren – und es muss von einem männlichen Spender stammen. Im Plasma von Frauen, die schwanger waren (einschliesslich unbemerkter Frühabort) resp. geboren haben, befinden sich HLA- und Antineutrophilen-Antikörper – als Reaktion auf die vom Kindsvater ererbten HLA- und HNA-Antigene des Fetus –, die lebenslang im mütterlichen Blut persistieren. Diese können zu einem «transfusion associated lung injury» führen, was bei Covid-19 mit ohnehin vorgeschädigter Lunge fatal wäre.

Wenn ein von Covid-19 genesener Spender beispielsweise einen halben Liter Blut spendet, reicht das gewonnene Plasma dann für einen oder mehrere schwer betroffene Covid-19-Patienten?

Prof Buser: Wir führen eine Plasmapherese durch, d.h. dass der Spender an eine Maschine kommt, sein Blut aufzentrifugiert und gemäss spezifischer Dichte aufsepariert wird. Das Plasma dient der späteren Transfusion und «der Rest» wird dem Spender reinfundiert. Auf diese Wese gewinnen wir dann Plasma, mit dem wir drei Covid-19-Patienten behandeln können.

Sind bereits randomisierte, kontrollierte Studien, basierend auf diesem Konzept, geplant?

Prof Buser: Geplant sind sie, doch der mit einer randomisierten kontrollierten klinischen Studie verbundene Aufwand ist enorm. Und da wir in Zeiten der Corona-Pandemie ohnehin alle am Limit arbeiten, ist die Herausforderung gewaltig. Wir haben eine derartige Studie konzipiert und den Schweizer Spitälern und Blutspendediensten die Teilnahme angeboten. Ob, wie und wann sich das realisieren lässt, kann ich jedoch heute noch nicht abschätzen. Lokal werden Studien in der Schweiz, wie in Zürich und wohl bald auch im Tessin, durchgeführt.

Wie erfolgt in Basel die Rekrutierung von genesenen Covid-19-Patienten für die Blutspende?

Prof Buser: Das Unispital kontaktiert jene Personen, bei denen im Testzentrum des Unispitals ein Abstrich erfolgte. Sie wurden gefragt, ob sie damit einverstanden wären, dass sich der Blutspendedienst bei ihnen meldet. Ausserdem gibt es im Testzentrum (Basler Predigerkirche) bei der Aufklärung zum Test den Hinweis auf die Plasmaspende. Und schliesslich finden Spendewillige auf unserer Homepage ein Kontaktformular, welches immer häufiger genutzt wird. Momentan haben wir etwas mehr als 20 potenzielle Spender, die sich zur Verfügung stellen möchten.

Zum Abschluss noch Zukunftsmusik: Halten Sie das Klonen von Covid-19-Antikörpern und die Produktion im grossen Massstab für eine Option?

Prof Buser: Das wäre sicherlich ein intelligentes Procedere. Es wäre natürlich angezeigt, aus gespendetem Plasma von Genesenen industriell die Immunglobuline zu gewinnen, die sich dann i.v. verabreichen lies­sen. Das wäre dann eine Blutgruppen-unabhängige Therapie und auch von daher interessant. Wir haben momentan aber noch zu wenig Plasma und auch nicht die Zeit, um auf diese Produkte zu warten. Wir können die Zeit bis zur Verfügbarkeit dieser Immunglobuline oder einer Impfung lediglich mit dem Plasma als zusätzliche Option zu überbrücken versuchen. Es gibt sicherlich noch weitere innovative und interessante Ansätze, die verfolgt werden. Ich denke, dass die Situation dann effektiv einfacher wird, wenn wir über die Impfung verfügen. Damit könnten wir – mit vergleichsweise geringem Aufwand – viele Menschenleben retten und die Pandemie unter Kontrolle bekommen.

Besten Dank für das Gespräch!

Plasmatherapie bei fünf Covid-19-Patienten in China
  • fünf Covid-19-Patienten (36–65 Jahre), Vorbehandlung mit Virostatika und Methylprednisolon
  • wegen schwerem Verlauf mussten sie beatmet werden
  • nach der Verabreichung des kovaleszenten Plasmas normalisierte sich die Körpertemperatur bei vier von fünf Patienten innerhalb von drei Tagen
  • der SOFA-Score, der das Ausmass des Organversagens widerspiegelt, besserte sich
  • die Viruslast nahm ab und nach zwölf Tagen war das Virus nicht mehr nachweisbar
  • drei von fünf Patienten konnten nach 53 bis 55 Tagen entlassen werden, die verbleibenden zwei waren 37 Tage nach der Transfusion in stabilem Zustand

1. Shen C et al. Treatment of 5 critically ill patients with COVID-19 with covalescent plasma. JAMA, published online March 27; 2020. doi:10.1001/jama.2020.4783