Neues zur Vermeidung von Frühgeburten
In puncto Frühgeburtlichkeit hat sich in Prävention und Diagnostik einiges geändert. Am Kongress für Praktische Gynäkologie und Geburtshilfe (KPGG) ging Professor Dr. Daniel Surbek, Chefarzt der Frauenklinik des Inselspitals Bern, auf die Neuerungen ein.
Eine Reihe Faktoren erhöht das Risiko für eine Frühgeburt. Dazu gehören eine Frühgeburt oder ein Spätabort in der Vorgeschichte, Myome, Polyhydramnie sowie Mehrlingsschwangerschaften. Auch eine verkürzte Zervix ist mit Frühgeburtlichkeit verbunden. «Zusammen mit dem Organscreening zwischen der 20. und 22. SSW soll deshalb bei allen Schwangeren immer auch gleich die Zervix-Länge gemessen werden», erklärte Prof. Surbek.
Das Frühgeburtsrisiko erhöhen zudem vaginale Infektionen. «Ein Zusammenhang besteht nicht nur mit der bakteriellen Vaginose, sondern – wie wir heute wissen – auch mit der aeroben Vaginitis, mit Mischinfektionen und den anderen Arten von abnormer vaginaler Flora», erläuterte der Experte. Im ersten Trimester sollen deshalb alle Schwangere auf vaginale Infektionen gescreent und, wenn eine Behandlung indiziert ist, auch therapiert werden. Untersuchungen haben gezeigt: Wird nur auf bakterielle Vaginose gescreent und spezifisch behandelt, lässt sich das Frühgeburtsrisiko nicht senken. «Wegen der gastrointestinalen Nebenwirkungen und dem Resistenzproblem werden vaginale Infektionen im Niedrigrisikokollektiv nicht systemisch, sondern nur lokal behandelt werden, etwa mit Dequaliniumchlorid-Ovula oder Clindamycin-Vaginalcreme», betonte Prof. Surbek. Zur Verstärkung des Therapie-Effekts ist zusätzlich ein Probiotikum sinnvoll.
Neuer Biomarker für Frühgeburtlichkeit
Eine Herausforderung in der Betreuung von Schwangeren besteht, wenn Frauen mit vorzeitigen Wehen kommen. «Denn eine verkürzte Zervix genügt nicht immer, um zu entscheiden, ob die Schwangere stationär behandelt werden muss oder eine ambulante Betreuung ausreicht», führte der Referent aus. Als Faustregel gilt: Ist die Zervix kürzer als 20 mm, wird eine Tokolyse und Lungenreifung durchgeführt, ist sie länger als 30 mm, kann erst einmal noch zugewartet werden. «Für die Grauzone mit einer Zervixlänge zwischen 20 und 30 mm haben in den letzten Jahren Biomarker im Vaginalsekret Bedeutung bekommen», sagte Prof. Surbek.
In der Schweiz zugelassen sind fetales Fibronektin und das Insulin like Growth Factor Bindungs-Protein-1 (IGFBP-1) sowie neu das plazentare Alpha-Mikroglobulin-1 (PAMG-1). Hinsichtlich des negativen prädiktiven Wertes sind alle drei Biomarker vergleichbar gut. Ein Unterschied besteht für den positiven prädiktiven Wert. Dieser ist bei PAMG-1 mit 76 % doppelt so hoch wie bei den anderen beiden Biomarkern. Heute kommt daher als Biomarker PAMG-1 zum Einsatz, erklärte Prof. Surbek.
Tokolyse, Antibiotika oder doch entbinden?
Bestehen relevante vorzeitige Wehen, stellt sich die Frage, wann entbunden und wann die Schwangerschaft verlängert werden soll. Für eine Entbindung sprechen gemäss dem Referenten eine Infektion, eine vorzeitige Plazentaablösung und mütterliche Komplikationen, für eine Prolongierung das damit erreichte höhere Gestationsalter und Geburtsgewicht sowie der Zeitgewinn für den Transfer in ein Zentrum für die Durchführung einer Lungenreifung. Prolongiert werden kann eine Schwangerschaft um zwei bis sieben Tage.
Für eine Tokolyse zum Einsatz kommen insbesondere Atosiban, Nifedipin, Betamimetika und allenfalls Indometacin. Bei einem frühen vorzeitigen Blasensprung (vor SSW 34) und einem fehlenden Infekt-Hinweis wird anstelle eines Tokolytikums besser ein Antibiotikum verabreicht.
«Bei vorzeitigen Wehen nicht wirksam ist Progesteron», betonte der Experte. Indiziert ist vaginales Progesteron aber bei verkürzter Zervix (< 25 mm) und bei Status nach Frühgeburt oder Spätabort. «In diesen Situationen senkt es das Frühgeburtsrisiko um rund 30 % und reduziert ausserdem die neonatale Morbidität und Mortalität», führte der Referent weiter aus. Zudem lassen sich mit einer Cerclage Frühgeburten vermeiden und das neonatale Outcome verbessern.