Familienplanung unbedingt ansprechen
Wenn junge Menschen an Krebs erkranken, tritt das Thema Kinderwunsch oft erst einmal in den Hintergrund oder es wird einfach vergessen angesichts der bestehenden Therapien. Wichtig ist es deshalb, dass die behandelnden Ärzte rechtzeitig über einen möglichen Erhalt der natürlichen Fruchtbarkeit aufklären. Und die Krankenkassen müssen mitziehen, hiess es an einer Pressekonferenz der Stiftung Junge Erwachsene mit Krebs.
Jona, 28, berichtete an der Pressekonferenz der Stiftung Junge Erwachsene mit Krebs über ihre Erfahrungen: «Als ich mit 25 Jahren die Diagnose Krebs erhielt, erklärten mir die Ärzte, dass ich durch die Chemotherapie meine Fruchtbarkeit verlieren und keine eigenen Kinder mehr bekommen kann.» Sie sei ans Kinderwunschzentrum verwiesen und dort ausführlich beraten worden. Schliesslich habe sie vor der Behandlung Eizellen einfrieren lassen. Das Geld dafür kam von den Eltern. Bei Christoph wurden im Alter von 31 Jahren Tumoren in Speiseröhre, Magen und Leber entdeckt. Auch hier sprangen die Eltern finanziell beim Einfrieren von Spermien ein.
80 Prozent der jungen Patienten werden geheilt
Nach Angaben von Professor Dr. Mathias Freund, Vorsitzender des Stiftungskuratoriums, erhalten jährlich 15 000 Menschen im Alter von 18 bis 39 Jahren die Diagnose Krebs. Die häufigsten Diagnosen sind Brustkrebs, Hodenkrebs, Malignes Melanom und Schilddrüsenkrebs. 80 % der Patienten werden geheilt.
«Ich erlebe das fast als zweifache Bestrafung – erst die Erkrankung und dann nimmt man uns auch noch die Chance auf eine Familie mit eigenen Kindern», so eine Patientin, die mit 28 Jahren die Diagnose Hodgkin Lymphom erhielt.
Es bleibt wenig Zeitfür Massnahmen
Die Krankenkassen verweisen bei ihren Ablehnungen oftmals auf fehlende Evidenz zur Refertilisierung.
Wie Dr. Peter Sydow, Leitender Arzt im Medizinischen Versorgungszentrum VivaNeo–Praxisklinik Sydow Berlin, erklärte, ist das Zeitfenster für fruchtbarkeitserhaltende Massnahmen sehr eng angesichts der notwendigen Therapien.
Gespräch über eine Familie kann auch Hoffnung bringen
Professor Dr. Maike de Wit, Chefärztin des Onkologischen Zentrums, Vivantes Klinikum Berlin-Neukölln und Mitglied im Beirat der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, hat die Erfahrung gemacht, dass die jungen Patienten kurz nach der Krebsdiagnose oft überfordert sind von den auf sie einströmenden Informationen zur Fruchtbarkeit. Sie berichtete von einem jungen Mann, den sie vor 15 Jahren sehr ausführlich aufgeklärt hatte. Er entschied sich damals gegen das Einfrieren von Spermien. Zehn Jahre später sagte er, er sei deshalb «praktisch tot». An das Aufklärungsgespräch erinnerte er sich nicht. Inzwischen empfehle die Klinik im Rahmen des Aufklärungsgesprächs Männern routinemässig das Einfrieren von Samenzellen. Bei Frauen sei die Aufklärung schwieriger, u. a. weil die Kosten so hoch seien. Zudem reiche eine einmalige Aufklärung nicht in allen Fällen.
Die Psychologin Dr. rer. med. Dipl.-Psych. Kristina Geue, Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie des Universitätsklinikums Leipzig, hält auch mehrere Termine für notwendig, wobei das initiale Gespräch von dem Arzt geführt werden müsse, der die Schockdiagnose überbringe. Das Thema Kinderwunsch hier anzusprechen, die Frage «Wollen Sie später noch Kinder haben?», könne den jungen Patienten auch zeigen, dass es Hoffnung gibt.
Dr. Geue empfiehlt Ärzten, Patienten die Informationen am Ende des Gesprächs zusammenfassen zu lassen, ihnen Material mitzugeben und darauf hinzuweisen, dass sie für weitere Gespräche zur Verfügung stehen. Auch Ratgeber wie «Kinderwunsch und Krebs» können wichtige Informationen liefern. Hilfreich sei zudem, wenn vertraute Personen wie Partner oder Eltern beim Gespräch anwesend sind. Auch für Patienten, für die der Kinderwunsch letztendlich nicht erfüllt werden könne, sei eine Begleitung notwendig. Das Wissen, alles getan zu haben, sei wichtig, um den Sinn im Leben neu zu bestimmen.