Das Ende erkennen, Symptome lindern!
„Wenn wir nichts mehr tun können, bleibt noch vieles zu tun“ – mit diesem Motto eröffnete Palliativmedizinerin Dr. Barbara Schubert von der Klinik für Palliativmedizin und Onkologie des Krankenhauses St. Josef-Stift in Dresden ihren Vortrag.
Das Sterben erkennen und die Symptome kontrollieren, das sind die wesentlichen Aufgaben des Arztes in der terminalen Phase.
Schmerz möglichst parenteral behandeln
Die Diagnose „sterbender Patient“ sollte immer im Team gestellt und regelmäßig evaluiert werden. Dabei kann ein Betreuungskonzept, beispielsweise der „Liverpool Care Pathway“, helfen. Erfahrungswerte allein reichen oft nicht aus, denn „bekanntlich leben manche Totgesagte länger“, so Dr. Schubert.
Charakteristisch für die letzten 48 bis 72 Stunden sind neben der Facies hippocratica (tief liegende Augen, eingefallene Wangen, Blässe, spitzes Kinn) Schwäche, Ruhebedürfnis und Desinteresse an der Umwelt. Die Körperfunktionen erlöschen allmählich (vita minima). Bei der Evaluierung gilt es, zu sichern, dass alle unangemessenen Maßnahmen beendet wurden, die aktuelle Medikation zu prüfen und verschiedene Fragen zu klären (z.B. Seelsorge gewünscht, wer soll informiert werden, was passiert nach dem Ableben). Darüber hinaus gibt es eine Reihe typischer Symptome in der finalen Phase, die der Linderung bedürfen.
Bis zu 90 % der Patienten haben Schmerzen. Bei der Dosierung von Analgetika muss beachtet werden, dass es durch körpereigene Endorphinausschüttung zu einer gewissen Schmerzreduktion kommt, außerdem werden Medikamente mit nachlassender Nierenfunktion schlechter ausgeschieden und können kumulieren. Angst wirkt allerdings schmerzverstärkend. In den meisten Fällen ist in den letzten Stunden eine Umstellung auf parenterale Applikation nötig.
Scopolamin-Pflaster hilft gegen Rasselatmung
Etwa die Hälfte aller Sterbenden leidet unter Dyspnoe. Anspannung, Schwäche oder die Progredienz der Grunderkrankung können die Luftnot verschlimmern. Die Therapie sollte mit Morphin (5–10 mg) oder Hydromorphon (1–2 mg) beziehungsweise jeweils mit einem Sechstel bis Drittel der Tagesdosis subkutan erfolgen. Bei Angst rät Dr. Schubert zur Gabe von Midazolam (2–10 mg subkutan) oder Lorazepam (1–2,5 mg sublingual).
Die häufig auftretende Rasselatmung beruht auf erhaltener Sekretion bei verringertem Husten- und Schluckreflex. Therapeutisches Ziel ist die Senkung der Bronchialsekretion, z.B. mit Scopolamin als Pflaster (alle drei Tage wechseln), Butylscopolamin (20–40 mg subkutan alle vier Stunden) oder Glycopyrronium (0,2 bis 0,4 mg) subkutan alle sechs Stunden. Am besten behandelt man schon prophylaktisch, „denn einmal gebildetes Sekret lässt sich nur schwer entfernen“, erklärte die Referentin.
Begleitende Maßnahmen heißen:
• richtige Lagerung,
• Infusionen absetzen,
• ggf. Furosemid intravenös und
• Absaugen.
Die bei 40 bis 88 % der Betroffenen auftretende Unruhe bis hin zum Delir kann durch die Krankheit selbst, Unsicherheiten, soziale Probleme, unerwünschte Wirkungen der Therapie oder als Zeichen des zerebralen Abbaus entstehen. Midazolam, Flunitrazepam, Lorazepam und das sonst verpönte Haloperidol dämpfen die Symptome.
Gerade bei Unruhezuständen darf die Psyche nicht vergessen werden. „Fragen Sie die Patienten, ob sie noch etwas zu erledigen haben“, mahnte Dr. Schubert. Sind die wesentlichen Dinge im Leben geklärt, kann das erheblich zur Beruhigung beitragen.
"Kreative" Mundpflege bei Sterbenden
Durstgefühle sind weniger Ausdruck einer Dehydratation, sondern vielmehr Folge von Mundatmung, Infektionen der Mundschleimhaut, Fieber oder Sauerstofftherapie. Infusionen bringen dabei wenig Segen, sondern fördern eher Ödembildung, Dyspnoe und Rasselatmung. Gefragt ist eher eine „kreative“ Mundpflege. Minimale Flüssigkeitsmengen (pipettieren oder sprühen), Eiswürfel, „gerne nach Wunsch auch mal aus Apfelschorle, Bier oder Sekt“, gefrostetes Obst, Butter, Öl oder Honig – der Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt.
Fieber entwickeln etwa 40 % der Patienten, oft verstärkt durch wohlmeinende Vorkehrungen wie Zudecken, dicke Kleidung oder geschlossene Fenster. 5 g Metamizol oder 4 g Metamizol intravenös jeweils über 24 Stunden (alternativ rektal), ergänzt durch physikalische Maßnahmen, senken das Fieber und reduzieren die damit verbundene Unruhe und Tachykardie sowie das Schwitzen.
Terminale Sedierung beschleunigt den Tod nicht
Viel seltener als befürchtet tritt der terminale Notfall (s. Kasten) auf, auf den allerdings sowohl der Arzt als auch der Patient dennoch vorbereitet sein müssen. Morphin oder Fentanyl und Midazolam oder Lorazepam sollten dann schnell zur Hand sein. Die palliative Sedierung dient der raschen Bewusstseinsdämpfung und erleichtert die Sterbesituation, ohne sie zu beschleunigen, wie Dr. Schubert nachdrücklich betonte.
Mögliche terminale Notfälle • Erstickungsanfall • akute Blutung • zerebraler Krampfanfall • Hohlorganperforation • Hirnstammeinklemmung • pathologische Fraktur • plötzliche Verwirrtheit |
Notfall-Medikamente • 5-10-20 mg Morphin fraktioniert i.v. oder • 50-100-200-... µg Fentanyl buccal, nasal • 5-10-15-... mg Midazolam fraktioniert i.v., s.c., buccal oder • 1-2,5 mg Lorazepam s.l. |
Quelle:
119. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, 2013