18. Juni 2013Eine Anämie vor einer geplanten Operation sollte korrigiert werden

Patient Blood Management – eine wichtige hausärztliche Aufgabe

Steckbrief:  Der 76-Jährige wird mit Non-STEMI-Infarkt hospitalisiert, geplant ist eine PCTA mit eventueller Stenteinlage.

  • Persönliche Anamnese: Infarkt und Vorderwand-Aneurysma mit Thrombus in der Anamnese, daher unter ASS und Phenprocoumon. ASS wg. Makrohämaturie abgesetzt, Verzicht auf Phenprocoumon nach Auflösung des Thrombus, und Wiederbeginn mit ASS. Als Ursache der urogenitalen Blutung wird ein Prostata-Adenom (210 ml) identifiziert, das vor einer weiteren kardiologischen Intervention entfernt werden muss.
  • Labor: Hb 117 g/l, CRP und GTP normal, Ferritin 13 mg/l, keine Niereninsuffizienz
  • Diagnose: Eisenmangelanämie, die vor der OP korrigiert werden muss.

Vor dem Griff zum Skalpell muss die Anämie korrigiert werden. Diese Forderung lässt sich heute mit modernen dextranfreien, konzentrierten i.v. Eisenpräparaten ohne weiteres erfüllen. Vor elektiven Eingriffen sollte der überweisende Arzt ein Blutbild machen und die häufig bestehende präoperative Anämie abklären Vor dem Griff zum Skalpell muss die Anämie korrigiert werden. Diese Forderung lässt sich heute mit modernen dextranfreien, konzentrierten i.v. Eisenpräparaten ohne weiteres erfüllen. Vor elektiven Eingriffen sollte der überweisende Arzt ein Blutbild machen und die häufig bestehende präoperative Anämie abklären und korrigieren.
Herr PD Dr. Schleiffenbaum, ist der geschilderte Fall nur eine ungünstige Konstellation im Einzelfall, oder sehen Sie diese Anämien häufiger?
So dramatisch präsentieren sich die Fälle nur selten. Durchaus an der Tagesordnung sind hingegen ältere chirurgische Patienten mit erheblichen internistischen Problemen, beispielsweise mit einer KHK, die keineswegs immer bekannt ist.

Wenn man einen anämischen Patienten trotzdem operiert, mit welchen Risiken muss man rechnen?

Bei einem Patienten mit gleichzeitig bestehender KHK, einer zerebrovaskulären oder pulmonalen Erkrankung, stellt die Anämie einen zusätzlich belastenden Faktor dar. Ältere anämische Patienten weisen eine erhöhte peri-operative Mortalität auf. Wichtig ist, dass diese Patienten häufiger transfundiert werden, was die Morbidität und Mortalität zusätzlich erhöht. Wenn das Hb bereits beim Eintritt tief ist und operationsbedingte Blutverluste die Anämie verschlimmern, sind Transfusionen nicht zu vermeiden. Doch neben den bekannten infektiologischen und immunologischen Risiken erhöhen Transfusionen an sich, wie neuere Studien zeigen, die Mortalität und Morbidität.3
korrigieren.

Gibt es Zahlen zur Morbidität, Mortalität und Dauer des Spitalaufenthalts nach Eingriffen bei anämischen Patienten?

Die Liegedauer kann sich um drei bis fünf Tage verlängern, abhängig vom jeweiligen Eingriff, verbunden mit erheblichen Mehrkosten. Morbidität und Mortalität können sich um 10 bis 30 % erhöhen.

Wie sind Sie beim Patienten vorgegangen? Wie wurde die Eisenmangelanämie korrigiert?

Bei diesem Fall bestand ein gewisser Zeitdruck, da mit dem urologischen und nachfolgenden kardiologischen Eingriff nicht zugewartet werden konnte. Ziel war  eine rasche Korrektur der Anämie mit i.v. Eisen. Die berechnete Dosis (zur Korrektur der Anämie, zur Auffüllung der Eisenspeicher und zum vorsorglichen Ausgleich der perioperativen Blutverluste) lag bei 2000 mg Eisencarboxymaltose. Aufgrund der kardialen Situation wurde der Hb-Anstieg mit Epoetin beta (EPO) beschleunigt (präoperatives Hb 154 g/l). Wenn bei elektiven Eingriffen in der Orthopädie ausreichend Zeit für die Anämiekorrektur eingeplant wird, kann in der Regel auf EPO verzichtet werden.

Wie war das Outcome, da doch eine komplexe Multimorbidität bestand?

Ohne kardial symptomatisch zu werden und ohne eine einzige Transfusion konnte der Patient mit einem Hb von 115 g/l die Klinik verlassen.

Stichwort «Patient Blood Management»: Ihr Appell an die Hausärzte?

Jeder Patient mit elektivem Eingriff, wie z.B. Hüft-, Knie- oder Schultergelenksersatz-OP,  sollte vorgängig auf eine Anämie abgeklärt werden. Das kann in über 90 % der Fälle der Hausarzt übernehmen – wobei die Abklärungen 6 Wochen vor der geplanten Operation erfolgen sollten, um auch noch Zeit für eine etwaige Therapie der Anämie zu lassen.

Besten Dank für das interessante Gespräch!

Referenzen

  1. Musallam KM et al., Lancet 2011; 378: 1396-1407.
  2. Spahn DR et al., Br J Anaesth 2012; 108: 889-892.
  3. Hébert PC et al., New Engl J Med 1999; 340: 409-417.

Studienhintergrund

  • Bereits eine leicht ausgeprägte Anämie erhöht die perioperative Gesamtmortalität um 41 %, und die anämiebedingte Komplikationsrate steigt um 31 %.1
  • Das Patient Blood Management ist essentiell und beruht auf drei Säulen:
    • Korrektur der präoperativen Anämie
    • Reduktion des perioperativen Blutverlusts
    • Optimiertes postoperatives Anämie-Management.2

Unser Experte:
PD Dr. Boris Schleiffenbaum  
Hämatologe
Klinik im Park, Zürich

Impressum | Idee und Konzeption: INTER MEDICAL • Objektleitung: Winfried Powollik • Autor: Dr. Renate Weber • Produktion: Dominique Hirter • Layout: Michael Köb • In Kooperation mit Vifor AG und B.Braun Medical AG • Online: www.medical-tribune.ch