15. Jan. 2014Wie häufig steckt aber eine Analfissur dahinter?

Analfissur – den Teufelskreis durchbrechen

Schmerzen bei der Defäkation sind das Leitsymptom der Analfissur. Im Akutfall ist der Stuhlgang extrem schmerzhaft und die krampfartigen Schmerzen können danach noch über Stunden anhalten. Bei chronischen Analfissuren sind die Beschwerden während der Defäkation weniger ausgeprägt, sie stellen sich oft erst hinterher ein. Typisch für Hämorrhoiden sind dagegen schmerzlose Frischblutabgänge, schreiben Dr. Martin Geyer von der Gastroenterologie Wettingen und Kollege.

Ursache der Analfissuren sind mehr oder weniger tiefe Einrisse der Haut, z.B. beim Absetzen von harten oder voluminösen Stühlen. Bei jeder Defäkation werden diese Wunden dann wieder aufgedehnt oder aufgerissen, was die Heilung erschwert.

90 % der Fissuren liegen dorso-median – wahrscheinlich weil die hintere Kommissur schlechter durchblutet wird. Ventrale Fissuren findet man häufiger bei Frauen, z.B. als Begleitphänomen bei Beckenbodenschwäche oder -senkung. Fissuren an anderen Stellen sollten an Ursachen wie Analverkehr, sexuellen Missbrauch oder venerische Erkrankungen denken lassen.

Proktoskopie auf jeden Fall, Koloskopie erst ab 40

Oft lässt sich die Diagnose schon durch eine perianale Untersuchung klären. Man findet meist eine typische „Wächtermariske“ und beim Spreizen des Anus wird die Fissur oft sichtbar. Die vorsichtige rektale Palpation ergänzt die äußere Inspektion – dabei lassen sich Strikturen und Sphinkterspasmus, aber auch tumorverdächtige Strukturen ertasten.

Eine Proktoskopie ist bei allen Patienten angezeigt – sie sollte aber erst nach Abklingen der akuten Schmerzsymptomatik erfolgen. Bei über 40-jährigen Patienten empfehlen die Autoren im Intervall eine vollständige endoskopische Untersuchung des unteren Gastrointestinaltraktes.

Vor der Therapie sollte ein Perianalabszess ausgeschlossen werden. Wichtige Hinweise liefert die Anamnese: Anders als bei der Fissur geben die Patienten einen Dauerschmerz an, der auch nachts anhält und nicht an die Defäkation gekoppelt ist. Eine weitere Differenzialdiagnose ist die Perianalthrombose, die sich meist schon auf den ersten Blick als druckempfindlicher, bläulich-livider Knoten am After erkennen lässt.

Die Therapie der Analfissur verfolgt drei Ziele: Die Relaxation des verkrampften Sphinkter ani, das Erreichen eines weichen atraumatischen Stuhlgangs und eine suffiziente Analgesie. Die Spinkter-Relaxation gelingt z.B. mit intraanal angewandter Nitroglyzerin-Salbe (0,2- oder 0,4%ig). In Untersuchungen ließ sich hiermit eine Heilungsrate von 49 % (vs. 36 % unter Placebo) erreichen, die Rezidivrate lag aber bei 50 %. Zudem klagen viele Patienten über Kopfschmerzen.

Eine Alternative zu Nitroglyzerin sind topische Kalziumantagonisten. Am wirkungsvollsten und gut verträglich scheint hier Nifedipin-Salbe mit einer Heilungsrate von 89 % zu sein, schreiben die Gastroenterologen. Auch Diltiazem-Salbe kann eingesetzt werden.

In der Akutphase duschen statt Toilettenpapier

Zur Stuhlregulierung gibt es entsprechende Laxanzien. Zur Schmerzbekämpfung hat sich die Anwendung von Lidocain-Gel oder -salbe bewährt, die kurz vor dem Stuhlgang erfolgen sollte. So lässt sich vor allem in der Akutphase der Teufelskreis aus Schmerz, Angst und Obstipa­tion unterbrechen. Die Analhygiene sollte bis zur Abheilung nur mit der Dusche erfolgen.

Falls dies alles innerhalb von acht Wochen nicht zum Erfolg geführt hat, kann die Applikation von Botulinumtoxin (off label) in Erwägung gezogen werden, um den Sphinkterspasmus zu durchbrechen. Kurzfris­tig (für sechs Monate) führt das in 60 bis 90 % der Fälle zur Heilung – eine Kombination mit topischen Vasodilatatoren hat sich bewährt. Einige Patienten berichten von einer geringen Inkontinenz für Winde. Eine weitere Möglichkeit, den Spasmus aufzuheben, ist die Ballondilatation mit einem Achalasieballon beim sedierten Patienten.

Versagt die konservative Therapie, kann bei schlechter Heilung und chronifiziertem Befund ein Fissur-Debridement sinnvoll sein, das heute meist mit der Botulinumtoxin-Therapie kombiniert wird. Die laterale Sphinkterotomie zur Durchbrechung eines therapieresistenten Spasmus erfolgt wegen des Inkontinenzrisikos (v.a. im Spätverlauf) nur noch in Ausnahmefällen.

Analfissur - bei Rezidiven sofort Lokaltherapie

Allen Therapieverfahren gemeinsam ist die hohe Rezidivrate. Die Patienten sollten daher lernen, das Problem frühzeitig zu erkennen und sofort mit der lokalen Therapie und der Stuhlregulation zu beginnen. Tauchen die Analfissuren immer wieder auf, muss auch eine Koordinationsstörung der abdominalen, rekto­analen und Beckenbodenmuskulatur ausgeschlossen werden. Bei solchen Dyssynergien kann ein Biofeedback-Training hilfreich sein.

Quelle:
Martin Geyer et al., Schweiz Med Forum 2013; 13: 752-755