14. Nov. 2012Der Pilzbefall

Achtung Kopfpilz, bei Jung und Alt!

Pilzbefall auf dem Kopf wird manchmal übersehen, oft fehlgedeutet und mitunter unnötig aggressiver Therapie zugeführt. Durch guten diagnostischen Blick lassen sich irreversible Kopfhautschäden vermeiden. Ein Experte informiert über wichtige Aspekte der Tinea capitis.

Grossmutter bürstet die Haar vom Enkelkind
iStock/middelveld

Pilzbefall: An Kopfhaut und Händen gleicher Erreger?

Die meisten Kollegen sortieren die „Tinea capitis“ automatisch ins Fachgebiet der Pädiater. Das ist nicht ganz richtig, denn der Kopfpilz betrifft zwar überwiegend 3- bis 8-jährige Kinder, tritt aber in Deutschland zunehmend auch bei älteren Menschen auf. So fand sich z.B. bei einem 83-Jährigen mit eitriger, verkrusteter Kopfhaut Trichophyton rubrum als Ursache.

Von einer primären Onychomykose der Fingernägel ausgehend hatte der Erreger den Kopf des Mannes befallen, wie Professor Dr. Pietro Nenoff vom Labor für medizinische Mikrobiologie in Mölbis in der Zeitschrift „Aktuelle Dermatologie“ berichtete. Als Ursache der Tinea capitis kommen die gleichen zoophilen Dermatophyten infrage, die auch bei Tinea corporis und Tinea faciei gefunden werden, so der Experte. Sie werden bei den verschiedenen Formen der Erkrankung unterschiedlich häufig angetroffen.

  • Vor allem Mikrosporum canis und Arthroderma benhamiae stecken hinter der Grey-Patch-Tinea, für die scheibenförmige, enthaarte, grau geschuppte Herde typisch sind. Die erythematösen, oft stark hyperkeratotischen, verkrusteten Areale wachsen zentrifugal und verursachen Juckreiz.
  • Bei der weniger entzündlichen Black-Dot-Form handelt es sich um einen Restzustand mit auf dem Hautniveau abgebrochenen Haarschäften. Ursächlich finden sich Infektionen mit Trichophyton tonsurans, T. interdigitale, T. soudanense und T. violacaeum.
  • Die sog. Pityriasis capillitii bezeichnet einen diffusen, schuppenden Befall mit nur geringer Entzündungsreaktion. Hervorgerufen wird sie beispielsweise durch T. tonsurans.
  • Die pustulöse Form zeichnet sich durch gelbliche Pusteln infolge mykotischer Follikulitis aus. Hier muss man prüfen, ob eventuell eine Superinfektion mit Staphylococcus aureus vorliegt.
  • Als Kerion Celsi bezeichnet man schließlich die Maximalvariante des Kopfpilzbefalls. Die tiefe abszessartige Infektion, die mit starken Schmerzen, Abgeschlagenheit und Halslymphknoten-Schwellung einhergeht, wird im Prinzip nur durch zoophile Dermatophyten, z.B. Stämme von T. interdigitale oder T. verrucosum hervorgerufen.
  • Eine Tinea capitis superficialis können dagegen auch anthropophile Dermatophyten hervorrufen. Diese Form imponiert wie eine Alopecia areata und verläuft meist trocken und nicht unbedingt stark erythematös, hyperkeratotisch und schuppend.

Trotz Verdacht auf bakterielle Erreger Pilzabstrich machen!

Manche Kinder erweisen sich nur als Träger von T. tonsurans und zeigen allenfalls eine diskrete Pityriasis capitis (s.o.). Nicht in die Irre führen lassen sollte man sich von bakteriellen Superinfektionen, warnte Prof. Nenoff. Oft resultiert daraus eine lokale oder systemische Antibiotikatherapie und auf den Pilzabstrich wird verzichtet.

Wenn die betroffenen Patienten Pech haben, landen sie sogar beim Chirurgen. Dann folgen operative Eingriffe von Inzisionen bis hin zur Abszessausräumung, was den Patienten durch guten klinischen Blick und mykologische Diagnostik hätte erspart werden können. 

Neue und alte Spezies im Aufwind

Seit wenigen Jahren befällt die Trichophyton-Spezies Arthroderma benhamiae zunehmend den Menschen. Sie verursacht hoch entzündliche Tinea-Formen bei Kindern, Jugendlichen und immunsupprimierten Patienten. Das Aufflammen der klassischen Mikrosporie – durch Microsporon andouinii, Erreger des „Waisenhaus-Pilzes“ im 18. und 19. Jahrhundert – wird der Einwanderungsbewegung aus afrikanischen Ländern zugeschrieben. 2011 kam es erstmals seit rund 50 Jahren zu Ausbrüchen in München und in Rheinland-Pfalz.

Quelle: Text und Abb.: P. Nenoff et al., „Dermatophyten- Infektionen der Haut, Haare und Nägel - ein Update“, Akt Dermatol 2012; 38: 347–359, Georg Thieme Verlag, Stuttgart