«Bei unerfülltem Kinderwunsch im Zweifel zum Spezialisten»
Hinter Problemen beim Schwangerwerden steckt manchmal etwas so Simples wie eine Störung der Schilddrüsenfunktion, zeigt Prof. Brigitte Leeners, Universitätsspital Zürich, auf. Schon der Hausarzt kann dabei mittels eines AMH-Tests ermitteln, ob ein Paar noch Zeit hat, oder ob der Weg direkt zu einer spezialisierten Kinderwunschberatung führen sollte.
«Bei Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch liegt das Problem in rund einem Drittel der Fälle auf Seiten der Frau, und in einem weiteren Drittel auf Seiten des Mannes», weiss Professor Dr. Brigitte Leeners, Direktorin der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am Universitätsspital Zürich. Beim restlichen Drittel ist es «Teamwork» und es gibt auf beiden Seiten Beeinträchtigungen.
«Bei Kinderwunsch sollte das TSH genau im Zielbereich sein»
Dabei stecken hinter Fruchtbarkeitsstörungen oft Probleme, die mit wenig Aufwand behoben werden können. Besteht etwa eine – mitunter nur leichte – Hypothyreose, kann das Konsequenzen für den Zyklus haben. Dieser kann dann unregelmässig ausfallen, oder zu kurz, zu lang oder gar nicht ablaufen. In der Züricher Klinik für Reproduktionsmedizin gehört daher die Abklärung der Schilddrüse dazu.
Der Einstiegswert ist dabei das TSH. «Dieses sollte wirklich genau im Zielbereich sein, damit sich eine Schwangerschaft etablieren kann», so die Expertin. Dabei kann es im Einzelfall auch nötig sein, einen nur grenzwertig erhöhten TSH-Wert – etwa zwischen 2,5 und 4,0 mU/l – mittels Thyroxingaben einzustellen. «Das gilt dann vor allem dann, wenn es noch weitere Anzeichen für Fruchtbarkeitsprobleme gibt, wie Zyklusunregelmässigkeiten.»
In der Klinik werden weiterhin die Schilddrüsenantikörper MAK (anti-TPO), TAK und TRAK untersucht, um auszuschliessen, dass eine die Schilddrüse betreffende Autoimmunerkrankung vorliegt. In Einzelfällen kann die Überweisung an einen endokrinologischen Internisten erfolgen.
Auffälliges Anti-Müller-Hormon: sofort zum Spezialisten
Oft vertrauen sich Paare mit Fruchtbarkeitsproblemen auch dem Hausarzt oder dem Gynäkologen an. Prof. Leeners empfiehlt, bei unerfülltem Kinderwunsch als erstes das Anti-Müller-Hormon (AMH) zu kontrollieren. «Dieser Wert gibt uns Aufschluss über die Eizellreserve einer Frau. Wenn der Zyklus unregelmässig ist, oder die Regelblutung auch einmal längere Zeit ausbleibt, kann das auch auf eine prämature Ovarialinsuffizienz hindeuten; diese Frauen kommen also frühzeitig in die Wechseljahre.»
Liegt der AMH-Wert oberhalb von rund 10 pmol/L, bedeutet das meist, dass noch eine Eizellreserve vorhanden ist, mit der ein Paar– möglicherweise mit einer begleitenden Beratung – oft ohne medizinische Hilfsmittel schwanger werden kann. «Auch ein leicht erniedrigter Wert ist kein Problem. Ist der AMH-Wert aber deutlich unter 10 pmol/L, sollte die Frau sofort an einen Spezialisten überwiesen werden», so Prof. Leeners.
Bei einer beginnenden primären Ovarialinsuffizienz lassen sich oft noch gute Erfolge bei einer Kinderwunschbehandlung erzielen. «Viel Zeit hat man dann aber nicht mehr.»
Deutlich erhöhtes AMH kann auf PCOS hindeuten
Und noch einen Auslöser für Zyklusstörungen zeigt das AMH an: Bei erhöhter Konzentration kann ein polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS) vorliegen. Dabei konkurrieren mehrere Eibläschen miteinander, und blockieren sich dadurch gegenseitig in ihrer Reifung. Liegt diese Vermutung nahe, ist eine Überweisung der Frau notwendig – entweder an ein Kinderwunschzentrum oder an einen Endokrinologen: «Bei Verdacht auf PCOS ist ein transvaginaler Ultraschall angezeigt, um die Anzahl der Eibläschen zu zählen. Darüber hinaus müssen weitere Hormone abgeklärt werden.»
Klare Aussagen für die Betroffenen
Wichtig ist für Prof. Leeners, dass Paare bald klare Antworten bekommen, warum es bei ihnen mit einer Schwangerschaft nicht klappt. «Für uns ist es vor allem immer sehr schade, wenn Probleme verschleppt werden», so Prof. Leeners. Betroffene Paare suchen oft erst spät ärztliche Hilfe, und landen dann häufig noch viel später beim Spezialisten. Bis dahin haben sie wertvolle Zeit verloren.
Scheu vor einem Kinderwunschzentrum müssen Patienten jedenfalls keine haben: «Kommen Paare zu uns, bekommen sie zuerst eine umfassende Beratung, gefolgt von einer sorgfältigen Abklärung.» Dabei wird neben dem Hormonstatus auch noch etwa ein Spermiogramm durchgeführt, beide auf Infektionen untersucht, und getestet, ob beide Eileiter der Frau durchgängig sind. Ist dann alles normal, hängt es unter anderem vom Alter ab, ob Frau Prof. Leeners und ihr Team eine Behandlung empfehlen: «Ist die Frau zwischen 30 und 35 Jahren alt, und das Paar versucht erst seit sechs bis 12 Monaten, schwanger zu werden, muss man nicht unbedingt sofort nachhelfen. Wenn eine 40-jährige in der gleichen Situation zu mir kommt, hat sie vielleicht nicht mehr ewig Zeit.»
Stellt sich im Zuge der Untersuchungen ein Grund für eine Unfruchtbarkeit heraus, so die Expertin, ist es vorrangig die Aufgabe einer guten Kinderwunschberatung, dem Paar die unterschiedlichen Möglichkeiten aufzuzeigen: «Unser Ziel ist, dem Paar eine gute Grundlage zu geben, damit es seinen Weg finden kann.»
Prof. Leeners sieht dann sowohl Paare, die sofort einer Kinderwunschbehandlung zustimmen, während andere sich dagegen entscheiden, mit dem Wissen, dass es auf natürlichem Wege nicht klappen wird. «Wichtig ist, dass es für das Paar stimmt.»
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