26. Sept. 2022Plötzliche Amenorrhö

Wie man Frauen mit primärer Ovarialinsuffizienz helfen kann

Setzt bei jungen Frauen unvermittelt die Menstruation aus, sollte ehestmöglich eine Abklärung auf prämature Ovarialinsuffizienz erfolgen. Denn bleibt eine solche unbehandelt, drohen weitreichende Folgen für Gesundheit und Fruchtbarkeit.

Kommen Frauen aufgrund einer primären Ovarialinsuffizienz in die Menopause, ist das für viele erst einmal ein grosser Schock
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Kommen Frauen frühzeitig in die Wechseljahre, ist das für viele ein grosser Schock.

«Bei sekundärer Amenorrhö sollten bei jungen Frauen grosszügig FSH und E2 bestimmt werden, um eine eventuelle prämature Ovarialinsuffizienz (POI) nicht zu übersehen», sagt PD Dr. Alexandra Kohl Schwartz, Leitende Ärztin Reproduktionsmedizin am Luzerner Kantonsspital.*

Frühe Wechseljahre sind meist ein grosser Schock

Das mittlere Menopause-Alter liegt in der Schweiz bei rund 51 Jahren. Ein Prozent der Frauen sind jünger als 40 Jahre, 0,1 Prozent jünger als 30 Jahre. Für den Zeitpunkt der Menopause spielen Ethnie und andere Faktoren eine Rolle. So kommen Afroamerikanerinnen am frühesten, Japanerinnen am spätesten in die Wechseljahre. Übergewichtige erreichen im Schnitt zwei Jahre später die Menopause als Normalgewichtige. Keine Assoziation besteht indes zum Alter der Menarche.

Kommen Frauen sehr früh in die Wechseljahre, ist dies für viele zunächst einmal ein grosser Schock. «Es ist deshalb wichtig, diese Patientinnen über die möglichen Ursachen, die Abklärung und die Therapiemöglichkeiten einer POI gut aufzuklären», so die Expertin.

Sorgfältige Anamnese kann Aufschluss über Hintergründe geben

Laut ESHRE (European Society of Human Reproduction and Embryology)-Leitlinien liegt eine sekundäre Amenorrhö bei Frauen unter 40 Jahren vor, wenn die Menstruation über vier Monate ausgeblieben ist und frühzyklisch ein FSH-Wert > 25 IU/l zweimal im Abstand von mindestens vier Wochen gemessen wird. «In der Praxis empfiehlt es sich, zwischen den beiden Messungen etwas mehr Abstand zu lassen, da vor allem bei Frauen, die eher 30 als 40 Jahre alt sind, eine Amenorrhö auch einmal transient sein kann», erläutert PD Dr. Kohl Schwartz.

Als Ursache für eine POI kommen iatrogene, genetische Gründe sowie Autoimmunerkrankungen in Frage. Auch die Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren kann die Fertilität frühzeitig beeinträchtigen. Diese möglichen Ursachen gilt es in der Anamnese zu erfragen und allenfalls mit gezielter Diagnostik leitliniengerecht abzuklären. «Bei vielen Frauen lässt sich keine Ursache finden oder es lässt sich an der Ovarialinsuffizienz nichts mehr ändern», erklärt die Expertin

Gesundheitliche Folgen wiegen schwer

Bleibt eine POI lange unbehandelt, sind die gesundheitlichen Folgen oft gravierend. Frauen, die schon unter 40 Jahren in die Menopause kommen und keinen Hormonersatz bekommen, haben im Alter von 64 Jahren ein um den Faktor 4,9 erhöhtes kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko», sagte PD Dr. Kohl Schwartz. Erhöht ist auch das Risiko für kognitive Beeinträchtigung und Demenz im Alter und für die Osteoporose.
Steht die Diagnose POI fest, ist eine Knochendichtemessung und – unabhängig vom Ergebnis – eine Substitution mit täglich 1000 mg Kalzium und 800 IU Vitamin D zu empfehlen, so die Referentin. Aus­serdem sollte die Patientin auf einen gesunden Lebensstil achten, sich regelmässig bewegen, ein Normalgewicht anstreben und nicht rauchen.

Hormonersatz bis zum Alter von 51 Jahren

Für die Behandlung der POI ist bis zum Erreichen des physiologischen Menopausenalters eine transdermale oder orale Hormonersatztherapie (HRT) indiziert. Bei einer Gebärmutter in situ braucht es zusätzlich noch eine Endometriumprotektion mit mikronisiertem Progesteron oder einem synthetischen Gestagen.

Besteht ein geringes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und/oder Mammakarzinom, ist laut PD Dr. Kohl Schwartz eine HRT mit bioidentischen Hormonen eine gute Option. «Aber auch alle anderen Präparate können nach Abklärung der Risikosituation der Frau verordnet werden», erklärte sie. Bei jüngeren Frauen ist zudem eine kombinierte Pille mit 30 µg Ethinyl­estradiol möglich.

Bei beginnender POI ist die Qualität entnommener Eizellen meist noch gut

Die Wahrscheinlichkeit, bei einer POI spontan schwanger zu werden, ist mit 5 % klein. Viele Frauen setzen deshalb auf eine In-vitro-Fertilisation. Eine gute Chance bietet die Eizellspende. Sie ist aber in der Schweiz verboten. Hat die Patientin noch einen Zyklus, kann eine IVF Naturelle eine gute Option sein. Bei der Methode wird eine im natürlichen Zyklus herangereifte Eizelle entnommen, mit einer ICSI fertilisiert und wieder eingesetzt. Das Verfahren eignet sich insbesondere für Frauen unter 35 Jahren mit beginnender POI, da bei ihnen die Eizellqualität in der Regel noch gut ist. Zur Vorbereitung kann eine Therapie mit 2 mg Östradiol über sechs Wochen durchgeführt werden.

*FomF Gynäkologie Update Refresher.