Bei lang anhaltenden Darmsymptomen auch auf Zöliakie testen
Die Zöliakie wird bei Erwachsenen häufig übersehen. Denn ihre oft unspezifischen Symptome erinnern eher an ein funktionelles Geschehen als an eine Autoimmunerkrankung. Umso wichtiger ist ein gezieltes Screening bei jedem mit unklaren chronischen Magen-Darm-Beschwerden.
Als klassische Symptome der glutensensitiven Enteropathie gelten Diarrhö, Steatorrhö, Gewichtsverlust und Wachstumsstörungen. Nicht klassisch, aber ebenfalls verdächtig sind Obstipation, Fatigue, (Eisenmangel-)Anämie, Osteoporose und rezidivierende Aphthen. Auch neurologische und dermatologische Manifestationen (Ataxie, Neuropathie, Dermatitis herpetiformis) können auf eine Zöliakie hinweisen.
Sicherheitshalber sol1lte bei allen Patienten mit länger als vier Wochen anhaltenden gastrointestinalen Beschwerden eine Zöliakie ausgeschlossen werden, fordern der pädiatrische Gastroenterologe Dr. James J. Ashton vom Southampton Children’s Hospital und Kollegen. Personen mit erhöhtem Risiko für eine glutensensitive Enteropathie (s. Kasten) wird das Screening ebenfalls empfohlen.
Dringliche Testindikationen
- anhaltende gastrointestinale Symptome (inkl. Diarrhö und Obstipation)
- persistierende Fatigue
- Gewichtsverlust
- rezidivierende Aphten
- Eisenmangelanämie
- Vitamin-B12- oder Folsäuredefizit
- Osteoporose
Eindeutige Diagnose mit Endoskopie plus Biopsie
Methode der Wahl ist der serologische Nachweis von IgA-Antikörpern gegen Gewebstransglutaminase. Dieser Test hat eine Sensitivität von 93 % und eine Spezifität von 98 %. Falsch negative Resultate beruhen meist auf einem IgA-Mangel oder einer unzureichenden Glutenaufnahme. Deshalb misst man zusätzlich das Gesamt-IgA. Patienten, die sich bereits glutenfrei ernähren, müssen mindestens vier Wochen vor dem Test täglich 3 g des Klebereiweisses zu sich nehmen (z.B. zwei Scheiben Brot).
Bei normalen IgA-Spiegeln, aber grenzwertigen oder leicht erhöhten Transglutaminase-Ak empfehlen die Autoren einen Test auf Endomysium-Antikörper. Allerdings schliesst ein negatives Ergebnis die Zöliakie nicht aus. Im Fall eines IgA-Mangels kann die Bestimmung der IgG-Antikörper gegen Transglutaminase, Endomysium und Gliadin weiterhelfen.
Patienten mit dringendem Zöliakie-Verdacht trotz negativem Transglutaminase-Test sollte man zwecks endoskopischer Diagnostik zum Spezialisten überweisen. Vor allem bei neurologischen oder dermatologischen Symptomen darf die Labordiagnostik diesen Schritt nicht verzögern.
Die definitive Diagnose gelingt im Erwachsenenalter nur mittels Endoskopie und Biopsie (mindestens vier Gewebeproben). Auch die Histologie ist nur interpretierbar, wenn sich der Betroffene in den vorangehenden vier Wochen glutenhaltig ernährt. Als pathognomonisch gelten duodenale Zottenatrophie, Kryptenhyperplasie und eine Vermehrung intraepithelialer Lymphozyten. Letztere kommt allerdings auch bei zahlreichen anderen Erkrankungen vor (z.B. chronische Infektionen, M. Crohn) und beweist deshalb als Einzelbefund noch keine Zöliakie.
Der Stellenwert der HLA-Typisierung wird derzeit noch kontrovers diskutiert. Am ehesten kommt die genetische Untersuchung zum Einsatz, wenn trotz Serologie und Histologie noch Zweifel an der Diagnose bestehen. Dabei macht man sich zunutze, dass (wahrscheinlich) alle Zöliakie-Kranken die Haplotypen HLA-DQ2 bzw. HLA-DQ8 aufweisen. Allerdings finden sich diese bei 25–35 % der europäischen Bevölkerung. Ein positiver Befund hat also eine hohe Sensitivität, aber nur eine geringe Spezifität. Ein negativer Test schliesst die Entwicklung einer Zöliakie lebenslang aus, was für Risikokandidaten besondere Bedeutung hat. Personen, die eine erneute Glutenaufnahme zu Testzwecken ablehnen, können von der HLA-Typisierung ebenfalls profitieren.
Mit dem Nachweis der Zöliakie und der Umstellung auf eine glutenfreie Kost ist es nicht getan. Um Spätschäden von der Osteoporose bis zum gastrointestinalen Non-Hodgkin-Lymphom zu verhindern, empfehlen die Autoren regelmässige Kontrollen der Transglutaminase-Antikörper, zunächst alle sechs bis zwölf Monate, später im Abstand von ein bis zwei Jahren.
Risikokandidaten für Zöliakie
- Patienten mit Typ-1-Diabetes
- Patienten mit Autoimmunerkrankung, v.a. der Schilddrüse
- Frauen mit ungeklärter Infertilität
- Verwandte 1. Grades von Zöliakiepatienten
- Personen mit Turner- oder Down-Syndrom
Mikronährstoffe und Leberwerte checken
Bei persistierend erhöhten Werten muss man an eine (versehentliche) Glutenaufnahme denken. Eine negative Serologie schliesst Diätfehler aus. Zum Nachweis einer Malnutrition sollten Leberwerte, Vitamin D und Kalzium sowie Blutbild und Eisenparameter überwacht werden, eventuell noch Vitamin B12 und Folsäure. Je nach Fall gehört zum Check auch eine Knochendichtemessung sowie der Ausschluss weiterer Autoimmunerkrankungen.
Quelle: Ashton JJ et al. BMJ 2020; 369: m2176; doi: 10.1136/bmj.m2176