«Haufenweise Evidenz für ungünstige pulmonale Effekte»
Joints schaden der Gesundheit weniger als Zigaretten, sagen jene, die Cannabis legalisieren wollen. Vermutlich ist an diesem Argument etwas dran – doch harmlos wird der Marihuana-Genuss deshalb noch lange nicht.
In den USA hat jeder zweite Bundesstaat Marihuana zumindest für medizinische Zwecke legalisiert. Jeder fünfte US-Bürger lebt in einer Region, wo es auch als Entspannungsdroge verkauft werden darf, berichtete Professor Dr. Ellen Burnham, University of Colorado, Denver. Zumeist wird Cannabis geraucht, aber in einem Survey wurden alle möglichen Konsumformen genannt, darunter Kekse, Limos, Wasserpfeife und E-Zigarette. «Auch bei Marihuana floriert der Device-Markt», konstatierte Prof. Burnham. Der THC-Gehalt der Produkte wechselt erheblich und ist für den User nicht immer auf Anhieb ersichtlich.
Dass Cannabiskonsum negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben kann, ist durchaus bekannt. Tatsächlich verzeichnen die US-Behörden parallel zum vermehrten Gebrauch eine Zunahme Cannabis-assoziierter psychischer Störungen. Über die potenziell negativen Effekte auf die physische Gesundheit weiss man dagegen noch nicht allzu viel. Erzeugt Cannabis-Rauch organische Erkrankungen wie Lungenemphysem und Bronchialkarzinom? Bergen stärker konzentrierte Produkte höhere Intoxikationsrisiken? Und wie steht es um die immunmodulatorischen Effekte?
Mehr Lungenkrebs bei jungen Konsumenten?
Prinzipiell enthält Cannabis-Rauch die gleichen Inhaltsstoffe wie der von Zigaretten – kein Wunder also, dass er ähnliche Schadwirkungen erzeugt. «Es gibt haufenweise Evidenz für ungünstige pulmonale Effekte», sagte Professor em. Dr. Donald Tashkin, University of California, Los Angeles. Bronchitische Symptome wie Husten, Auswurf und Giemen waren in nahezu allen Studien vermehrt nachweisbar. Histologische Untersuchungen zeigen zudem, dass das zilientragende Epithel bei chronischem Cannabiskonsum durch andere Zellen ersetzt wird. Allerdings scheint die Lungenfunktion weniger stark zu leiden: Nur eine von zwölf Studien zeigte einen Abfall des FEV1, der aber geringer ausfiel als bei normalen Zigaretten. Das Rauchen von Cannabis scheint auch die Progredienz der COPD nicht wesentlich zu beschleunigen.
Die Ergebnisse zum Bronchialkarzinom-Risiko sind inkonsistent, so Prof. Tashkin. Es gibt Fallserien, die andeuten, dass unter jungen Cannabis-Rauchern ungewöhnlich viele Krebserkrankungen der Lunge und der oberen Atemwege auftreten. Auf der anderen Seite scheinen THC und andere Cannabinoide sogar Anti-Tumor-Effekte auszuüben – allerdings bisher nur in vitro und im Tiermodell. Ein abschliessendes Urteil, ob Cannabis harmloser oder gefährlicher als gewöhnlicher Tabak ist, lässt sich aus den bisherigen Ergebnissen jedenfalls nicht ableiten, zumal die untersuchten Populationen aus relativ jungen Menschen mit kurzer Expositionszeit bestanden. Ob die Ergebnisse auf ältere Raucher mit Langzeit-Cannabiskonsum übertragbar sind, darf bezweifelt werden.
Cannabinoid-Rezeptoren vom Typ 2 – dem peripheren Typus – finden sich auf vielen Immunzellen, besonders stark exprimiert auf B-Lymphozyten, aber auch auf natürlichen Killerzellen und Monozyten. Durch Cannabis aktivierte Rezeptoren regulieren die Aktivität dieser Zellen herunter, was zwar einen antiinflammatorischen Effekt hat, aber Infektionen begünstigen könnte. Hohe THC-Dosen führen zudem zu mitochondrialer Entkopplung und Zelltod. Dadurch wird die Entwicklung maligner Erkrankungen womöglich gefördert, gab Professor Dr. Michael Roth, University of California, Los Angeles, zu bedenken. Untersuchungen an HIV-Infizierten zeigten keine signifikanten Unterschiede bei Immunzellzahlen und Viruslast zwischen regelmässigen Cannabis-Konsumenten und Abstinenten. Denkbar wäre jedoch, dass die THC «schlummernde» Immunzellen in Ruhe lässt und sich nur auswirkt, wenn die Zellen immunologisch gefordert sind.
Unter dieser Vorstellung wurde eine Hepatitis-B-Impfstudie aufgesetzt. Rund um jeden der drei Impf-Termine bekam die Hälfte der Teilnehmer mehrere Joints zu rauchen. Letztlich gab es numerisch etwas mehr Non-Responder unter den Kiffern. Allerdings war die Studie mit 16 Teilnehmern zu klein, um schlüssige Ergebnisse zu liefern. Alles in allem scheint Cannabis in vivo keine so ausgeprägten Immuneffekte zu entfalten, dass sie sich therapeutisch nutzen liessen oder Schaden anrichten, resümierte Prof. Roth.
Fallberichte über invasive Aspergillosen
Gefahr droht möglicherweise aus einer ganz anderen Ecke. Neue Daten zeigen, dass Marihuana häufig mit einer bunten Mixtur von Mikroben kontaminiert ist. E. coli, Klebsiellen, Pseudomonas und diverse Pilze lassen sich darin finden. Es gibt Fallberichte über Cannabis-Raucher mit Immunschwäche, die an invasiven pulmonalen Aspergillosen erkrankten. Grund ist vermutlich, dass Cannabinoide die alveolären Makrophagen ausschalten.
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