Neue Zeiten für die Behandlung?
Interview mit Prof. Dr. Viola Heinzelmann, Basel.
Medical Tribune: Frau Prof. Heinzelmann, was halten Sie von der SOLO-1-Studie?
Bemerkenswert finde ich, dass im Olaparib-Arm das mediane progressionsfreie Überleben nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 41 Monaten noch nicht einmal erreicht wurde. Sicherlich ist hierbei die Substanz, die gezielt bei Patientinnen mit BRCA-Mutation zum Einsatz kommt, essenziell. Dann ist es aber auch die Tatsache, dass diese Patientinnen überhaupt eine Erhaltungstherapie erhalten haben – das war ja bisher nicht der Standard.
Kann man Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom jetzt sagen, sie könnten geheilt werden?
Auch mit den bisherigen Standardtherapien gibt es eine realistische Chance, insbesondere nach einer erfolgreichen Primäroperation, wenn der Tumor makroskopisch vollständig entfernt werden konnte. Inwieweit eine Therapie mit Olaparib die Überlebenschancen für Patientinnen mit BRCA-Mutation verbessert, kann noch nicht abschliessend beurteilt werden, weil wir die Daten hierzu noch nicht haben. Die Ergebnisse sind aber vielversprechend und damit beginnt sicher eine neue Ära der Therapie, nämlich der Fokus auf die sogenannte Erhaltungstherapie nach Ende der Chemotherapie. Dies ist der eigentliche Fortschritt. Olaparib ist das zweite Medikament nach Bevacizumab, das hier getestet wurde und das bislang den grössten Benefit gezeigt hat.
Beim Mammakarzinom gibt es schon länger zielgerichtete Therapien, die das Überleben deutlich verbessert haben. Warum ist das beim Ovarialkarzinom nicht so?
Beim Mammakarzinom wurden auch in den letzten Jahren Signalwege identifiziert, die effektiv unterbunden werden können – beim Ovarialkarzinom kennen wir diese Wege noch nicht gut genug. Für die Mehrzahl der Brustkrebs-Patientinnen spielen zudem Resistenzmechanismen gegen Chemotherapien keine Rolle, während Ovarialkarzinome häufig gegen die Standardchemotherapien resistent werden.
Was sagen Sie Patientinnen, die jetzt auch mit Olaparib behandelt werden möchten?
Ich bekräftige sie darin, dass dies eine sehr gute Option ist und schlage – wie bereits Standard bei uns – eine genetische Beratung vor. Beim Vorliegen einer BRCA-Mutation ist die Erhaltungstherapie mit Olaparib die Therapie der Wahl.
Wie sehen Sie die Zukunft der Ovarialkarzinom-Behandlung?
In der Zukunft wird – ähnlich wie beim Brustkrebs – die Erhaltungstherapie nach Chirurgie und Chemotherapie die dritte wesentliche Säule in der Therapie werden. Dies führt unweigerlich zu einer grossen Kostenexplosion für unser Gesundheitssystem und wird wahrscheinlich nicht allen Patientinnen weltweit offenstehen. Patientinnen mit einer BRCA-Mutation zu erkennen und sie genetisch zu beraten, ist das wichtigste Mittel zur Prävention, was uns aktuell zur Verfügung steht. In Zukunft werden wir vermutlich Erkrankungen nicht nur nach dem Organ behandeln, sondern nach der Genetik. Es wird nicht mehr Organ-basierte Tumorboards geben, sondern molekulare, fachübergreifende Tumorboards. Jetzt bin ich aber erst einmal sehr erleichtert, dass wir auch beim Ovarialkarzinom endlich eine Erhaltungstherapie haben – bei Brustkrebs machen wir das seit Dekaden mit Anti-Hormonen. Es war höchste Zeit für solch eine Studie und ich freue mich für all unsere Patientinnen, denen wir jetzt eine Erhaltungstherapie mit Olaparib anbieten können.
Vielen Dank für das Gespräch.