29. Jan. 2019Diagnose mit dem Smartphone

Teledermatologie kann bei richtiger Anwendung enorm nützlich sein

Ein junger Dermatologe vom UniversitätsSpital Zürich hat auf der IFAS – der Fachmesse für den Gesundheitsmarkt – einen Innovationspreis für sein Portal «derma2go» gewonnen. Damit sollen Patienten eine dermatologische Diagnose schnell und unproblematisch über das Internet bekommen. Portalgründer Dr. Christian Greis sieht darin ein grosses Potenzial, doch Experten aus dem In- und Ausland warnen vor unkritischem Einsatz.

«Schnelle Hilfe für Ihre Haut» – das verspricht das Online-Portal derma2go. Der Patient macht ein Foto von seinem Hautproblem, lädt die Bilder hoch, beantwortet ein paar Fragen, und innert 24 Stunden soll er für 75 Franken eine Diagnose haben. Dr. Greis, Assistenzarzt auf der Dermatologie am UniversitätsSpital Zürich, hat derma2go ins Leben gerufen und dafür kürzlich einen Preis bei der «IFAS Innovation Challenge» gewonnen, einer Initiative zur Förderung von Innovationen im Schweizer Gesundheitswesen.

«Teledermatologie, ausgeübt von Experten und mit guter Bildqualität, kann den Besuch beim Spezialisten nicht voll ersetzen», sagt Professor Dr. Peter Schmid-Grendelmeier, Leitender Arzt auf der Dermatologie am UniversitätsSpital Zürich, «aber in vielen Fällen eine wichtige Vorberatung oder Triagefunktion erfüllen.»

In der Sprechstunde habe er gemerkt, dass standardisierte, gesicherte Kommunikationswege zwischen Arzt und Patient im Zeitalter der Digitalisierung neu geschaffen werden müssen, erläutert Dr. Greis. Zum einen fragen ihn Patienten immer öfter via E-Mail, WhatsApp oder SMS um Rat, zum anderen zeigen ihm viele Patienten in der Sprechstunde Fotos, die sie von ihrem Hautproblem mit dem Handy  aufgenommen haben. Warum sollte man nicht die Anfragen über ein Online-Portal kanalisieren? Der junge Dermatologe brachte sich selbst das Programmieren bei, und nach sechs Monaten nächtefüllendem Programmieren war vor zwei Jahren aus einer einfachen Homepage ein Prototyp von derma2go entstanden.

Bei den Patienten ist das Interesse gross, vor allem bei denen unter 50 Jahren, wie Greis herausgefunden hat.1 76 Prozent von 841 dermatologischen Patienten interessierten sich für digitale Dienstleistungen als Teil der Arztbetreuung – doch nur 41 Prozent würden elektronisch Fotos ihrer Haut versenden. Die meisten (91 Prozent) würden gerne Termine online vereinbaren und viele (77 Prozent) ihr Rezept auf elektronischem Wege erhalten. Nur jeder Dritte wollte online beraten werden, und zwei von drei Patienten würden die Online-Konsultationen selbst bezahlen.

Entwicklung eines eigenen Systems ist zu aufwendig

Teledermatologie kann auf diverse Arten eingesetzt werden, etwa als App zur regelmässigen Dokumentation von Muttermalen, zur Beratung bei der Pflege chronischer Wunden («Televisite»), zur automatischen Terminerinnerung oder für die Aufklärung zur Gesundheitsprävention. In der Schweiz gibt es noch andere Online-Dermatologie-Beratungen, zum Beispiel am Inselspital Bern. Der Patient kann hier auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Italienisch innert 24 Stunden eine dermatologische Meinung einholen. «Für viele Kollegen in der Praxis ist es aber zu aufwendig oder zu teuer, ein eigenes System zu entwickeln», sagt Dr. Greis. «Bei Derma2go braucht der Arzt kein eigenes Portal, sondern sich nur zu registrieren. Wir helfen den Kollegen auch, ihre eigene personalisierte Online-Praxis aufzubauen.»

Online-Befunde und Therapievorschläge sind vergleichbar mit denen, die der Arzt persönlich erhebt – so das Fazit einer Leitlinie dreier deutscher dermatologischer Gesellschaften aus 202 Studien.2 In 138 Studien wurde der Teledermatologie bescheinigt, sie sei «wirksam und anbindungsfähig», in 34 war sie der klassischen Konsultation überlegen, in 25 gleichwertig und in 15 unterlegen. Ob sie sich auch ökonomisch auszahlt, ist noch nicht genügend untersucht.

«Teledermatologie wird in absehbarer Zeit zum dermatologischen Alltag gehören», zeigt sich Dr. Alexander Zink, Oberarzt auf der Dermatologie an der Technischen Universität München, überzeugt. Er hat an der Leitlinie mitgeschrieben. Er warnt aber davor, der Technik pauschal einen generellen Nutzen zu bescheinigen. «Dermatologie ist mehr als nur ein paar Fotos und ein paar Antworten», sagt er. «Eine individualisierte Therapie ist nur möglich, wenn man den gesamten Menschen wahrnimmt.»

Der Patient sieht nur, dass er etwas Auffälliges auf der Haut hat. Mit welchem diagnostischen Prozess der Arzt aber zu der Diagnose kommt, weiss er nicht. In manchen Fällen kann das Portal besser sein als ein klassischer Arztbesuch, so wie neulich bei einer Patientin von Prof. Schmid-Grendelmeier: Eine Frau schickte ihm ein Foto mit Flecken auf dem Bauch und eine Skizze (s. Abb.) und berichtete ihm von «unerträglichen, noch nie dagewesenen Schmerzen» in der Flanke. Für den Dermatologen war die Diagnose mit ein paar Rückfragen klar: Die Frau hatte einen Herpes Zoster. Per E-Mail schickte er ein Rezept für ein Virostatikum und Schmerzmittel. Einige Stunden später ging es der Frau besser und weitere Flecken traten nicht mehr auf. Der Patient müsse aber wissen, sagt Dr. Zink, dass er oft halt doch nicht um den Arztbesuch herumkomme, etwa bei einer erythematösen Plaque: «Das kann von Psoriasis über Ekzem oder einem T-Zell-Lymphom alles Mögliche sein.»

Ist die Sicherheit der Daten ein Problem?

Auch die Datensicherheit könne ein Problem sein: «Die Bilder lassen sich via Kreditkartendaten problemlos einer Person zuordnen. Kommen die Bilder in die Hände von Versicherungen, könnten diese ihre Beiträge erhöhen oder bestimmte Patienten ausschliessen.» Die Fotos könnten auch zweckentfremdet werden und als Nacktfotos im Internet erscheinen. «In Europa diskutieren wir über die neue strenge Datenschutz-Verordnung, und hier haben Patienten kein Problem, Fotos von ihrem Körper online zu verwenden», sagt Dr. Zink. Der Datenschutz habe oberste Priorität, versichert derma2go-Gründer Dr. Greis. «Unsere Daten werden verschlüsselt übermittelt und auf gesicherten Servern hinterlegt. Zugang bekommt der Arzt nur via Two-Factor-Authentification, ähnlich wie beim Online-Banking.»

Wäre er niedergelassener Dermatologe, würde er das Portal nutzen, sagt Professor Dr. Marcus Maurer, Oberarzt an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charité – Universitätsmedizin in Berlin. «Viele Patienten bekommen keinen zeitnahen Termin beim Dermatologen oder wohnen zu weit weg. Oft ist es aber wichtig, die Diagnose früh zu stellen, um eine Chronifizierung zu verhindern – zum Beispiel bei Psoriasis oder Neurodermitis. Abgesehen von den medizinischen Konsequenzen leidet der Patient enorm, wenn die Diagnose verschleppt wird.» Auch wenn der Patient für die genaue Diagnose doch den Arzt aufsuchen müsse, bekomme er zumindest rasch einen Rat vom Dermatologen, ob Eile geboten sei oder nicht, so Prof. Maurer. «Richtig angewendet, kann Teledermatologie enorm nützen.»

Quellen:

  1. Greis C et al. J Dermatol Treat. 2018; 29(7): 643–647.
  2. Augustin M et al. J Dtsch Dermatol Ges. 2018 ; 16 Suppl 5: 6–57.