Nach Urolithiasis jeden Stein umdrehen
Mit einer Prävalenz von 5 % der Bevölkerung lässt sich die Urolithiasis heute als Volkskrankheit bezeichnen. Die Häufigkeit hat von 1979 bis 2000 um das Dreifache zugenommen. Auch die Rezidivrate hat sich verdoppelt, berichtete Professor Dr. Walter Ludwig Strohmaier von der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Regiomed-Klinikum Coburg. Als mögliche Gründe nannte der Urologe die zahlreichen Restfragmente nach der immer häufiger angewandten extrakorporalen Lithotripsie (ESWL), zunehmende schlechte Ernährungsgewohnheiten und das heissere Klima. Nicht zuletzt trage aber auch eine unzureichende Metaphylaxe zu dem Anstieg der Erkrankungszahlen bei.
Bekannt ist, dass sich die Rezidivrate durch eine geeignete Sekundärprävention auf circa 10 % senken lässt. Da das Risiko für einen Relaps und die Nachsorgemassnahmen von der Beschaffenheit der Konglomerate abhängen, sollte man sich den Stein zunächst gründlich ansehen. Generell gelten für alle Patienten mit Urolithiasis die Empfehlungen: erhöhte Flüssigkeitszufuhr über den Tag verteilt bis zu einer Urinproduktion von 2–2,5 l/d, körperliche Bewegung sowie gesunde Mischkost.
Kalziumoxalatsteine: Bei diesen Urolithen liegt das Rezidivrisiko bei 30–40 %. Am höchsten ist es in den ersten fünf Jahren nach dem ersten Stein und in über 50 % der Fälle bleibt es bei einem einzigen Rückfall. Daher reicht es aus, eine spezielle Nachbehandlung auf bestimmte Risikofaktoren wie multiple Steine, untere Kelchsteine, Restfragmente nach ESWL, frühe Erstepisode, familiäre Belastung und Komplikationen bei der Steinentfernung zu begrenzen. Zur Metaphylaxe können bei idiopathischen Steinen Alkalizitrate oder Hydrochlorothiazid zur Harnalkalisierung eingesetzt werden. Ausserdem sollten die Aufnahme oxalathaltiger Lebensmittel reduziert und die von tierischem Eiweiss auf 150 g/d beschränkt werden. Die Purinzufuhr sollte weniger als 500 mg/d betragen, die Kalziumzufuhr bei 800–1000 mg/d liegen.
Kalziumphosphatsteine: Für Apatitsteine gelten im Prinzip die gleichen Regeln wie für Kalziumoxalatsteine. Brushitsteine sind dagegen besonders rezidivfreudig. Häufig werden sie durch einen primären Hyperparathyreoidismus oder eine renale tubuläre Azidose verursacht. Die Behandlung besteht je nach Ursache in einer operativen Entfernung der Nebenschilddrüse oder in der Gabe von Alkalizitrat.
Infektsteine (5–15 %): Bei der Therapie dieser Konglomerate steht die komplette Steinsanierung mit Beseitigung von Harnabflusshindernissen und Keimsanierung (niedrig dosierte Antibiotikagabe über mehrere Wochen) im Vordergrund, um die sehr hohe Rezidivrate zu senken. Zusätzlich kann eine Harnansäuerung mit Methionin (2–3 × 500 mg/d) und eine ansäuernde Ernährung sinnvoll sein, so Prof. Strohmaier.
Harnsäuresteine (5–15 %): Den Patienten sollte eine purinarme Ernährung ans Herz gelegt werden. Ausserdem empfiehlt sich eine Alkalisierung des Harns (bis pH 6,2–6,8) und bei hohen Harnsäurespiegeln in Blut und Urin eine Therapie mit Allopurinol. So lässt sich die Rezidivrate nahezu auf null senken.
Zystinsteine (ca. 1 %): Die Rezidivrate liegt bei bis zu 90 %. Die Metaphylaxe verlangt den Patienten einiges ab: Die Harnausscheidung sollte bei 3 bis 3,5 Litern am Tag liegen, was auch regelmässiges nächtliches Trinken erforderlich macht. Ausserdem muss der Harn mit Alkalizitraten alkalisiert werden (pH ≥ 7,5). Zur Senkung der Zystinurie wird die Gabe von Tiopronin (250–2000 mg/d) empfohlen. Die Ernährung sollte natriumarm sein.
70. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie