26. Okt. 2018Bei sinkender GFR nicht automatisch die RAAS-Inhibitoren absetzen!

Nierenstreik bei Herzinsuffizienz

Die Niereninsuffizienz zählt zu den häufigsten Komorbiditäten der chronischen Herzinsuffizienz (CHF). Mehr als die Hälfte der Patienten hat eine moderat bis stark reduzierte glomeruläre Filtrationsrate (GFR) – das sind zehnmal so viele wie in der Durchschnittsbevölkerung. Auch eine Albuminurie kommt überdurchschnittlich häufig vor. Die Zahlen bei CHF mit reduzierter oder erhaltener Ejektionsfraktion unterscheiden sich dabei kaum, berichtete Dr. Kevin Damman von der Universität Groningen.

Das wichtigste Verbindungsglied zwischen Herz- und Niereninsuffizienz liegt in der Hämodynamik: Das verminderte Herzminutenvolumen führt zur Reduktion der renalen Perfusion. «Das ist die treibende Kraft hinter dem ganzen Prozess», betonte der Kardiologe. Die Niere beantwortet die sinkende Blutzufuhr durch Dilatation der zuführenden Arteriolen und Konstriktion der efferenten Gefässe, um die GFR aufrechtzuerhalten.

Eine zentrale Rolle in der Pathophysiologie spielt der renale Venendruck, der infolge der verminderten Herzleistung ansteigt. Das führt dazu, dass die Tubuli kollabieren, wenn der interstitielle Druck im Nierengewebe den hydrostatischen Druck im Tubulus übersteigt. Die Folgen sind letztlich eine verminderte Filtrationsleistung der Niere und eine reduzierte Natrium- und Wasserexkretion.

Nierenfunktion nicht das Mass aller Dinge

Die Prognose von CHF-Patienten verschlechtert sich dramatisch, wenn die Niere ihre Funktion einbüsst. Schon eine Verschlechterung der Nierenfunktion verdoppelt die Sterblichkeit nahezu, eine manifeste Niereninsuffizienz steigert sie auf das 2,5-Fache.

Trotzdem: «Kümmern Sie sich nicht um die Nierenfunktion, oder halten Sie sich nicht zu sehr daran fest», meinte Dr. Damman. Vor allem dürfe der Gedanke an die Nierenfunktion nicht davon abhalten, Patienten mit CHF adäquat zu therapieren. Das «kardiorenale Syndrom» sei zwar ein prima Terminus, um Aufmerksamkeit zu wecken. Es helfe aber im Einzelfall nicht, die richtige Therapie zu wählen, «denn nicht jede Nierenfunktionsstörung bei CHF ist gleich und vice versa», betonte der niederländische Kollege.

Prinzipiell steigt zwar mit dem Serumkreatinin das Risiko – auch bei Patienten, die mit RAAS-Inhibitoren behandelt werden. Die europäische Leitlinie rät daher, bei einem Kreatininanstieg um mehr als 50% oder einem GFR-Abfall auf unter 25 ml/min/1,73m2 die ACE-Hemmerdosis zu halbieren und bei sehr starken, steilen Veränderungen den ACE-Hemmer abzusetzen. Eine Metaanalyse1 placebokontrollierter Studien ergab jedoch, dass Patienten von RAAS-Inhibitoren sogar noch stärker profitierten, wenn die Nierenfunktion sich nach Therapiebeginn verschlechtert hatte. Das Sterberisiko sank um 28%, bei gleichbleibender Nierenleistung aber nur um 9% (beides signifikant aufgrund der grossen Patientenzahlen). «Das sollten Sie bedenken, wenn Sie bei einem CHF-Patienten unter RAAS-Blockade einen Kreatininanstieg sehen», betonte Dr. Damman.

Der ARNI Sacubitril/Valsartan, der zusätzlich zur AT1-Blockade auch den Abbau der natriuretischen Peptide hemmt, wirkt nicht nur kardio-, sondern auch nephroprotektiv, wie Dr. Dammans eigene Post-hoc-Analyse2 der Zulassungsstudie PARADIGM-HF zeigt. Unter dem ARNI nahm die GFR signifikant langsamer ab als unter dem ACE-Hemmer Enalapril, auch bei Patienten, die schon zuvor eine Niereninsuffizienz hatten. Insgesamt gibt es für alle Standardtherapien bei CHF vom Betablocker über RAAS-Inhibitoren bis hin zur Deviceimplantation starke Evidenz für einen kardioprotektiven Effekt bis zur Niereninsuffizienz Grad 3. Bei diesen Patienten sollte man sich sehr gut überlegen, prognoserelevante Medikamente abzusetzen, nur weil die Nierenfunktion nachlässt.

Heart Failure 2018

1. Clark H et al. Eur J Heart Fail 2014; 16: 41–48.

2. Damman K et al. JACC Heart Fail 2018; 6: 489–498.