15. Juni 2018Die pulsierenden Kopfschmerzen

Wirkt auch prophylaktisch: ein Espresso und dann ab ins Bett

Man konnte fast die Uhr danach stellen: Pünktlich zwischen halb eins und drei Uhr in der Nacht meldeten sich bei der 79-jährigen Patientin seit eineinhalb Jahren die pulsierenden Kopfschmerzen. Stets traten sie einseitig auf und holten die Frau gleich mehrmals pro Woche aus dem Schlaf.

Hinzu kam noch eine leichte Übelkeit. Vielleicht hatten die Kollegen auch deshalb zunächst auf eine chronifizierte Migräne nach Medikamentenübergebrauch getippt, schliesslich hatte die Patientin schon im jungen Erwachsenenalter unter der Krankheit gelitten. Einen Gefallen getan hatten sie ihr damit nicht: In der Rehaclinic Bad Zurzach landete sie schliesslich, weil die Beschwerden trotz diverser Therapien nicht besser wurden. Nach multimodalem Schmerzprogramm und 200 mg Koffeintabletten zur Nacht seien die nächtlichen Anfälle dann aber komplett verschwunden, berichten Margarida Clamote und ihre Kollegen von der Abteilung für Neurorehabilitation der Klinik. «Der Nachtschlaf verlief erholsam bis auf zwei Tage, als die Patientin probatorisch das Koffein weggelassen hatte.»

Derartige Fälle seien selten, gehörten aber zu einem anerkannten, erst 1988 beschriebenen Krankheitsbild: dem primär schlafgebundenen Kopfschmerz. «Gewöhnlich beginnt er ab einem Alter von über 50 Jahren», schreiben die Autoren, Frauen seien etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Typisch ist eine einzige Episode pro Nacht, oft stets zur gleichen Zeit, die sich sowohl bilateral als auch ein­seitig mit mässiger Intensität bemerkbar macht.

Migränöse Symptome wie Übelkeit, Phono- und Photophobie könnten in etwa 30 % der Fälle begleitend sein. Ebenfalls bei einem Drittel der Patienten findet sich zudem eine Migräne in der Vorgeschichte, die sich von dem neuen Krankheitsbild jedoch dadurch unterscheidet, dass sie die Patienten typischerweise nicht aus dem Schlaf reisst und einige Stunden später, eher in den frühen Morgenstunden, beginnt.
Die Ursachen des Leidens sind noch nicht vollständig geklärt. Die typischen zeitlichen Muster in der Nacht deuten jedoch auf eine Verbindung mit hypothalamischen Strukturen hin. «Eine Erstmani­festation im Alter von über 50 Jahren und ein nächtliches Erwachen stellen ausreichende Gründe für eine eingehende Abklärung dar», so die Schweizer Experten. Das sollte dann auch stets eine Bildgebung vom Kopf zum Ausschluss eines symptomatischen Leidens zur Folge haben.

Evidenzbasierte Therapieansätze gibt es nicht, die kleinen Patientenzahlen erschweren die Forschung bisher zu sehr. In der Akutbehandlung hätten Kaffee oder koffeinhaltige Analgetika bisher die beste Wirkung gezeigt, schreiben die Autoren. «Das Ansprechen auf Triptane wurde auch berichtet.» Und nicht nur das: Koffein vor dem Schlafengehen zeigt auch prophylaktische Effekte, egal ob in Getränke- oder Tablettenform.

Clamote M et al. Schweiz Med Forum 2018; 18: 386–388.