Plötzlicher Kindskot!
Etwa zwei Millionen Kinder reisen jährlich aus Industrieländern in tropische oder subtropische Regionen. Je jünger die kleinen Urlauber sind, desto öfter fangen sie sich während des Auslandsaufenthalts einen Infekt ein, schreibt Professor Dr. Karl Zwiauer von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde St. Pölten.
Am häufigsten sind akute Durchfallerkrankungen, wobei das Infektionsrisiko in Südostasien und Afrika besonders hoch ist. Während die akute Gastroenteritis bei älteren Kindern und Jugendlichen meist selbstlimitierend ist, kann sich insbesondere bei Säuglingen ein «banaler» Reisedurchfall je nach Land und Versorgungslage zu einem ernsthaften Problem mit vitaler Bedrohung entwickeln.
In den meisten Fällen sind Colibakterien die Auslöser
Charakteristischerweise treten bereits während des Aufenthalts im Reiseland selbst oder innerhalb von 14 Tagen nach der Rückkehr ungeformte, weiche oder wässrige Stühle (≥ 3 pro Tag) auf, die häufig von Erbrechen, Übelkeit, Bauchkrämpfen und/oder Fieber begleitet werden.
Aktuellen Untersuchungen zufolge haben Kinder bis zu vier Jahren im Vergleich zu Vorschulkindern nicht nur ein höheres Erkrankungsrisiko (39 % vs. 18 % bei Aufenthalt in den Tropen), sondern meist auch schwerere Verläufe. In der Regel ist die Erkrankung aber von kurzer Dauer und selbstlimitierend. Die Erreger sind in 50–75 % der Fälle Bakterien, allen voran enterotoxische Escherichia coli (ETEC), die meist über kontaminierte Lebensmittel in den Körper gelangen. In Südostasien kommen neben ETEC vor allem enteroaggregative E. coli (EAEC) vor, die über verunreinigtes Trinkwasser aufgenommen werden und bei einem Drittel der Betroffenen zu anhaltenden, blutigen Durchfällen führen. In etwa 10–15 % der Fälle kommt es zu Koinfektionen, auch mit Viren. Bei etwa 10 % der Patienten sind Parasiten die Ursache.
Intensivmedizin teils schon nach wenigen Stunden nötig
Das klinisch bedeutsame Problem sind die Flüssigkeitsverluste infolge des Durchfalls bzw. Erbrechens, die bei Säuglingen und Kleinkindern bereits innerhalb weniger Stunden zu schwerer Dehydratation, Hypovolämie und Elektrolytentgleisungen führen können, schreibt der Autor. Bei ersten Anzeichen von Benommenheit, verminderter Gewebeperfusion oder Somnolenz benötigt das Kind eine sofortige Flüssigkeitstherapie und gehört in intensivmedizinische Hände.
Bei unkomplizierten Verläufen reicht es meist, den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust mittels oraler Rehydratationslösungen (ORS) auszugleichen. Wer mit Kindern verreist, sollte deshalb in seiner Reiseapotheke immer eine glukose- und elektrolythaltige Lösung parat haben. Sie sollte in kaltem Zustand, schluckweise und kontinuierlich getrunken werden. Während Säuglinge und Kleinkinder ausschliesslich ORS bekommen sollten, können ältere Kinder und Jugendliche auch mithilfe von gesalzenen Suppen, abgepacktem Wasser oder Limonaden ihr Defizit ausgleichen. Gestillte Kinder sollten so weit wie möglich weiterhin gestillt werden, Säuglinge mit der gewohnten Säuglingsnahrung gefüttert werden.
Von Motilitätshemmern rät der Experte bei Kindern aufgrund der starken Nebenwirkungen ab. Bei Erbrechen sei die Gabe von Antiemetika aber sinnvoll. Ältere Kinder und Jugendliche sollten entsprechende Medikamente nicht länger als zwei Tage zusammen mit einem Antibiotikum einnehmen. Die Antibiose erfolgt dabei nicht routinemässig, sondern nur bei Verdacht auf bestimmte Erreger aufgrund der klinischen Symptomatik (schwerer Durchfall, blutige Stühle, Fieber). Zur Verfügung stehen Azithromycin, Ciprofloxacin und Rifaximin.
Generell gebe es keine wirksame und einigermassen zuverlässige Prophylaxe der Reisediarrhö, gibt der Experte abschliessend zu bedenken. Ziel und Notwendigkeit einer Reise mit Kindern sollten daher genau überlegt sein.
Zwiauer K. Monatsschr Kinderheilkd 2018; 166: 297–304.