Phytotherapie für die gestresste Frau
Wie Phytotherapie bei gestressten Frauen in der gynäkologischen Praxis eingesetzt werden kann, erläuterte die Frauenärztin Dr. Marion Ombelli, Neuenburg, an der Jahrestagung der Schweizerischen Medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP) am Beispiel von vier Antistress-Heilpflanzen.
Bei Frauen treten Stress und gynäkologische Probleme häufig gemeinsam auf. Der Zusammenhang lässt sich u. a. mit Wechselwirkungen zwischen Geschlechts- und Stresshormonen erklären. «So führt etwa das Absinken von Progesteron und Estradiol in der Perimenopause zu einer verminderten Stressresistenz», erklärte Dr. Ombelli. In der Praxis sei es deshalb sinnvoll, sich jeweils den stressbedingten und gynäkologischen Problemen anzunehmen.
Stress löst im Körper immer die gleiche Reaktionskaskade aus. «Diese dient dazu, die Homöostase zu erhalten oder wiederherzustellen», so die Referentin. Durch die verschiedenen Reaktionen im Körper werden das sympathische Nervensystem und die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse aktiviert und die Sekretion von Adrenalin und Cortisol erhöht. «Die Stressantwort führt zu verschiedenen neuronalen, immunologischen, entzündlichen und endokrinen Adaptationen, die bei länger andauerndem Stress die Stressresistenz physiologisch erhöhen», erklärte Dr. Ombelli. Bei grossem chronischem Stress jedoch besteht die Gefahr, dass es irgendwann zu einem Versagen der Nebennieren und einem Erliegen der Cortisolproduktion kommt, was zu einer totalen Erschöpfung und Burn-out führt.
Je nach Beschwerdebild und Cortisolspiegel eignen sich verschiedene Heilpflanzen. «Sie wirken hauptsächlich auf der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse, steigern spezifisch die Stressresistenz und/oder normalisieren unspezifisch den Stoffwechsel», sagte die Expertin. Charakteristisch für Adaptogene ist zudem, dass sie die normale Funktion des Körpers nicht beeinflussen. Sie verursachen deshalb auch, anders als Stimulanzien, keine Abhängigkeit oder Toleranz.
Anhand eines vereinfachten Therapieschemas zeigte die Expertin schliesslich auf, wie vier ausgewählte, gut untersuchte und bewährte adaptogene Heilpflanzen bei gestressten Frauen abhängig vom Cortisolspiegel wirken und wie sie in der Praxis eingesetzt werden können.
A. Bei erhöhtem Cortisol
- Rosenwurz: Rhodiola rosea verbessert die Konzentration, wirkt gegen Müdigkeit, senkt erhöhtes Cortisol und Adrenalin und hat positive Wirkung auf einen Serotonin- und Dopaminmangel. Die Substanz vermindert Depression, Schlafstörungen, Angst und emotionale Instabilität. Das in der Schweiz zugelassene Präparat ist auf 3 % Rosavin und 1 % Salidrosid standardisiert. Die 200-mg-Kapseln werden am Morgen und am Mittag eingenommen. Kontraindiziert ist Rosenwurz in der Schwangerschaft und bei bipolaren Störungen.
- Taigawurzel oder sibirischer Ginseng: Eleutherococcus senticosus senkt den durch Stress erhöhten Cortisolspiegel, wirkt physischer und psychischer Ermüdung entgegen, inhibiert die stressinduzierte Immunsuppression und fördert die Ausdauer und Konzentration. In der Schweiz sind mehrere Fertigpräparate zugelassen.
B. Bei niedrigem Cortisol
- Asiatischer Ginseng: Panax ginseng verbessert die Cortisol/DHEA-Ratio, stimuliert das Immunsystem, verbessert die Aktivität der natürlichen Killerzellen, ist neuro- und kardioprotektiv, fördert die Wundheilung, vermindert allergische Reaktionen und verbessert die Insulinsensitivität. Sie hilft den Nebennieren, sich vom chronischen Stress zu erholen, reguliert die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse und verbessert den Energie-Metabolismus während körperlichem Training. Die in der Schweiz zugelassenen Präparate sind auf 4 % Ginsenoside standardisiert. Die Behandlungsdauer sollte kurzgehalten werden (vier bis eventuell acht Wochen).
- Süssholz: Glycyrrhiza glabra gehört zu den weltweit am meisten eingesetzten Pflanzen in der Phytotherapie. Ihr Hauptwirkstoff, das Glycyrrhizin, hemmt ein Enzym, das für die Umwandlung von Cortisol in Cortison verantwortlich ist. Kontraindikationen sind Kortisonbehandlung, Schwangerschaft, Niereninsuffizienz und Hypertonie.