Ab an den Endometrioseherd!
Unklare Ursache, schwierige Diagnose und keine Möglichkeit, von der Symptomatik auf den Schweregrad zu schliessen: Die Vielfältigkeit der Endometriose erschwert Ärzten einen raschen Befund, was für die Patientinnen schwerwiegende Folgen haben kann.
Bei der Endometriose gibt es nichts, was es nicht gibt, schreiben Dr. Sara Imboden und Professor Dr. Michel Mueller vom Endometriosezentrum des Universitätsspitals Bern in ihrem Übersichtsartikel. Rund ein Zehntel der Frauen im gebärfähigen Alter erkrankt am Komplex aus Absiedlung, Wachstum und Progression von Gebärmutterschleimhaut ausserhalb des Uterus.
Laparoskopie bei ständigen Beschwerden oder unerfülltem Kinderwunsch
Die Symptome dieser chronischen Erkrankung können dabei so vielgestaltig wie ein Chamäleon sein. Typisch jedoch sind Infertilität und zyklusabhängige Schmerzen während der Periode (Dysmenorrhö), beim Stuhlgang (Dyschezie), Wasserlassen (Dysurie) und Geschlechtsverkehr (Dyspareunie). Trotz grosser Läsionen merken manche Frauen kaum etwas, andere leiden schon unter kleinen Herden. Wegen der diffusen Symptomatik stellen viele Kollegen die Diagnose erst spät – im Schnitt nach sechs Jahren.
Mehrere Theorien bemühen sich, die Pathogenese zu erklären. Plausibel scheint vor allem die Implantation: Durch retrograde Menstruation wandert endometriales Gewebe in die Bauchhöhle, wo hormonelle Faktoren dessen Wachstum fördern. Dabei müssen genetische Einflüsse mitwirken, denn bei fast allen Frauen fliesst Menstruationsblut über die Eileiter rückwärts in den Bauchraum.
Grundlegend ist nach Dr. Imboden und Prof. Mueller die Unterscheidung zwischen oberflächlichen Ansiedlungen am Peritoneum und tief in Organe eingewachsenen Knoten. Am häufigsten sind Endometriome in den Ovarien, peritoneale Herde im kleinen Becken, Knoten im Septum rectovaginale und an der Blasenumschlagsfalte.
Nährt sich der Verdacht auf eine Endometriose, mahnen die Kollegen, dort nach ektopem Gewebe zu suchen, etwa durch Palpation der Scheidewand zwischen Vagina und Darm oder mittels Sonografie. Eine Magnetresonanztomografie entdeckt auch grössere Läsionen. Den Goldstandard zur Diagnostik stellt die Laparoskopie dar, welche zugleich Biopsien und eine chirurgische Therapie erlaubt. Im Zuge eines weniger invasiven Vorgehens herrscht mittlerweile Konsens darüber, es zunächst medikamentös zu versuchen.
Die Behandlung selbst zieht sich meist bis in die Menopause. Kollegen müssen die aktuelle Situation ihrer Patientinnen regelmässig prüfen und die Therapie entsprechend anpassen. Achten sollten sie auf Ort und Stärke der Schmerzen, auf Entzündungen, Organinfiltration oder Verwachsungen. Zudem gilt es, einen Kinderwunsch zu berücksichtigen. Dank spezieller Endometriosezentren kann die Betreuung interdisziplinär erfolgen.
Als Arzneien der ersten Wahl listen Dr. Imboden und Prof. Mueller Progestagene wie Dienogest auf, durch welche die Herde bedeutsam schrumpfen. Alternativ wirken Ovulationshemmer auch analgetisch, jedoch stehen sie durch das enthaltene Östrogen in Verdacht, die Endometriose eher noch zu stimulieren. GnRH-Analoga bewirken zwar eine gute Atrophie, allerdings um den Preis von Menopausesymptomen. Eine Indikation zur Laparoskopie liegt besonders bei unerfülltem Kinderwunsch oder fortdauernden Beschwerden vor. Nach sorgfältiger Inspektion des Abdomens werden die Gewebsinseln herausgeschnitten. Ist das Septum rectovaginale befallen, raten Experten zur radikalen Exzision. Für 40 % der Patientinnen wird sogar eine Darmteilresektion notwendig. Ziel ist die Rezidivprophylaxe, unterstützt durch eine meist langfristige Medikation.
Auch Beckenbodentraining und Akupunktur probieren
Nach Meinung der Kollegen steht die Analgesie an erster Stelle. Neben nichtsteroidalen Antirheumatika zeigten komplementärmedizinische Methoden wie Entspannungstechniken, Beckenbodenphysiotherapie, Akupunktur und eine gesunde Ernährung besonders bei Patientinnen
mit chronischen Schmerzen positive Effekte. Sexuellen oder sozialen Problemen können die Betroffenen mit Psychotherapie und Selbsthilfegruppen begegnen.
Imboden S, Mueller M.
Swiss Medical Forum 2017; 17: 654–659.