Neuer Standard beim hormonnaiven metastasierten Prostatakarzinom in Sicht
Die Kombination aus Androgendeprivationstherapie (ADT) plus Abirateron könnte bei Patienten mit neu diagnostiziertem metastasiertem und noch hormonnaivem Prostatakarzinom ein neuer Standard werden: Der damit erreichte signifikante mediane Überlebensvorteil ist ähnlich ausgeprägt wie seinerzeit mit der Kombination aus ADT/Docetaxel. Das zeigen die an der ASCO-Jahrestagung 2017 präsentierten Ergebnisse der randomisierten Phase-III-Studie LATITUDE.
Der «unmet medical need», die Behandlung von Patienten mit neu diagnostiziertem metastasiertem und noch hormonnaivem Prostatakarzinom zu verbessern, ist hoch, betonte Professor Dr. Karim Fizazi vom Tumorzentrum Gustave Roussy der Universität Paris-Süd in Villejuif. Im Median sterben diese Patienten innerhalb von fünf Jahren.
Historischer Standard ist die Androgendeprivationstherapie (ADT), die mittlerweile bei den Hochrisikopatienten – jene mit ausgedehnter metastatischer Tumorlast – durch ADT/Docetaxel abgelöst wurde. Mit ADT/Abirateron steht jetzt eine Option zur Verfügung, die ähnliche Vorteile bei der Wirksamkeit wie die Kombination ADT/Docetaxel zu haben scheint, so Prof. Fizazi.
Hochrisikopatienten im Fokus
Für die randomisierte Phase-III-Studie LATITUDE waren fast 1200 Patienten mit neu diagnostiziertem metastasiertem und hormonnaivem Prostatakarzinom (mHNPC) randomisiert und mit ADT plus/minus Abirateron/Prednison behandelt worden. Laut Prof. Fizazi handelte es sich um Hochrisikopatienten.
Die beiden Therapiearme waren gut balanciert. Fast alle Patienten hatten einen Gleason Score ≥ 8 sowie mindestens drei skelettale Läsionen. Lungen- und/oder Lebermetastasen wiesen 17 % der Patienten auf. Das mediane Alter der Patienten lag bei 67–68 Jahren.
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 30,4 Monaten zeigte sich ein signifikanter Überlebensvorteil zugunsten der zusätzlich mit Abirateron behandelten Patienten (p < 0,0001; s. Abb.). Die mediane Überlebenszeit lag zum Auswertungszeitpunkt im Kontrollarm bei 34,7 Monaten und war im Abirateron-Arm noch nicht erreicht, was eine Reduktion des relativen Sterberisikos um 38 % ergibt (Hazard Ratio 0,62). Der Überlebensvorteil zeigte sich konsistent in allen untersuchten Subgruppen.
Kombi mit signifikantem Überlebensvorteil
Noch deutlicher war der durch Abirateron induzierte Vorteil beim radiografischen progressionsfreien Überleben (rPFS), dem koprimären Studienendpunkt, erläuterte Prof. Fizazi. Median blieben die mit Abirateron behandelten Patienten mehr als doppelt so lange ohne Progress (33,0 vs. 14,8 Monate; Hazard Ratio 0,47; p < 0,0007). Signifikante Vorteile für die kombinierte Behandlung aus ADT/Abirateron zeigten sich zudem bei allen sekundären Studienendpunkten.
Unter zusätzlicher Abirateron-Gabe lag die Rate an Grad-3/4-Nebenwirkungen höher (63 % vs. 48 %); die Rate ernster Nebenwirkungen war jedoch nur geringfügig erhöht (28 % vs. 24 %). Wie von Abirateron bekannt ist, traten Hypertonien und Hypokalzämien vom Grad 3–4 häufiger auf. Zudem zeigte sich bei niedriger Inzidenz ein Anstieg der Leberenzym-Werte. Die Ergebnisse werden hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit durch die aktuelle Auswertung der STAMPEDE-Studie untermauert (s. Kasten).
Ein neuer Standard – für welche Patienten?
Prof. Fizazi sieht in der Kombination aus ADT/Abirateron eine neue Standardoption für Patienten mit neu diagnostiziertem metastasiertem, hormonnaivem Prostatakarzinom und einem erhöhten Risikoprofil.
Professor Dr. Eric Small, Department of Urology, University of California, San Francisco, USA, der die Ergebnisse vor Ort als unabhängiger Experte kommentierte, sprach von einer positiven und solide durchgeführten Studie. Er wies darauf hin, dass zum Auswertungszeitpunkt erst knapp 50% der Patienten gestorben waren, weshalb die Hazard Ratio für den Überlebensvorteil auf einer Teilinformation basiere. Gleichwohl sei klar, so die Ansicht des Experten, dass der Überlebensvorteil in der LATITUDE-Studie ein Effekt der zusätzlichen Abirateron-Gabe ist, da die Anzahl nachfolgender lebensverlängernder Therapien im Placebo-Arm deutlich höher war als im Verum-Arm (52% vs. 40 %).
Ob die Kombination ADT/Docetaxel der bessere Kontrollarm gewesen wäre, bleibt laut Prof. Small dahingestellt, da die LATITUDE-Studie bereits komplett rekrutiert hatte, als die Ergebnisse zu ADT/Docetaxel vorlagen. «Im historischen Vergleich», so Prof. Small, «zeigen beide Kombinationen fast identische Wirksamkeitsvorteile gegenüber der ADT-Monotherapie. » Vermutlich, so die Ansicht von Prof. Small, ist die Kombination ADT/Abirateron nicht nur eine Option für Risikopatienten mit metastasiertem hormonnaivem Prostatakarzinom.
ASCO 2017; LBA3.
STAMPEDE-Studie untermauert LATITUDE-Ergebnisse |
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Als «practice-changing findings» kommentierte Professor Dr. Tanya B. Dorff, Keck School of Medicine der University of Southern California, Los Angeles, die aktuellen Ergebnisse der STAMPEDE-Studie. In der noch laufenden Phase-III-Studie erreichte die kombinierte Behandlung mit ADT/Abirateron bei neu diagnostizierten Patienten mit lokal fortgeschrittenem (M0) oder metastasiertem (M1) hormonnaivem Prostatakarzinom einen signifikanten medianen Überlebensvorteil bei nur geringfügig erhöhtem Nebenwirkungsspektrum, wie Professor Dr. Nicholas James, University Hospitals Birmingham, erläuterte. Im Kontrollarm erhielten die Patienten eine ADT-Monotherapie, Patienten im noch lokal fortgeschrittenen Stadium (M0) zudem eine Bestrahlung. Nach medianer Nachbeobachtungszeit von 40 Monaten zeigte sich für das Gesamtkollektiv (M0/M1) eine Reduktion des relativen Sterberisikos zugunsten der zusätzlichen Abirateron-Gabe um 37 % (HR 0,63; p < 0,001). Die Dreijahresüberlebensrate betrug 83 % vs.76 % im Kontrollarm. Das relative Progressionsrisiko wurde durch die zusätzliche Abirateron-Gabe um 71 % gesenkt im Vergleich zum Kontrollarm (HR 0,29; p < 0,001). Bei den metastasierten Patienten (M1) zeigte sich zudem eine Reduktion der skelettalen Ereignisse um 55 % (HR 0,45). Das Nebenwirkungsspektrum von Abirateron entsprach dem, was aus früheren Studien bekannt ist. Die Rate schwerer Nebenwirkungen betrug 41 % und lag damit höher als im Kontrollarm mit 29 %. Hauptnebenwirkungen waren kardiovaskuläre Probleme und Bluthochdruck sowie bei niedriger Inzidenz ein Anstieg der Leberenzymwerte. J Clin Oncol 2017; 35 (suppl; abstr LBA5003). |