12. Mai 2017

Passionsblume gegen kindliches ADHS?

Passionsblumenextrakte waren bei kindlichem ADHS bedingt wirksam.

In der Therapie der ADHS spielen neben der Psychotherapie Medikamente eine wichtige Rolle. Allerdings sprechen bis zu 30 Prozent der betroffenen Kinder nicht auf sie an. Viele leiden ausserdem unter Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schlaflosigkeit oder Gewichtsverlust. Eine Alternative sind Phytopharmaka. 

Eltern von Kindern mit ADHS fragen verstärkt nach therapeutischen Ansätzen aus dem Bereich der Komplementär- und Alternativmedizin, vor allem nach Phytopharmaka. Das schreibt Dennis Anheyer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin am Knappschafts-Krankenhaus in Essen, und Kollegen (1).

Geringe ADHS-Evidenz für Melisse, Baldrian und Passionsblume

Wie wirksam bestimmte Heilpflanzen bei der Therapie von Kindern mit ADHS sind, prüften die Autoren auf der Basis einer Literaturrecherche. Sie werteten schliesslich neun randomisierte kontrollierte Studien mit 464 Patienten im Alter bis zu 18 Jahren aus, die pflanzliche Therapien mit keiner Behandlung, Placebo oder anderen Arzneien verglichen.

Sieben Pflanzen bzw. deren Inhaltsstoffe wurden in den Studien getestet. Dazu gehören

  1. Nachtkerzenöl
  2. Melisse (Melissa officinalis)
  3. Baldrian (Valeriana officinalis)
  4. Ginkgo biloba
  5. Pinienrindenextrakt
  6. Johanniskraut (Hypericum perforatum) und
  7. Passionsblume (Passiflora incarnata).

Für Melisse, Baldrian und Passionsblume ergab sich jeweils eine geringe, für Pinienrindenextrakt und Ginkgo eine limitierte Evidenz, dass sie wirksam sind, so die Autoren. Schwerwiegende Nebenwirkungen unter der Therapie wurden nicht beobachtet. Die anderen Phyto-Zubereitungen zeigten keinen positiven Effekt auf ADHS-Symptome.

Potenzielle Heilpflanzen gegen ADHS im Überblick

Melissa officinalis

Katz et al. hatten bei der Behandlung von 120 Kindern mit ADHS eine Mischung pflanzlicher Zubereitungen (Hauptbestandteil Melissa officinalis) im Vergleich zu Placebo geprüft (2). In der Verumgruppe liessen sich signifikante Verbesserungen des T.O.V.A.® (Test Of Variables of Attention) im Vergleich zur Kontrollgruppe messen. Der Test zielt auf Aufmerksamkeit und Selbstkontrolle der ADHS-Patienten.

Valeriana officinalis

Verglichen wurde der Einsatz einer Baldrian-Urtinktur mit Placebo bei der Behandlung von 30 ADHS-Kindern (3). Den Therapieerfolg beurteilte man anhand des Children’s Checking Task (CCT), des Conner’s Parent Symptom Questionnaire (PSQ) und der Barkley & DuPaul Teacher Rating Scale. Kinder, die zwei Wochen mit Urtinktur behandelt worden waren, zeigten gegenüber jenen aus der Placebogruppe eine signifikante Verbesserung im PSQ und im CCT (Total Score, Speed Score). Eine signifikante Verbesserung trat bei 9 von 14 Sub­skalen der Barkley & DuPaul Teacher Rating Scale auf, unter Placebo war dies nur bei zwei Subskalen der Fall.

Passiflora incarnata

Eine weitere Studie (4)  prüfte die Effekte einer Zubereitung der Passionsblume (0,04 mg Passiflora incarnata/kg pro Tag) im Vergleich zur Standardmedikation Methylphenidat (täglich 1 mg/kg KG). 34 Kinder zwischen sechs und 13 Jahren nahmen teil. Im Untersuchungszeitraum zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der ADHS Rating Scale zwischen den Therapiegruppen. Die klinische Symptomatik besserte sich sowohl durch die Behandlung mit Passionsblume als auch durch Methylphenidat signifikant. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten in keiner der beiden Gruppen auf. Angstzustände und verminderter Appetit traten signifikant häufiger in der Methylphenidat-Gruppe auf.

Fazit

Die Datenlage zu Melisse, Baldrian und Passionsblume reiche zwar nicht für eine konkrete Empfehlung aus, so das Fazit. Aufgrund des bisher gezeigten positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses könnte man einen Einsatz zur ADHS-Therapie im Einzelfall aber erwägen.