3. Mai 2017

Muskelschmerzen wegballern funktioniert – warum auch immer

Extrakorporale Stosswellen (ESW) finden seit mehr als 20 Jahren Anwendung in der Medizin. Was mit der Therapie von Nierensteinen begann, hat sich inzwischen in vielen Indikationsgebieten etabliert. Eines der neueren: Muskelschmerzen. Wie Dr. Oliver Emrich, Allgemeinmediziner und Anästhesist vom Schmerzzentrum Ludwigshafen, berichtete, handelt es sich dabei oft um Beschwerden, die durch myofasziale Triggerpunkte ausgelöst werden.

Nozizeptoren gereizt, Muskelmilieu sauer

Pathophysiologisch geht man von einer dysfunktionalen Endplatte mit neurogener Entzündung und Nozizeptorreizung plus Sensibilisierung aus. Und im Muskel herrscht dann ein saures Milieu. Ziel der Therapie ist es, die Durchblutung zu verbessern, die Übersäuerung zu antagonisieren, Verspannungen zu lösen und Schmerzrezeptoren sowie die Transduktion und Wahrnehmung herunterzuregulieren. Das gelingt am ehesten mit Mechanismus-orientierten Massnahmen. Dazu gehören z. B. Wärme-/Kälteapplikation, transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), Akupunktur, Physiotherapie und Massagen – aber auch die Therapie mit ESW (ESWT).
Sucht man nach Daten dazu, finden sich mehr als 6000 Publikationen, die Erfolgsraten zwischen 65 % und 91 % beschreiben – ohne schwerwiegende Nebeneffekte. «Allerdings weiss bis heute keiner, warum die Stosswellen eigentlich helfen», erklärte Dr. Emrich. Man vermutet ein Zusammenspiel aus durchblutungsfördernder Wirkung, vermehrter Regeneration von Gewebe und gesteigerter Zellproliferation.

Fokussiert tiefer ins Gewebe eindringen

Für plantare Fasziopathie, nicht kalzifizierende Supraspinatus-tendinopathie, kalzifizierende Schultertendinitis (Kalkschulter), Achillestendinopathie und laterale Epicondylitis gibt es Wirksamkeitsbelege aus kontrollierten Studien. Viele andere Einsatzgebiete wie Patellarsehnenreizung, Gon­arthrose oder auch das myofasziale Schmerzsyndrom sind noch nicht ausreichend untersucht, haben aber in der Praxis laut Dr. Emrich grosse Bedeutung bei der ESWT.
Die Stosswellen kann man radial oder fokussiert anwenden. Fokussiert gelangen sie tiefer in das Gewebe, erklärte Dr. Danilo Jankovic, Anästhesist am Regionalen Schmerzzentrum DGS*, Köln West. In der Schmerztherapie dominiert die radiale Variante. Beide Formen lassen sich aber auch kombinieren. Bei Sehnen- und Sehnenansatzerkrankungen sind generell etwa drei bis fünf Behandlungen in ein- bis zweiwöchigen Abständen bis zu einem Erfolg erforderlich, bei myofaszialen Schmerzsyndromen brauchen die Patienten mindestens acht Sitzungen in Abständen von 5–14 Tagen. Von Lokalanästhetika bei den Sitzungen riet der Kollege dringend ab: «Sie setzen die Wirksamkeit herab!» Als absolute Kontraindikationen für die ESWT nannte er Lungengewebe im Fokus, Entzündungen im Behandlungsgebiet und Tumoren. Zu den relativen gehören Gerinnungsstörungen, Thrombosen, neurologische Erkrankungen, Schübe entzündlich-rheumatischer Leiden, Myopathien und Schwangerschaften.

*Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin

Schmerz- und Palliativtag 2017