19. Okt. 2016HIV-Infektion: PEP, PrEP und ART

Wer braucht Prophylaxe und Therapie?

In der Schweiz kommt es jedes Jahr immer noch zu etwa 500 HIV-Neuinfektionen. An AIDS stirbt hierzulande kaum mehr jemand. Mit einer frühen Dia­gnose und Therapie haben Infizierte heute die gleiche Lebenserwartung wie HIV-negative Personen.

FRau hält rote Aids Schlaufe in den Händen
iStock/4421010037

Mitte der 1990er-Jahre kam es mit der antiretroviralen Therapie (ART) zu einer dramatischen Abnahme der AIDS-Fälle in der Schweiz. Heute sind die AIDS-assoziierten Todesfälle praktisch auf null zurückgegangen, erklärte Dr. Dominique Braun, Oberarzt, Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, Universitäts-Spital Zürich, an der 30. Mediweek. Jedes Jahr infizieren sich aber Personen neu mit dem HI-Virus – 50 % dieser Neuinfektionen betreffen Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Sie stellen die Hochrisikogruppe für HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten dar. Und in dieser Gruppe nimmt die Infektionsrate eher zu.

Hier kommen Sie als Hausarzt zum Zug: «Fragen Sie nach dem Sexualleben und dem Risikoverhalten ihrer Patienten und veranlassen Sie einen HIV-Test und Abklärungen auf andere sexuell übertragbare Infektionskrankheiten – STI, z. B. Syphilis–, wenn ihr Patient über sexuelle Risikosituationen berichtet», forderte Dr. Braun.

Bis zu 50 % der Übertragungen in der Schweiz erfolgen durch Personen mit einer frischen HIV-Infektion, also Personen, die sich innerhalb des letzten Jahres angesteckt haben. Beträgt die Viruslast unter 1000 Kopien/ml, ist die Wahrscheinlichkeit für eine Transmission gering. Eine HIV-infizierte Person unter funktionierender antiretroviraler Therapie und somit nicht nachweisbarer Viruslast im Blut gibt das HI-Virus über Sexualkontakte nicht weiter, so das Statement der Eidgenössischen Kommission für AIDS-Fragen (EKAF) aus dem Jahr 2008. HIV-positive Menschen können somit in einer geschlossenen Partnerschaft ungeschützten Sex haben, ohne den Partner mit HIV anzustecken – vorausgesetzt, die Viruslast liegt bei konsequenter Medikamenteneinnahme seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze, der Patient wird regelmässig ärztlich kontrolliert und es bestehen keine anderen sexuell übertragbaren Infektionen, so der Experte.

Eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) ist nur sinnvoll innerhalb der ersten 48 Stunden nach ungeschütztem Sexualkontakt (s. Kasten). Die Prophylaxe erfolgt mit Tenofovir/Emtricitabin (Truvada®) einmal täglich plus entweder Raltegravir (Isentress®, 400 mg zweimal täglich) oder Dolutegravir (Tivicay®, 50 mg einmal täglich).

PrEP senkt Risiko der Übertragung bis zu 96 %

Die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) ist in den USA und einigen Ländern der EU bereits zugelassen. Das Konzept besteht darin, dass HIV-negative Personen, die sich regelmässig exponieren und ein hohes Risiko für eine Ansteckung mit dem HI-Virus haben, regelmässig eine antiretrovirale Therapie einnehmen.

Studien konnten zeigen, dass das Risiko einer Virus-Übertragung bis zu 96 % reduziert werden kann. Die monatlichen Kosten von ca. 1000 CHF werden in der Schweiz jedoch nicht von den Kassen übernommen. «Die PrEP ist nicht für jeden sinnvoll, sondern nur für eine spezifische Risikopopulation», so Dr. Braun.
Wie präsentiert sich die HIV-Infektion nun klinisch? «Ein klassisches akutes retrovirales Syndrom entwickeln etwa zwei Drittel der Infizierten», erklärte der Experte. Unspezifische Symptome wie Diarrhö, Nachtschweiss, Myalgien, Husten oder Fatigue geben nur einen Anhaltspunkt. Nur bei 40 % wird bei initialem Arztkontakt an eine HIV-Infektion gedacht, betonte der Referent. Die wichtigste Differenzial-diagnose ist die Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, die sich weder klinisch noch laborchemisch von einer HIV-Infektion unterscheiden lässt. Weiter muss man an eine Cytomegalie-Virus-Infektion, eine akute Hepatitis oder Toxoplasmose denken.

Studien konnten zeigen, dass das Risiko einer Virus-Übertragung bis zu 96 % reduziert werden kann. Die monatlichen Kosten von ca. 1000 CHF werden in der Schweiz jedoch nicht von den Kassen übernommen. «Die PrEP ist nicht für jeden sinnvoll, sondern nur für eine spezifische Risikopopulation», so Dr. Braun.
Wie präsentiert sich die HIV-Infektion nun klinisch? «Ein klassisches akutes retrovirales Syndrom entwickeln etwa zwei Drittel der Infizierten», erklärte der Experte. Unspezifische Symptome wie Diarrhö, Nachtschweiss, Myalgien, Husten oder Fatigue geben nur einen Anhaltspunkt. Nur bei 40 % wird bei initialem Arztkontakt an eine HIV-Infektion gedacht, betonte der Referent. Die wichtigste Differenzial-diagnose ist die Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, die sich weder klinisch noch laborchemisch von einer HIV-Infektion unterscheiden lässt. Weiter muss man an eine Cytomegalie-Virus-Infektion, eine akute Hepatitis oder Toxoplasmose denken.

ART für alle Patienten – auch bei hoher CD4+-Zahl

Personen mit berichtetem ungeschütztem Geschlechtsverkehr und wechselnden anonymen Sexpartnern sollte man alle drei Monate einen Test anbieten. Der HIV-Combo-Screen-Test misst p24-Antigen und Antikörper und wird nach etwa 14–20 Tagen positiv. Man kann ihn frühestens nach zwei Wochen durchführen – um sicherzugehen, nach sechs bis zwölf Wochen.

Die antiretrovirale Therapie sollte möglichst früh begonnen werden – ungeachtet der CD4+-Zellzahl. CD4+-Zellen korrelieren zwar gut mit Outcome-Parametern: Je tiefer die Zahl, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten von opportunistischen Infektionen oder Tod. Die HIV-Infektion führt jedoch zu einem chronischen Entzündungszustand, der sich auch negativ auf andere Organe, vor allem die Nieren und das Herz, auswirkt. Mit einer frühen ART lassen sich die chronische Inflammation sowie die kardiovaskuläre und auch die Krebsmortalität reduzieren. Patienten sollten zudem zum Rauchstopp motiviert werden. Zum Zuge kommen Kombinationen aus verschiedenen Klassen. Da die Patienten immer älter werden und damit auch Komorbiditäten und Komedikationen zunehmen, sollte man die Interaktionsgefahr beachten. Die Website www.hiv-druginteractions.org bietet zu diesem Thema nützliche Informationen. Die Lebenserwartung ist bei einer frühen und konsequent befolgten Therapie ohne nachweisbare Viruslast normal.