Schneller Griff zur Spritze auf dem Prüfstand
Orthopädische Injektionen: selbst bei Glukokortikoiden widersprüchliche Ergebnisse
Bei Muskelproblemen, Ansatztendinosen oder schmerzenden Gelenken greifen viele Kollegen gerne zur Spritze. Injiziert werden Lokalanästhetika, Glukokortikoide, Hyaluronsäure und in den letzten Jahren zunehmend auch plättchenreiches Plasma (PRP). Das Team um Dr. Robert Lenz, Orthopädische Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Rostock, beschäftigte sich nun mit der Frage nach Wirksamkeit und Sicherheit dieser Substanzen.
Lokalanästhetika spritzte man lange Zeit bei akuten oder chronischen Schmerzen in verschiedene Gelenke. In den letzten Jahren gab es jedoch Berichte über die dosis- und zeitabhängige Chondrotoxizität von Lidocain (> 1 %/15 min). Noch größere Gefahr besteht für den Knorpel offensichtlich bei gleichzeitiger Anwendung von Methylprednisolon. In der Literatur liegen verschiedene Fallberichte zu ausgeprägten Chondrolysen durch intraartikuläre Schmerzpumpen vor.
Intraartikuläres Lidocain je nach Dosis chondrotoxisch
Auch an Sehnenansätzen kommen Lokalanästhetika zum Einsatz – entweder allein oder zusammen mit anderen Substanzen. Da örtliche Betäubungsmittel auf bestimmte Bindegewebszellen in Sehnen toxisch wirken können, gilt es, die klinische Anwendung immer kritisch zu hinterfragen, um iatrogene Schäden am Sehnenansatz zu vermeiden, warnen die Autoren. Glukokortikoide entfalten komplexe antientzündliche und immunsuppressive Effekte, wodurch sie Schwellungen und Schmerzen lindern. Zur Injektionstherapie gibt es einige hochwertige placebokontrollierte Doppelblindstudien, deren Ergebnisse aber zum Teil widersprüchlich ausfallen.
Steroide nur drei- bis viermal pro Jahr ins selbe Gelenk!
Intraartikuläre Glukokortikoide haben in der Behandlung der akuten rheumatischen Arthritis einen hohen Stellenwert. Sie reduzieren die Entzündungsaktivität und verkürzen Schmerzepisoden. Auch bei degenerativen Gelenkveränderungen kamen intraartikuläre Glukokortikoide in den vergangenen Jahren trotz mangelnder Evidenz recht häufig zur Anwendung. Die Autoren raten, die Steroide nur bei stark schmerzhaften aktivierten Arthrosen einzusetzen, da sie höchstens ein paar Wochen lang wirken. Pro Jahr sollten nur drei bis vier Injektionen in dasselbe Gelenk erfolgen, mit einem Abstand von mindestens drei bis vier Monaten. Denn die Substanzen beeinflussen den Proteoglykanmetabolismus negativ und gefährden den Knorpelstoffwechsel. Bei schmerzhaften Sehnenansätzen zum Beispiel an Ellenbogen oder Schulter werden Glukokortikoide ebenfalls gerne injiziert – mit genauso zeitlich begrenzter Wirkung. Zudem können sie die Sehnenheilung stören, worunter nicht selten die biomechanische Belastbarkeit leidet. Gerade bei lasttragenden Sehnen wie der Achilles- und Patellarsehne stellt die erhöhte Rupturrate ein Risiko dar.
Immer noch nicht genug Daten zur Hyaluronsäure
Das Polysaccharid Hyaluronsäure soll als Viskosupplement die viskoelastischen Eigenschaften der Synovialflüssigkeit verbessern. Außerdem scheint es antientzündliche Effekte auszuüben. Anhaltende Arthroseschmerzen nach ausgeschöpfter oraler Schmerztherapie, Kontraindikationen für nicht steroidale Antiphlogistika bei milden und moderaten Arthroseformen oder noch nicht ausreichendem Leidensdruck für operative Maßnahmen können einen Behandlungsversuch mit intraartikulärer Hyaluronsäure rechtfertigen – obwohl nach wie vor keine ausreichende Zahl an hochwertigen Studien vorliegt. In den letzten Jahren stieg das Interesse für die Anwendung von Hyaluronsäure bei Sehnenveränderungen. Aber die Datenlage für den Einsatz bei Tendinopathien oder Verletzungen ist noch schlechter als für die intraartikuläre Injektion, sodass sich hier noch keine evidenzbasierte Anwendungsempfehlung aussprechen lässt.
Und was steckt hinter der Gabe von plättchenreichem Plasma (PRP)?
PRP soll zu einer lokalen Anreicherung von Wachstumsfaktoren und bestimmten Molekülen führen, was Schmerzlinderung und eine beschleunigte Geweberegeneration nach sich zieht. Eine wichtige Quelle von Wachstumsfaktoren stellen Thrombozyten dar, die man durch verschiedene Trennverfahren aus Patientenvollblut gewinnt und die im PRP zwei- bis achtfach erhöht sind. Das aufbereitete Plasma eignet sich zur intraartikulären, intra-/peritendinösen oder intramuskulären Applikation. Bei beginnender Gonarthrose wiesen mehrere Level-I-Studien einen überwiegend signifikanten Vorteil von PRP gegenüber Hyaluronsäure nach. Für Injektionen an Sehnen besteht nur wenig Evidenz. Einige Sportler erhielten es bei Muskelverletzungen, doch mangelt es hierzu ebenfalls an Daten.
Lenz R et al. Orthopäde 2016; 45: 459-468