Instabilität der Symphyse: Das sind die Eckpfeiler der Diagnostik und Therapie
Ob sportliche Überlastung, Beckentrauma oder Schwangerschaftskomplikation – allerhand Stressoren können der Symphyse zusetzen. Experten erläutern, wie Sie der chronischen Symphyseninstabilität auf die Spur kommen und was therapeutisch zählt.
Verdacht schöpfen auf eine Symphyseninstabilität sollten Sie z.B., wenn eine sportlich aktive Frau über zunehmende Schmerzen im unteren Rücken und vorderen Beckenbereich klagt. Dies gilt erst recht, wenn die Symptome unter Belastung zunehmen und bis in die Leisten und Innenseiten der Oberschenkel ausstrahlen.
Was hinter einer chronischen Symphyseninstabilität steckt
Bei fortgeschrittenem Verlauf wird gegebenenfalls sogar die eigenständige Mobilisierung unmöglich, so Dr. Christian Herren von der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Aachen und Kollegen.
Hinter der chronischen Symphyseninstabilität stehen dabei im Wesentlichen drei Ursachen.
Überlastungssyndrom: Vor allem Sportarten mit abrupten «Stopp- und Schussbewegungen» wie Fussball, Fechten, Eishockey und Gewichtheben strapazieren die Symphyse. Wird deren Halteapparat wiederholt überlastet, drohen Mikrotraumen des Gelenks. Sie bahnen den Weg für eine artikuläre Fehlfunktion. Diese zieht wiederum erneute Mikro- und auch Makrotraumen nach sich – was letztlich zu frühzeitigen degenerativen Veränderungen des Symphysengelenks führt.
Zu den klinischen Folgen gehören eine fortschreitende Instabilität mit sichtbarer Erweiterung der Symphyse und eine Dysbalance zwischen Rumpf- sowie Adduktorenmuskulatur – bei entsprechender Symptomatik.
Akutes Beckentrauma: Etwa drei bis fünf Prozent aller Frakturen des Skelettsystems betreffen das Becken. Schwere Formen finden sich meist nach sogenannten Hochrasanz-Traumen.
Schwangerschaftsbedingte Instabilität: Als seltene Komplikation ist vor allem die geburtsbedingte Symphysensprengung zu beachten. Die Angaben zur Inzidenz dieses traumatischen Auseinanderreissens der Schambeinfuge schwanken weltweit zwischen 1 : 300 und 1 : 30.000 jährlich.
Lücke tastbar? Mons pubis druckschmerzhaft?
Bei der körperlichen Untersuchung wegen Verdachts auf eine Instabilität der Symphyse stehen zunächst folgende Fragen an: Lässt sich eine Lücke tasten? Ist der Mons pubis druckschmerzhaft, ggf. geschwollen und gerötet? Patienten mit ausgeprägtem Befund geben druckschmerzhafte Ileosakralgelenke an, ein- oder beidseits, berichten die Experten. Sie verweisen auch auf klinische Tests, ggf. sind Trendelenburg-, Lasègue- und Patrick‘s-Fabere-Zeichen positiv.
Keinesfalls darf die Differenzialdiagnostik vernachlässigt werden. Insbesondere Lumboischialgien, urogenitale Infektionen, sowie tiefe Becken- bzw. Beinvenenthrombosen sind auszuschliessen.
Zur Bildgebung eignet sich neben der Übersichtsaufnahme des Beckens (Ausgangsbefund) die Sonographie. So können Symphysenerweiterungen sicher nachgewiesen und Verlaufskontrollen strahlungsfrei erfolgen, schreiben die Autoren. Die weiterführende Abklärung erfolgt mit CT und MRT.
Therapeutisch wird zunächst auf konservative Massnahmen gesetzt:
- bedarfsgerechte analgetische Behandlung,
- stufenweise aufgebaute Physiotherapie und
- supportiv: lokale Kühlung (intermittierend), zirkuläre Kompression, ggf. Gehstützen.
Wobei die Physiotherapie darauf abzielt, die Rumpfmuskulatur zu kräftigen und die Beckenbodenmuskeln zu trainieren. Begleitend bietet sich die zirkuläre Kompression an, z.B. mittels Becken- bzw. Symphysengurt oder Kompressionshose. Erfahrungsgemäss führt dies zur sofortigen Stabilisierung.
Kein Therapieerfolg nach sechs Monaten: OP der Symphyse erwägen!
Und die Therapiedauer? Bis zum Nachlassen der Symptomatik müssen sechs Wochen einkalkuliert werden – um Beschwerdefreiheit zu erzielen durchaus auch sechs Monate. Bleibt ein Therapieerfolg nach drei bis sechs Monaten aus, sind operative Massnahmen zu erwägen. Als Indikation für ein chirurgisches Vorgehen gilt neben persistierenden Beschwerden auch eine inadäquate Reduktion der Symphysenweite (> 25 mm). Mittel der Wahl ist eine Stabilisierung mittels Plattenosteosynthese.
Dieser Beitrag wurde am 30. Juni 2023 aktualisiert.
- Herren C et al. Die Chronische Symphyseninstabilität: Ätiologie, Diagnostik und Behandlungsmanagement. Unfallchirurg 2016; 119: 433-444