Es besteht Forschungsbedarf
In der Medical Tribune Nr. 22–23 berichteten wir über eine Interventionsstudie, die beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) die Velumount®-Gaumenspange mit der aCPAP-Therapie verglich. Wir haben Professor Dr. Claudio L. Bassetti und Dr. Sebastian Ott vom Schlaf-Wach-Zentrum am Berner Inselspital um eine Stellungnahme gebeten.
Die wissenschaftliche Evidenz zur Velumount®-Gaumenspange ist derzeit noch ungenügend und erlaubt keine endgültige Beurteilung des Nutzens. Es liegen aktuell nur wenige Fallserien und Studien zur Effektivität der Velumount®- Gaumenspange vor und alle weisen methodische Limitationen auf. Insgesamt deuten die Ergebnisse der Studien vor allem auf eine Besserung hinsichtlich Schnarchens hin und bei leichten Fällen von OSAS auch auf einen Rückgang des Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI).
OSAS-Patienten haben oft ein Multilevel-Problem
Bei einem OSAS kann die verursachende Obstruktion in verschiedenen Bereichen der oberen Atemwege liegen, z. B. im Bereich des weichen Gaumens, im Oropharynx auf Höhe des Zungengrunds oder weiter distal im Hypopharynx im Bereich von Larynx und Epiglottis. Bezüglich der Wirksamkeit der Velumount®-Gaumenspange konnte eine Untersuchung zeigen, dass bei mildem OSAS der AHI bei einer Obstruktion auf Höhe des weichen Gaumens gesenkt werden kann, während ein retrolingualer Kollaps praktisch nicht beeinflusst wird.1 Das Problem ist, dass sich bei den meisten Patienten mit relevantem OSAS allerdings ein «Multilevel-Problem» mit Kollaps in verschiedenen Bereichen findet – insbesondere bei mittelschwerem und schwerem OSAS.2 Deshalb ist aufgrund der aktuellen Datenlage eine Behandlung mit aCPAP, die einen Kollaps der oberen Atemwege in sämtlichen Bereich effektiv verhindern kann, ganz klar der therapeutische Goldstandard bei der Behandlung des OSAS.
Bei Unverträglichkeit eineraCPAP-Therapie können als Alternative orale Hilfsmittel zum Einsatz kommen. Am besten untersucht sind hier Unterkiefer-Protrusionsorthesen, die ebenfalls eine gute Effektivität aufweisen, wenn sie von einem schlafmedizinisch erfahrenen Zahnarzt oder Kieferorthopäden angepasst werden. Die Kosten hierfür werden seit der Aufnahme auf die MiGeL (Mittel- und Gegenstände-Liste) im Jahr 2014 zumindest zum Teil von der Grundversicherung getragen.
Zusammenfassend kann die Velumount®-Gaumenspange aus unserer Sicht aktuell bei habituellem und sozialunverträglichem Schnarchen als Alternative zu einem chirurgischen Eingriff verwendet werden, wenn vorher durch schlafmedizinische Untersuchungen (respiratorische Polygrafie mit mindestens vier Kanälen oder Polysomnografie) ein relevantes OSAS oder eine zentrale Atmungsstörung sicher ausgeschlossen wurden. Bei Unverträglichkeit von aCPAP und Unterkiefer-Protrusionsorthesen könnte allenfalls ein Therapieversuch mit der Velumount®-Gaumenspange erwogen werden. Zuvor sollte allerdings der relevante Kollaps der oberen Atemwege eindeutig im Bereich des weichen Gaumens lokalisiert worden sein, was nur mit weiterführenden Untersuchungen möglich ist, wie z. B. einer Schlafendoskopie oder einer nächtlichen Manometrie.
Limitierte Evidenz im Vergleich zu aCPAP
Die Gaumenspange kann eine kostengünstige Therapieoption bei habituellem und sozialunverträglichem Schnarchen ohne OSAS darstellen, die auch auf Reisen problemlos mitgenommen werden kann und unabhängig von einer Stromquelle ist. Problematisch sind allerdings die Nebenwirkungen wie gesteigerter Würgereiz, Speichelfluss und Fremdkörpergefühl, insbesondere zu Therapiebeginn, die auch zu Therapie- abbrüchen und im Langzeitverlauf zu einer mässigen Verträglichkeit führen können. Nach drei Jahren verwenden nur noch 40 % der Patienten die Spange regelmässig.3 Im Hinblick auf den Einsatz beim OSAS ist natürlich die limitierte Evidenz im Vergleich zur aCPAP-Therapie als klarer Nachteil zu nennen. Aufgrund der Evidenzlage sind aCPAP und Unterkiefer-Protrusionsorthesen auf jeden Fall die etablierten Therapieverfahren für Patienten mit OSAS. Es besteht im Hinblick auf Therapiealternativen ein Forschungsbedarf, zu denen gut geplante, prospektive, randomisierte kontrollierte Studien fehlen. Die Dissertationsarbeit von Dr. rer. nat. Maja Fluri mit einem direkten Vergleich von CPAP und Gaumenspange in einem Schlaflabor, über die in der Medical Tribune Nr. 22–23 berichtet wurde, ist ein erster Schritt in diese Richtung.
Professor Dr. Claudio L. Bassetti, Dr. Sebastian Ott
1. Tschopp K et al. ORL J Otorhinolaryngol Relat Spec. 2009; 71(3): 148–152.
2. Vroegop AV et al. J Sleep Res. 2013; 22(3): 348–355.
3. Zehnder J, Tschopp K. ORL J Otorhinolaryngol Relat Spec. 2013; 75(5): 296–300.