24. Nov. 2015Optimierungsmöglichkeiten in der Betreuung

«Es gibt kaum ambulante Angebote»

Katrin Vogt arbeitet  als diplomierte Pflegefachfrau und Herzinsuffizienz-Beraterin in der Klinik Barmelweid. Im Interview verriet sie uns, welche Optimierungsmöglichkeiten in der Betreuung von Patienten ihrer Meinung nach bestehen und für welche Anliegen sie sich als Präsidentin der «Interessengruppe Herzinsuffizienz-Beraterinnen» einsetzt.

Frau Vogt, wird die Bedeutung der Krankheit Herzinsuffizienz Ihrer Meinung nach generell unterschätzt?
Katrin Vogt: Aus Sicht der Patienten trifft dies schon zu. Viele von ihnen können sich unter dieser Krankheit nichts vorstellen. Zudem ist ihnen häufig nicht klar, dass eine Herzinsuffizienz mit der Zeit fortschreitet und die Prognose in der Regel nicht sehr günstig ist. Natürlich spüren sie aber die Einschränkungen im Alltag. Ich erlebe viel, dass Patienten deswegen frustriert sind und nicht richtig einschätzen können, woher diese Symptome kommen. Manchmal verstehen sie nicht, wieso sich ihre Situation nicht verbessert, obwohl sie immer wieder im Spital sind und Therapien haben.

Wie sieht es aus Sicht der Ärzte aus?
Katrin Vogt: Sowohl bei den Kardiologen als auch den Hausärzten habe ich nicht das Gefühl, dass die Erkrankung unterschätzt wird. Ich denke einfach, dass der Stellenwert der Herzinsuffizienz nicht sehr hoch ist, weil sie oft als Alterskrankheit wahrgenommen wird – was sie ja im Prinzip auch ist.

Sie sind Präsidentin der «Interessengruppe Herzinsuffizienz-Beraterinnen». Welche Ziele verfolgt diese Organisation?
Katrin Vogt: Wir verstehen uns vor allem als Vernetzungsgruppe unter den Herzinsuffizienz-Beraterinnen. Als die Ausbildung zur Herzinsuffizienz-Beraterin zum ersten Mal angeboten wurde, wollten die Absolventinnen nach Abschluss des Kurses weiter miteinander in Kontakt bleiben, um sich auszutauschen. Sie haben sich am Anfang einmal im Jahr getroffen und jeweils die neuen Absolventinnen auch zu diesen Anlässen eingeladen. Mittlerweile machen wir auf Weiterbildungen aufmerksam oder führen diese selbst durch, thematisieren neue Verfahren oder Entwicklungen und pflegen einen regen Austausch über relevante Themen in unserem Alltag in den Kliniken. In den letzten zwei Jahren kam auch vermehrt wieder der Austausch mit den Ärzten dazu. Wir klären ab, wie gemeinsame Projekte realisiert werden können oder die Vernetzung ausserhalb der Spitäler verbessert werden kann, was in der Schweiz relativ schwierig ist.

Wie viele Mitglieder zählt die Gruppe und wie ist sie organisiert?
Katrin Vogt: Wir haben etwa 70 Mitglieder und sind eine Untergruppe der Arbeitsgruppe für kardiovaskuläre Pflege und Therapien. Wir sind wie ein Verein organisiert, haben also einen Vorstand und halten einmal jährlich eine Generalversammlung ab.

Wie läuft die Ausbildung zur Herzinsuffizienz-Beraterin ab?
Katrin Vogt: Voraussetzung ist grundsätzlich eine abgeschlossene Diplomausbildung in der Pflege und etwa zwei Jahre Berufserfahrung. Das Bildungszentrum Pflege in Bern bietet die Ausbildung zur Herzinsuffizienz-Beraterin an. Es ist ein Kurs von 21 Tagen, in denen vertieft auf die Herzinsuffizienz eingegangen wird. Dabei geht es um die Pathophysiologie, die Therapie und pflegerische Aspekte der Herzinsuffizienz. Einen relativ grossen Teil nimmt dabei das Beratungssetting ein – also Fragen wie beispielsweise «Wie können wir vorgehen?» oder «Was wirkt wirklich in Beratungsgesprächen?». Diese Module werden mit einer Prüfung abgeschlossen und man erhält anschliessend ein Zertifikat als Herzinsuffizienz-Beraterin.

Sind nur diplomierte Pflegefachfrauen für diese Ausbildung zugelassen?
Katrin Vogt: Seit vergangenem Jahr existiert auch ein Kurs für Fachangestellte Gesundheit, FAGEs, und Medizinische Praxisangestellte, MPAs. Dessen Dauer beträgt im Vergleich zum eigentlichen Herzinsuffizienz-Kurs allerdings nur etwa ein Drittel, und aus diesem Grund kann dort auch kein so vertieftes Wissen vermittelt werden.

Haben Sie genügend Nachwuchs im Bereich der Herzinsuffizienz-Beraterinnen?
Katrin Vogt: Eigentlich nicht, wenn ich es in Bezug auf die Gesamtbevölkerung betrachte. Wir von der «Interessengruppe Herzinsuffizienz-Beraterinnen» sind sehr stolz auf unsere Mitgliederzahl, weil etwa die Hälfte der Absolventinnen dieser Ausbildung bei uns in der Gruppe dabei ist, was ich nicht als selbstverständlich erachte. Was uns jedoch sehr fehlt, ist das ambulante Setting. Praktisch alle Herzinsuffizienz-Beraterinnen kommen aus dem stationären Bereich sowie aus den Rehabilitationskliniken. Ich kenne z.B. keine Beraterin, die bei der Spitex oder in einer Arztpraxis arbeitet. Die Betreuung der Patienten ist somit sehr auf das stationäre Setting konzentriert. Dies ist schade, weil die Beratung nicht fortgeführt wird, wenn die Patienten aus der Klinik nach Hause gehen. Eigentlich wäre es genauso wichtig, dass die Betroffenen in ihrem Umfeld weiterbetreut werden.

Dann existiert also im ambulanten Bereich gar keine Möglichkeit, die Beratung weiterzuführen?
Katrin Vogt: Es gibt einige wenige Möglichkeiten, wie z. B. die Ambulatorien der Universitätskliniken oder zum Teil auch anderer Spitäler, die Beratungssequenzen im Rahmen einer Herzinsuffizienz-Sprechstunde anbieten. Der Grossteil der Patienten hat jedoch dazu keinen Zugang. Das hängt mit der Finanzierung zusammen. Alle Versuche, die Herzinsuffizienz-Beratung ins TARMED einzugliedern, sind leider gescheitert. Das bedeutet, dass diese Dienstleistung nicht abgerechnet werden kann – im Gegensatz beispielsweise zur Diabetesberatung.

Welche Schwerpunkte setzen Sie bei der Beratung eines Patienten?
Katrin Vogt: Der erste Schritt ist herauszufinden, welchen Wissensstand über seine Krankheit der Patient schon besitzt. Ich versuche auch zu eruieren, ob er seine Symptome einordnen kann. Es gibt Pflichtinhalte wie Flüssigkeits- und Salzhaushalt, Gewichtsverlauf oder Medikamenteneinnahme. Dies bekommen alle Patienten von mir zu hören. Daneben gilt es, Wissenslücken zu entdecken und Prioritäten bei Themen zu setzen, die wir dann vertieft anschauen. Nach meiner Erfahrung hängt die Art der Beratung auch davon ab, wie lange der Patient seine Diagnose schon kennt. Ist er zum ersten Mal mit dem Thema Herzinsuffizienz konfrontiert, geht es wirklich um grundsätzliche Dinge wie Symptome oder Alarmzeichen dieser Erkrankung. Der Patient muss wissen, wann er sich beim Arzt melden soll. Wenn jemand schon längere Zeit mit dieser Krankheit lebt, geht es eher darum, mit der Bewältigung der Gesamtsituation klarzukommen. Manchmal ist es nicht leicht zu akzeptieren, dass die Herzinsuffizienz kontinuierlich fortschreitet und die Lebensqualität immer schlechter wird. Oftmals kommen dann auch palliative Aspekte oder End-of-Life-Situationen zur Sprache.

Wo bestehen Ihrer Meinung nach noch Optimierungsmöglichkeiten bei der Betreuung von Herzinsuffizienz-Patienten?

Katrin Vogt: Eine kontinuierliche Begleitung durch eine Herzinsuffizienz-Beraterin über das stationäre klinische Umfeld hinaus wäre vor allem nach der Erstdiagnose für viele Patienten sehr hilfreich. Somit würde auch geprüft, ob die während des Spitalaufenthaltes besprochenen Aspekte zu Hause wirklich auch umgesetzt werden. Herzinsuffizienz-Beraterinnen könnten auch eine erste Anlaufstelle für Patienten sein, die das Gefühl haben, dass etwas mit ihrem Gesundheitszustand nicht stimmt. So könnte eine erste Triage durchgeführt werden, was wiederum die Hausärzte etwas entlasten würde. Eines der wichtigsten Ziele in der Betreuung von Herzinsuffizienz-Patienten ist es, Hospitalisationen zu verhindern. Ein niederschwelliges Angebot für eine Beratung wäre in diesem Zusammenhang sicherlich hilfreich.