27. Juli 2015Kardiovaskuläre Ereignisse

LDL-Cholesterin und ACS

Simvastatin plus Ezetimibe senkt das kardiovaskuläre Risiko beim akuten Koronarsyndrom

Das LDL-Cholesterin bei Hochrisikopatienten unter die vorgesehenen Zielwerte zu senken, bringt zusätzliche klinische Vorteile, so der Studienleiter Professor Dr. Christopher P. Cannon, Harvard Medical School. In der am AHA-Jahreskongress 2014 vorgestellten und jetzt im New England Journal of Medicine publizierten IMPROVE-IT-Studie gelang dies mit der Kombination aus Ezetimibe plus Simvastatin.

Die Behandlung mit Statinen senkt das LDL-Cholesterin und das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. IMPROVE-IT konnte jetzt zeigen, dass Ezetimibe, zusätzlich zu Simvastatin gegeben, das LDL-Cholesterin weiter senkt und das kardiovaskuläre Risiko vermindert. Hochrisikopatienten, die mit Statinen behandelt werden, bleiben einem erhöhten kardiovaskulären Risiko ausgesetzt, selbst wenn ihre LDL-Cholesterinspiegel tief sind.

«IMPROVE-IT wurde entwickelt, um die sehr wichtige wissenschaftliche Frage nach dem Verhältnis des kardiovaskulären Risikos und einer Senkung des LDL-Cholesterins auf sehr geringe Werte durch die Anwendung von Ezetimibe in Kombination mit einem Statin zu klären», erklärte Professor Dr. Eugene Braunwald, Co-Vorsitzender der Studie und Gründungsvorsitzender der TIMI-Studiengruppe am Brigham and Women’s Hospital, Boston. Das Design von IMPROVE-IT war so angelegt, dass man feststellen konnte, ob die LDL-Cholesterinsenkung unter 1,8 mmol/l kardiovaskuläre Ereignisse weiter reduziert.
IMPROVE-IT ist eine randomisierte doppelblinde Studie mit 18 144 Patienten, die wegen eines akuten Koronarsyndroms in den letzten zehn Tagen vor der Randomisierung hospitalisiert werden mussten. Zum akuten Koronarsyndrom zählen die instabile Angina pectoris und der akute Herzinfarkt mit und ohne ST-Hebung. Die IMPROVE-IT-Studie (IMProved Reduction of Outcomes: INEGY Efficacy International Trial) wurde von der Thrombolysis In Myocardial Infarction (TIMI) Study Group des Brigham and Women’s Hospital sowie dem Duke Clinical Research Institute (DCRI) an 1147 Zentren in 39 Ländern durchgeführt. 9077 Studienteilnehmer wurden in die Simvastatin-Monotherapie- und 9067 in die Simvastatin-Ezetimibe-Gruppe randomisiert.

Weitere Aufnahmekriterien waren, dass ihr LDL-Cholesterin zwischen 1,3 und 2,6 mmol/l betrug, wenn sie bereits eine Statin-Therapie erhielten, oder zwischen 1,3 und 3,2 mmol/l, wenn sie noch nicht mit einem Statin behandelt wurden.

Die LDL-C-Aufnahmeeinschränkungen dienten der Aufnahme von Patienten, für die in der Simvastatin-Gruppe normalerweise LDL-C-Spiegel von 1,8 mmol/l oder weniger erwartet werden konnten. Dieser Zielwert war die optionale Empfehlung, die bei der Aktualisierung der Richtlinien für das Adult Treatment Panel (ATP) III 2004 festgelegt worden war. Weitere Ausschlusskriterien waren u. a. eine geplante Bypass-Operation, eine Kreatinin-Clearance < 30 ml/min oder eine aktive Lebererkrankung.

Die Patienten bekamen entweder die Kombination aus 40 mg Simvastatin plus 10 mg Ezetimibe oder eine Statinmonotherapie mit 40 mg Simvastatin plus Placebo. Vor einer Prüfplanänderung im Jahr 2011 konnte die Dosis auf 10/80 mg Ezetimibe/Simvastatin bzw. 80 mg Simvastatin titriert werden, wenn aufeinanderfolgende LDL-Cholesterin-Werte 2 mmol/l überschritten. Nach der Prüfplanänderung wurde die Simvastatin-Dosis 80 mg auf 40 mg reduziert. Der primäre zusammengesetzte Endpunkt war definiert als kardiovaskulärer Tod, nichttödlicher Herzinfarkt, Hospitalisation wegen instabiler Angina, koronare Revaskularisation im Zeitraum bis zu 30 Tagen nach Randomisierung und nichttödlicher Schlaganfall.
Die Studie lief insgesamt über neun Jahre, die Nachbeobachtung lag median bei sechs Jahren.

Weniger kardiovaskuläre Ereignisse

Über die gesamte Studienzeit betrug das LDL-Cholsesterin in der Simvastatin-Monotherapie-Gruppe 1,8 mmol/l und in der Simvastatin-Ezetimibe-Gruppe 1,4 mmol/l, was einer zusätzlichen Senkung von 24 % entspricht. Nach einem Jahr waren die Cholesterin-, Trigyceride-, non-HDL-Cholesterin-, Apolipoprotein-B- und hochsensitives C-reaktives Protein-Spiegel in der Simvastatin-Ezetimibe-Gruppe signifikant tiefer als in der Simvastatin-Monotherapie Gruppe und mehr Patienten erreichten die Zielwerte von < 1,8 mmol/l LDL-Cholesterin und ein C-reaktives Protein von < 2,0 mg/l.

Die kardiovaskuläre Ereignisrate konnte mit der Kombinationstherapie signifikant um 6,4 % gesenkt werden (relative Risikoreduktion). Der primäre Endpunkt wurde in der Monotherapie-Gruppe von 2742 Patienten (34,7 %) erreicht gegenüber 2572 (32,7 %) in der Simvastatin-Ezetimibe-Gruppe (HR = 0,936; 95 % CI 0,89–0,99; p = 0,016). Nach einem Jahr Therapie macht sich der Vorteil der Kombinationstherapie offensichtlich bemerkbar, die sogenannten «real hard endpoints», tödliche kardiovaskuläre Ereignisse und nichttödliche Herz- und Hirninfarkte konnten um 10 % reduziert werden (p = 0,003). 

Bei den sekundären Endpunkten ist noch besonders erwähnenswert, dass das Risiko für alle Formen von  Herzinfarkt in der Simvastatin-Ezetimibe-Gruppe um 1,7 % signifikant reduziert war, relative Risikoreduktion 13 % (p = 0,002). Die relative Risikoreduktion bei allen Formen von Hirnschlag betrug  14 %, die der ischämischen Hirnschläge 21 % (p = 0,008).

Die Vorteile der Simvastatin-Ezetimibe-Kombination waren in allen Subgruppen konsistent. Speziell Patienten mit Diabetes mellitus und über 75-Jährige profitierten davon.

Cannon CP et al. Ezetimibe added to statin therapy after acute coronary syndromes. N Engl J Med 2015; 372(25): 2387–2397.


LDL-Hypothese auf dem Weg zum LDL-Prinzip?

In ihrem Kommentar im New England Journal of Medicine bezeichnen Dr. John A. Jarcho und Dr. John F. Keaney von der University of Massachusetts die IMPROVE-IT-Studie als Meilensteinstudie. Es ist die erste klinische Studie, die einen Vorteil für einen zusätzlich zur Statin-Therapie verabreichten Lipidsenker aufzeigt, der kein Statin ist.

Die Diskussion darüber, ob Statine pleiotrope Effekte aufweisen, hat zur «Statin-Hypothese» geführt. Aber haben Statine wirklich eine einzigartige Wirkung bei der Atherosklerose? Mehrere in der jüngeren Vergangenheit durchgeführte Studien, in denen ein Nichtstatin-Lipidsenker einer Statin-Therapie hinzugefügt wurde, konnten keinen signifikanten kardiovaskulären Vorteil zeigen.1,2,3,4  Die IMPROVE-IT-Studie mit Ezetimibe bringt die Diskussion in eine andere Richtung, so die Autoren. Vermutlich sei es die LDL-Cholesterinsenkung an sich, welche die Effekte bei koronarer Herzkrankheit erklärt. Die Ergebnisse  dieser Studie sind zudem ein starkes Argument für die LDL-Cholesterin-Zielwerte.

Die Autoren betonen, dass IMPROVE-IT für Patienten mit nicht akzeptablen Statin-Nebenwirkungen oder Patienten, die mit Statinen ihr LDL-Cholesterin nicht ausreichend senken können, Hoffnung macht.
Sie sind aber auch der Meinung, dass andere Methoden, mit denen das LDL-Cholesterin ausreichend gesenkt werden kann, ihre Berechtigung haben. Eine besondere Herausforderung für die behandelnden Ärzte sei allerdings, die Patienten-Adherence langfristig aufrechtzuerhalten. Dabei stellt sich die Frage nach der Praktikabilität von PCSK9-Hemmern, die zwar überzeugend wirken, aber alle zwei bis vier Wochen subkutan verabreicht werden müssen, so die Autoren. 

Die Autoren sind der Ansicht, dass IMPROVE-IT wesentliche Information zur Bedeutung der Senkung vom LDL-Cholesterin liefert, gleich welche Substanz benutzt wird. Die Daten sprechen für den Vorrang der LDL-Cholesterinsenkung bei der Strategie, die koronare Herzkrankheit zu verhüten. Daher sollte erwogen werden, anstelle von der LDL-Hypothese vom LDL-Prinzip zu sprechen.

Jarcho JA, Keaney JF Jr. N Engl J Med 2015; 372(25): 2448–2450.

  1. Ginsberg HN et al. Effects of combination lipid therapy in type 2 diabetes mellitus. N Engl J Med 2010; 362: 1563–1574.
  2. Boden WE et al. Niacin in patients with low HDL cholesterol levels receiving intensive statin therapy. N Engl J Med 2011; 365: 2255–2267.
  3. Landray MJ, et al. Effects of extended-release niacin with laropiprant in high-risk patients. N Engl JMed 2014; 371: 203–212.
  4. Schwartz GG et al. Effects of dalcetrapib in patients with a recent acute coronary syndrome. N Engl J Med 2012; 367: 2089–2099.