30. Juli 2015

Schutzschirm für die geschwächte Niere

Hat eine Niere einmal relevanten Schaden erlitten, so führen mal­adaptive Mechanismen zum Fortschreiten der Krankheit – selbst dann, wenn die ursprüngliche Noxe wegfällt. Die verbleibenden Nephrone übernehmen die Filter-Arbeit der ausgefallenen und sind erhöhtem intraglomerulärem Druck ausgesetzt. Die Tubuli leiden unter vermehrter Säurebelastung. Zudem beteiligen sich profibrotische Stimuli an dem fortschreitenden Zerstörungswerk.

Proteinurie mit ACE-Hemmern reduzieren

Neben diesen Mechanismen gibt es aber einige Progressionsfaktoren, die Sie therapeutisch beeinflussen können: z.B. die Proteinurie. Mindern Sie das Ausmaß einer Albuminurie, bremst dies das Fortschreiten der Niereninsuffizienz. Hierzu dienen Medikamente wie ACE-Hemmer und AT1-Rezeptorblocker. Diese werden möglichst so hoch aufdosiert, bis man die Proteinurie in den Zielbereich „zurückgedrängt“ hat, wie Dr. Andreas D. Kistler von der Medizinischen Klinik, Nephrologie und Dialyse am Kantonsspital Frauenfeld erläutert.

Als Nierenkiller schlecht­hin lässt sich die arterielle Hypertonie bezeichnen. Sie kann selbst eine Nephropathie verursachen oder vorgeschädigte Organe weiter in die Insuffizienz treiben. Strikte Blutdruckkontrolle verlang­samt den Funktionsverlust v. a. bei proteinurischen Patienten eindrucksvoll – die angestrebten Zielwerte liegen < 130/80 mmHg. Als Antihypertensiva entfalten wiederum ACE-Hemmer und AT1-Rezeptorblocker besonders günstige Effekte – meist als Bestandteil einer Kombinationstherapie z.B. mit Schleifendiuretika .

Weniger Salz und weniger Säure konsumieren

Ungünstig auf die Nephrone wirkt sich auch vermehrte Säurebelastung aus. Westliche Ernährung, die viel tierisches Eiweiß enthält, führt rasch in die metabolische Azidose. Es kommt u.a. zu vermehrter Freisetzung profibrotischer Substanzen und zur Insuffizienz-Progression. Ab einem Serumbicarbonat < 22 mmol/l, sollte laut KDIGO*-Leitlinie eine orale Therapie mit Natriumbicarbonat erfolgen – in der Regel 3–6 Kapseln à 500 mg. Dies kann weiteren Funktionsverlust aufhalten. Gleiches gilt für eine säureärmere Ernährung mit viel Obst und Gemüse, wobei Vorsicht im Hinblick auf etwaige Elektrolytentgleisungen (Kalium!) geboten ist.

Was den Eiweißgehalt der Nahrung betrifft, so hat bei den Nephrologen ein Umdenken stattgefunden. Zwar weiß man, dass proteinreiche Kost eine chronische Hyperfiltra­tion auslöst. Doch die Datenlage im Hinblick auf positive Effekte einer Eiweißrestriktion lässt zu wünschen übrig. Und auf der anderen Seite möchte man auch keine Mangelernährung riskieren. Aktuell lautet die Leitlinienvorgabe, übermäßige Proteinzufuhr zu vermeiden: Chronisch Nierenkranke mit Progressionsrisiko sollten weniger als 1,3 g/kg KG/Tag zu sich nehmen. Bei einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) < 30 ml sollte die Zufuhr unter 0,8 g/kg KG/Tag liegen.

Über den Salzkonsum müssen Sie mit Ihren Patienten ebenfalls reden. Zu viel Salz im Essen steigert den Blutdruck, erhöht die Proteinurie, lässt die GFR weiter absinken und wirkt den protektiven Effekten von ACE-Hemmern und AT1-Blockern entgegen. Daher sollten Nierenkranke nicht mehr als 5–6 g NaCl täglich konsumieren.

Zigaretten steigern Albuminurie

Argumente gegen das Rauchen haben Sie ebenfalls parat: Glimmstängel schädigen nicht nur Herz und Gefäße sondern steigern auch die Albuminurie. Die wenigen Interventionsstudien zum Nikotinstopp verliefen alle positiv. Desweiteren empfehlen Sie grundsätzlich körperliche Altivität und ein BMI-Ziel von 20–25 kg/m2.

Nicht gesichert ist bislang der Einfluss einer Hyperurikämie- oder Hyperlipidämie-Behandlung auf das Fortschreiten einer Niereninsuffizienz. Gleiches gilt für die Substitution von Erythropoietin und Vitamin D.

Auf jeden Fall zu vermeiden sind aber „Second Hits“, also weitere Noxen in Form einer Pharmakotherapie. Oft missachten Kollegen den Einfluss von nicht steroidalen Antirheumatika, die die glomeruläre Perfusion durch Hemmung der intrarenalen Prostaglandinsynthese kritisch reduzieren können. Also bitte NSAR nur zurückhaltend bzw. bei stark reduzierter Nierenfunktion überhaupt nicht einsetzen, mahnt Dr. Kistler.

Keine Phosphat-Laxanzien bei Verstopfung

Röntgenuntersuchungen mit Kontrastmitteln gilt es nach Möglichkeit zu vermeiden. Und falls Alternativmethoden (Schall, Szintigramm) nicht infrage kommen, muss der Patient auf jeden Fall vorhydriert werden und mit seinen Diuretika pausieren.

Zu meiden sind zudem phosphathaltige Abführmittel – zumindest ab einer GFR < 60 mml/min/1,73 m2. Bei reduzierter Nierenfunktion resultieren hohe Phosphatkonzentrationen in Blut und Primärharn, was in eine akute Kalziumphosphat-Kristallnephropathie führen kann.

* Kidney Disease: Improving Global Out­comes

Quelle: Andreas D. Kistler et al., Swiss Medical Forum 2015; 15: 251–256