14. Juni 2015

Welche Medikamente gehören in die Reiseapotheke?

Zunächst und vor allem müssen Patienten daran erinnert werden, jene Medikamente, die sie auch zu Hause auf Dauer einnehmen, z.B. Antihypertensiva, Antidiabetika oder etwa Gichtmittel, mitzunehmen – und zwar in ausreichender Menge für die geplante Reisedauer, unter­streicht Dr. Ulrich Klinsing. Denn das werde leicht vergessen, betont der Kollege, der in Frankfurt am Main nicht nur eine Allgemeinarztpraxis betreibt, sondern auch das „Sachsenhäuser Institut für Reisemedizin“ mit Gelbfieberimpfstelle.

Für den Urlaub im Tropenparadies: Antibiotikum mitgeben – ja oder nein?

Patienten, die in tropische Länder mit eingeschränkter medizinischer Versorgung reisen, sollte nach Dr. Klinsings Ansicht sicherheitshalber ein Antibiotikum mitgegeben werden. Aber keineswegs zur Prophylaxe oder Therapie von Durchfallerkrankungen, wie der Reisemediziner betont.


Schließlich hat gerade wieder eine finnische Studie ergeben, dass durch Antibiotika bei leichter oder moderater Reisediarrhö der Besiedelung mit Extended-Spectrum-Betalaktamasen bildenden Keimen Vorschub geleistet wird.*


Warum also ein Antibiotikum? Dr. Klinsing rät dazu, damit Reisende z.B. im Falle eines Tierbisses, der ja immer hochinfektiös ist, sofort für eine antibiotische Abdeckung sorgen können. Das nur für solche Notfälle, nie gegen Durchfall (!), mitgegebene Antibiotikum sollte daher auch gut gewebegängig sein, so der Reisemediziner. Er rezeptiert z.B. Ciprofloxacin oder Azithromycin, je nach der Resistenzlage in dem Reiseland. Gegen Ciprofloxacin gebe es etwa in Südostasien und Indien viele Resistenzen, weshalb es dort nicht einsetzbar sei.

*Anu Kantele et al., Clin Infect Dis. 2015; 60: 837-846

Zuallererst an die Dauermedikamente denken

Manche Patienten nähmen auch ganz bewusst nicht genügend von ihrer Dauermedikation mit, um sich die Medikamente – eventuell günstiger – am Zielort zu kaufen. Das kann aber riskant sein, so der Reisemediziner gegenüber Medical Tribune.

Patienten sollten darüber informiert werden, dass besonders im außereuropäischen Ausland „Fake“-Medikamente im Handel sein können, die keinen bzw. nicht den richtigen Wirkstoff oder etwa falsche Dosierungen enthalten.

Sogar in industrialisierten Ländern wie den USA oder Australien, in denen eigentlich eine gute Arzneimittelsicherheit gegeben sei, könne sich die Zusammensetzung der Medikamente von den hier verfügbaren Pharmaka unterscheiden, was ggf. Probleme bereite. „Deshalb dauerhaft einzunehmende Medikamente immer von hier aus mitnehmen“, rät Dr. Klinsing. Um sicherzugehen, am Zielort auch genügend dabeizuhaben, sollte möglichst etwas mehr mitgenommen werden, als für die geplante Reisedauer benötigt wird. Zudem sollten die Pharmaka nicht alle in einer Tasche verpackt, sondern aufs Handgepäck und das aufzugebende Gepäck verteilt werden.

Was zusätzlich zu den Dauermedikationen in die Reiseapotheke gehört, hängt vor allem vom Reiseziel und ggf. von der Art der Reise ab. Geht der Patient mit dem Rucksack auf Abenteuer-Tour oder verbringt er den Urlaub in einem gepflegten Hotel?

In jedem Fall zur Grundausstattung gehört laut Dr. Klinsing

Krankenversicherung für das Ausland ist unabdingbar

Bei aller Eigenvorsorge muss jedem Reisenden eines immer deutlich vermittelt werden, betont Dr. Klinsing: „Wenn jemand Beschwerden hat, wegen denen er hierzulande zum Arzt gehen würde, sollte er das unterwegs auf jeden Fall ebenfalls tun.“ Dieser Grundsatz gelte nicht nur für Länder mit anerkannt guter medizinisch-ärztlicher Versorgung, sondern auch in Regionen der Dritten Welt mit nicht so guten Standards.


Auch in diesen Ländern gibt es nach der Erfahrung des Reisemediziners in Großstädten häufig eine ausreichende privatärztliche Versorgung. (Auf dem Land sieht es allerdings meist extrem viel schlechter aus.)


Um aber einen privatärztlich tätigen Mediziner in Anspruch nehmen zu können, sei eine vernünftige Reise-Krankenversicherung unabdingbar. Am besten sollten Versicherungen mit einer 24-Stunden-Hotline gewählt werden, die auch Listen von möglichst Deutsch oder Englisch sprechenden Privatärzten im Reiseland vorhalten. Eine solche Versicherung sollte sicherheitshalber auch für Reisen ins europäische Ausland abgeschlossen werden, denn ob das Sozialversicherungsabkommen immer und überall greife und beachtet werde, sei durchaus nicht sicher, so die Erfahrung des Reisemediziners.

  • alles, was zur sofortigen Versorgung einer Verletzung benötigt wird, also Pflaster, weiteres Verbandsmaterial, eine Schere, eine Pinzette und ein Wunddesinfektionsmittel.
  • Um stumpfe Traumata behandeln zu können, ist es darüber hinaus sinnvoll, ein antiphlogistisches Topikum in die Reiseapotheke zu packen.
  • Neben der obligaten Antihist­amin-/Kortikosteroidsalbe sollten Patienten, die zu Allergien neigen, ein orales Antihistaminikum dabeihaben, rät der Experte. Am besten werden Substanzen gewählt, mit denen der Betreffende bereits gute Erfahrungen gemacht hat. Wer also weiß, dass ihm z.B. Loratadin oder Cetirizin hilft und für ihn gut verträglich ist, solle auch diese Substanz einpacken.
  • Ebenfalls in die Reiseapotheke gehört ein Analgetikum/Antipyretikum wie Ibuprofen oder Paracetamol.
  • Wer zu Durchfällen neigt, sollte zudem auch bei Reisen in westeuropäische Länder sicherheitshalber ein Elektrolytpräparat mitnehmen. Besonders aber bei Reisen in die Tropen. Denn: Die Rehydrierung steht bei Durchfall ganz oben an. Von einer Eigenbehandlung mit Antibiotika ist bei Reisediarrhö dagegen dringend abzuraten (siehe Kasten).
  • Auch ein Nasenspray gehört in die Reiseapotheke, besonders bei Flugreisen gegen Druckausgleichsprobleme; ggf. auch Ohrentropfen gegen Entzündungen des äußeren Gehörganges sowie antibakterielle Augentropfen zur Behandlung bei Konjunktivitiden.
  • Nicht fehlen sollte schließlich ein Mittel gegen Reisekrankheit, etwa Dimenhydrinat.

Rechtzeitig impfen lassen

Patienten, die in tropische Länder mit weniger guter medizinischer Versorgung reisen, sollten nach der Erfahrung des Experten sicherheitshalber zusätzlich einen

  • Protonenpumpenhemmer zur raschen Linderung von säurebedingten Oberbauchbeschwerden dabeihaben.
  • Wenn ein Reisender erfahrungsgemäß zu bestimmten Erkrankungen neigt, muss die Reiseapotheke um entsprechende Medikamente wie z.B. ein topisches Antimykotikum oder ein Präparat gegen Lippenherpes ergänzt werden.
  • Bei starken, auch krampfartigen Schmerzen und hohem Fieber hat sich Metamizol bewährt und gehört daher für solche Fälle in die Reiseapotheke.
  • Malariamedikamente sind wie eine eventuelle Dauermedikation in ausreichender Menge für die komplette Reisedauer von hier aus mitzunehmen und sollten nicht im Reiseland besorgt werden. Denn wieder gilt: Vielfach werden in weniger entwickelten Ländern sogar in Apotheken gefälschte oder verfälschte Medikamente verkauft.
  • Als Repellenzien zur Abwehr von Mücken und anderen blutsaugenden Insekten empfiehlt Dr. Klinsing, hierzulande verfügbare Präparate mit DEET oder Icaridin mitzunehmen. Stelle sich dann heraus, dass diese Mittel im Reiseland offenbar nicht genügend wirkten, könne immer noch ein dort verfügbares und bewährtes Präparat erworben werden. Allerdings, so gibt der Kollege zu bedenken, sei in diesen Fällen die Toxizität des Präparates häufig unklar.

Und selbstverständlich müssen je nach Reiseland rechtzeitig die empfohlenen Impfungen erfolgen. Welche Impfung für welches Land empfohlen wird oder vorgeschrieben ist und welche länderspezifischen medizinischen Besonderheiten sonst noch zu beachten sind, lässt sich beispielsweise einsehen auf der Website des Auswärtigen Amtes (http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/SicherheitshinweiseA-Z-Laenderauswahlseite_node.html). Welche Impfungen dann dem Reisenden verabreicht werden, ist ganz individuell zu entscheiden.

Quelle: Medical-Tribune-Recherche